Wer gewinnt, wenn die Briten im Mai doch mitwählen (müssen)

Proest für den Verbleib Großbritanniens in der EU
Rechtspopulisten würden gestärkt, aber nicht zu einer Fraktion zusammenwachsen

Die einen europäischen Parten sehen es mit Ärger. Die anderen können der steigenden Wahrscheinlichkeit, dass Großbritannien Ende Mai doch an den EU-Wahlen teilnehmen wird, durchaus Positives abgewinnen. Entscheidenden Einfluss auf das Wahlergebnis hätte es auf jeden Fall. Eines davon: Die rechten und rechtspopulistischen Kräfte im EU-Parlament würden noch stärker dazugewinnen als schon prognostiziert wird.

Die 73 britischen EU-Abgeordneten haben ihre Kisten eigentlich schon längst gepackt. Am 29. März hätte der Ausstieg Großbritanniens aus der EU erfolgen sollen. Doch weil der Brexit nun vielleicht bereits zum zweiten Mal verschoben wird, bereiten sie sich auf eine erneute Kandidatur vor. Denn die Vorgabe Brüssels lautet: Eine längere Verschiebung des Brexit gibt es nur, wenn Großbritannien an den EU-Wahlen Ende Mai teilnimmt.

Protestwahl

Wer gewinnt, wenn die Briten im Mai doch mitwählen (müssen)

Die Begeisterung darüber hält sich in Brüssel in Grenzen. „Man kann davon ausgehen, dass die Briten diese Wahl dann als eine Art Anti-Eliten-Wahl sehen. Dann haben wir vielleicht 25 Mini-Farages im Parlament sitzen“, ärgert sich ein hoher Politiker der Europäischen Volkspartei (EVP). Nigel Farage, früherer Chef der EU-feindlichen UKIP, hat schon bestätigt: Im Fall der Fälle werde er wieder kandidieren – und von Brüssel aus weiter für den Brexit kämpfen.

Würden die Briten mitwählen, kämen die drei rechtspopulistischen und europa-skeptischen Parteienfamilien im EU-Parlament zusammen auf 183 von insgesamt 751 Mandaten. Dies ermittelte das Wiener Projekt „pollofpolls.eu by POLITICO“. Damit wären sie stärker als die bisher größte Parteienfamilie, die Europäische Volkspartei (EVP). Der EVP werden – ob mit oder ohne Briten-Beteiligung – herbe Verluste prognostiziert. Von derzeit 217 Mandaten wird sie auf 179 sinken. Wählen die Briten mit, gehen weitere vier Mandate verloren. Entsprechend abwehrend äußert sich EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber: „Wenn ein Land die EU verlassen will, dann darf es keinen Einfluss mehr auf die Gestaltung der Union haben.“ Anders gesagt: Dann solle es auch nicht mitwählen.

Ganz anders die Europäischen Sozialdemokraten: Ihre erwarteten Stimmenverluste würden geringer ausfallen, wenn die britischen Labour-Abgeordneten doch wieder dabei sind.

Den größten Vorteil aber hätte die konservative EKR: Ihr gehören die britischen Tories an, ebenso wie die polnische Regierungspartei PiS: Wählen die Briten mit, legen sie um 6 auf 81 Mandate zu. Ohne Briten würden die EKR elf Mandate verlieren.

Kein rechter Dreierbund

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Proteste für den Brexit in London

Sicher aber ist: Auch wenn mit Verbleib der Briten die Zahl der EU-Skeptiker im Parlament steigen würde, wäre ein Zusammenschluss aller drei europa-kritischen Parteienfamilien (EKR, ENF und EFDD) unwahrscheinlicher denn je. Dafür bürgen die Tories. Für die konservative britische Regierungspartei ist ein Zusammengehen mit Marine Le Pens Rassemblement National, mit Straches FPÖ oder mit Salvinis Lega schlicht undenkbar.

Davon unbeeinflusst wird die Kür des EU-Kommissionspräsidenten erfolgen. Das werden EVP, Sozialdemokraten und Liberale entscheiden. Zusammen kommen die drei Gruppen im EU-Parlament auf eine Mehrheit – mit oder ohne Briten.

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