Bidens Comeback: Jetzt zeichnet sich eine Hängepartie mit Sanders ab
Joe Biden ist nach einem sensationellen Comeback wieder voll da. Bei Bernie Sanders ist der Lack ein bisschen ab. Für Michael Bloomberg war der teuerste Kurzwahlkampf aller Zeiten eine Fehl-Investion. Er und Elizabeth Warren, die selbst ihre Herkunfts- und Heimatbundesstaaten Oklahoma und Massachusetts verlor, sind die nächsten Kandidaten fürs Hissen der weißen Fahne.
Nach “Super Tuesday” mit Vorwahlen in 14 Bundesstaaten weisen bei den Demokraten in Amerika im Vorwahlkampf um die Präsidentschaftskandidatur damit alle alle Signale auf ein Duell, das den schwärenden Groß-Konflikt der Partei illustriert: Joe Biden (für den moderat-gemäßigten Flügel) und Bernie Sanders (für die Linksprogressiven) werden aller Voraussicht nach unter sich ausmachen, wer im Juli das Ticket bekommt, um gegen Amtsinhaber Donald Trump anzutreten.
Der Ausgang ist völlig offen. Es steht ein harter Stellungskrieg um jeden einzelnen der insgesamt rund 4000 Delegierten bevor. 1991 braucht man im ersten Wahlgang zum Sieg. Bisher hat Biden rund 300 sicher, Sanders kommt auf etwa 250 Delegierte. Die Zahlen ändern sich kontinuierlich. Das Wichtigste auf eine Blick:
Warum ein Totgesagter plötzlich quicklebendig sind:
Keine Woche her, da wurde Joe Biden politisch bereits die letzte Ölung zuteil. Nach krachenden Niederlagen in Iowa und New Hampshire und einem lauwarmen zweiten Platz in Nevada galt der 77-Jährige als so gut wie erledigt. Schwindsucht in der Wahlkampfkasse, schlechte Organisation und wenig Vertrauen einflößende Auftritte bei den TV-Debatten wurden dafür als Indizien herangezogen. Dann kam der Erdrutsch-Sieg in South Carolina am Samstag und das schnellste Comeback seit Jahrzehnten.
Angetrieben durch den Ausstieg von Konkurrenten im Mitte-Links-Spektrum, die - allen voran Pete Buttigieg und Amy Klobuchar - über Nacht zu Biden-Fans wurden, legte der Alt-Vizepräsident am Super Tuesday eine unerwartete Siegesserie hin: Virginia, North Carolina, Alabama, Arkansas, Minnesota, Oklahoma, Tennessee, Texas und Massachusetts. Momentum, die eigentümliche Dynamik, die um Sieger herum entsteht, heißt seither “Joementum”.
Gestützt auf Wähler jenseits der 60 und Afro-Amerikaner hinterließ Biden kreuz und quer im Land seine Duftmarke. Selbst in Bundesstaaten, wo er mangels Zeit und Geld nie vorher im Wahlkampf war (Oklahoma etc.), räumte Biden ab.
Am Ende stehen bisher neun Siege und ein noch nicht endgültig ermittelter Delegierten-Stand, der ihn wahrscheinlich vor Sanders platzieren wird. Oder gleichauf. Oder kurz dahinter. Aber Biden hat nun einen zentralen Vorteil: Spender-Geld wird in Strömen fließen. Damit kann er sein zentrales Argument wirksamer anbringen, das offenbar bei vielen Wählern zieht: Amerika sucht nach einem Versöhner, der die durch Trump ausgekofferten Gräben im Land zuschütten kann und Politik mit Augenmaß betreibt, die im Kongress zu “Resultaten” führt. Ein Seitenhieb auf Sanders, der eine politische “Revolution” (kostenlose Unis, staatliche Krankenversicherung, hohe Reichen-Steuern etc.) predigt, die teuer und im Parlament nicht mehrheitsfähig ist.
"Super Tuesday": Joe Biden voran
Warum bei Bernie Sanders ein bisschen der Lack ab ist:
Viele Umfragen gingen davon aus, dass der selbsternannte Sozialist heute mit einem Vorsprung bis zu 400 Delegierten auf und davon ist. Das Gegenteil ist eingetreten. Vermont, Utah, Colorado und Kalifornien - in nur vier Staaten hat der 78-Jährige die Nase vorn. Für ihn fast sicher geglaubte Staaten wie Minnesota, Oklahoma und Massachusetts gingen an Biden, der ihn bei Afro-Amerikanern mit 20 % und bei moderaten Wählern mit 10 % Vorsprung abgehängt hat.
Sanders ist es nicht - wie regelmäßig von ihm beschworen - gelungen, abstinente Wählergruppen massenhaft in den demokratischen Prozess zu ziehen. Sanders hat jedoch ein Pfund auf seiner Seite, das sich bis zum Ende der Vorwahlen am 6. Juni noch sehr positiv bemerkbar machen kann. Junge Wähler unter 30 und Latinos, Wähler mit Wurzeln in Mexiko und angrenzenden Staaten, sind eindeutig Bernie-Fans.
Warum Geld keine Mehrheiten kauft:
Knapp 600 Millionen Dollar hat Michael Bloomberg seit Ende November in seinen Außenseiter-Wahlkampf gepulvert. Der historisch einmalig hohe Einsatz hat sich nicht rentiert. Der New Yorker Multi-Milliardär sah sich als den eindeutig besseren “Joe Biden”; mit mehr Erfahrung und Durchschlagskraft, um Trump zu schlagen.
Ein einziger Sieg im Außenterritorium American Samoa und überschaubare Delegierten-Pakete wenigen anderen Bundesstaaten belegen: Die Wähler sehen das anders. Eine nüchterne Bestandsaufnahme, die Bloomberg angekündigt hat, könnte seinen Ausstieg aus dem Rennen zur Folge haben.
Wenn Bloomberg seine Finanzkraft hinter Biden wirft, wäre die Versöhnung mit dem Partei-Establishment perfekt. Dort ist man besorgt, dass der 78-Jährige Joe Biden bei den kommenden elf (!) Wahlen in diesem Monat Stimmen wegnehmen würde, was am Ende Sanders nutzt.
Warum nichts wirklich vorbei ist, bevor es vorbei ist:
Die Delegierten-Hitparade wird erst in einigen Tagen, vielleicht auch erst Anfang April genaue Platzierungen ergeben. Kalifornien, wo mit 415 Wahlmännern der Löwenanteil zu vergeben ist, zählt lange aus. Im Moment zeichnet sich ab, dass weder Biden noch Sanders eine klare Führung für sich beanspruchen können. Bis Ende des Monats könnte mehr Klarheit herrschen. Am 10. März sind in Idaho, Michigan, Mississippi, Missouri, North Dakota und Washington State 352 Delegierte zu verteilen.
Eine Woche darauf, am 17. März, geht es in Arizona, Ohio, Florida und Illinois um 577 Wahlmänner- und frauen.
Kommentare