Biden-Schelte und UN-Resolution: Der internationale Druck auf Israel steigt
Erstmals seit dem 7. Oktober kritisiert US-Präsident Biden die israelische Kriegsführung öffentlich. Doch Netanjahu will „auch ohne Deckung“ weiterkämpfen.
Mehr als zwei Monate nachdem Israel den Krieg gegen dieHamas ausrief – als Reaktion auf deren Massaker an israelischen Zivilisten am 7. Oktober – droht dem Staat die internationale Unterstützung wegzubrechen.
Das deutlichste Signal diesbezüglich kam am Dienstagabend (Ortszeit) aus Washington, wo US-Präsident Joe Biden – bisher der wichtigste Verbündete des israelischen Premiers Benjamin Netanjahu – erstmals seit Kriegsbeginn Risse im Verhältnis zur israelischen Regierung öffentlich machte.
Israel habe "die EU, Europa, den Großteil der Welt an seiner Seite", so Biden, "aber sie beginnen, diese Unterstützung zu verspielen, wenn sie die willkürlichen Bombardements im Gazastreifen fortsetzen." Biden legte Netanjahu sogar einen Umbau dessen Regierung nahe, die er als "konservativste in der israelischen Geschichte" bezeichnete. Netanjahu müsse sein Vorgehen ändern, "aber diese Regierung macht es ihm sehr schwer, sich zu bewegen".
Vor allem den rechtsextremen israelischen Sicherheitsminister Itamar Ben-Gvir nahm Biden ins Visier, da dieser eine Zweistaatenlösung nach einem möglichen Ende des Krieges ablehne. "Man kann zu einem Staat Palästina nicht 'Nein' sagen", so der US-Präsident. Die USA fordern, den Gazastreifen nach dem Sieg über die Hamas unter die Kontrolle der palästinensischen Autonomiebehörde zu stellen, die aktuell im Westjordanland regiert.
Netanjahu gibt "Meinungsunterschiede" zu
Bidens Aussagen erhöhen den Druck auf Netanjahu, der stets auf Unterstützung aus den USA zählen konnte, massiv. Nach einem kurzen Telefonat mit Biden gab Israels Premier im Gespräch mit CNN zähneknirschend zu, dass es „Meinungsunterschiede“ über die Zukunft des Gazastreifens nach einem Sieg über die Hamas gebe, „und ich hoffe, dass wir bald eine Einigung erzielen werden.“
Meinungsunterschiede gab es am Dienstag auch im Hauptquartier der Vereinten Nationen in New York, wo die Mehrheit der Staatenvertreter einen sofortigen humanitären Waffenstillstand forderten. Die von Ägypten und Mauretanien eingebrachte Resolution erhielt mit 153 Stimmen die notwendige Zweidrittelmehrheit, ist aber nicht bindend. Nur zehn Länder stimmten dagegen, darunter die USA und Österreich, das den Inhalt des Papiers heftig kritisierte.
Doch auch abseits der US-Ostküste stieg der Druck auf Israel. Ebenfalls am Dienstagabend sprachen sich die Regierungen Australiens, Kanadas und Neuseelands in einem gemeinsamen Statement für eine Feuerpause und die Möglichkeit von „sicherem und unverzögerten humanitären Hilfslieferungen“ in den Gazastreifen aus.
"Werden Krieg auch ohne internationale Deckung fortführen"
Israels Außenminister Eli Cohen erklärte am Mittwoch, dass die Appelle von außen nichts am militärischen Vorgehen ändern würden: „Israel wird den Krieg mit oder ohne internationale Deckung fortsetzen.“ Die von der Armee veröffentlichten Zahlen bestätigten das: Innerhalb von 24 Stunden habe man 250 Stellungen im Gazastreifen angegriffen, dazu kamen Luftangriffe auf syrischem und libanesischem Gebiet.
Relevanter für die israelische Regierung dürfte dagegen sein, was sich am Mittwoch – zum wiederholten Mal – in Jerusalem abspielte: Hunderte Angehörige von Hamas-Geiseln demonstrierten dort für neuerliche Verhandlungen mit den Terroristen, um die mehr als einhundert verbliebenen Geiseln freizubekommen. Viele von ihnen hatten vor Netanjahus Büro in Zelten übernachtet. Der Druck steigt also auch intern.
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