Biden gelingt in South Carolina das Comeback
Die Spekulationen über sein politisches Ableben waren verfrüht. Bei Joe Biden hat nach seinem überdeutlichen Sieg (prognostiziert: rund 50 %) bei den Vorwahlen um die demokratische Präsidentschaftskandidatur in South Carolina (SC) wieder die regelmäßige Atmung eingesetzt. Fragt sich nur wie lange.
Belastbare Prognosen über die mittelfristigen Chancen des Alt-Vizepräsidenten, der zuvor in Iowa und New Hampshire schwere Niederlagen einstecken musste, worauf dann der zweite Platz in Nevada wie ein Defibrillator wirkte, sind erst ab 4. März möglich.
Dann liegen die Ergebnisse vom “Super Tuesday” vor, an dem auf einen Schlag 14 Bundesstaaten wählen dürfen und ein Drittel der 4000 Delegiertenstimmen für den Nominierungsparteitag im Juli vergeben wird.
Erst dann wird sich zeigen, ob Bidens unter sehr speziellen Bedingungen entstandener Erfolg in South Carolina eine Eintagsfliege war. Oder ob der 77-Jährige trotz konstant lauwarmen Zuspruchs bei seinen Kundgebungen und manch flacher Vorstellung bei den TV-Debatten die noch verbliebene Konkurrenz auf dem Flügel der Gemäßigten (Pete Buttigieg, Amy Klobuchar und Super-Milliardär Michael Bloomberg) ausstechen und sich als einzige Alternative gegen Bernie Sanders positionieren kann.
Der bislang zweimal siegreich gewesene Links-Progressive, der in nationalen Umfragen mit zweistelligem Vorsprung vor Biden klar favorisiert ist und mit Abstand die größte Euphorie bei seinen Anhängern erzeugt, landete in South Carolina mit rund 20 % Prozent auf dem zweiten Platz. Was nur eine geringfügige Veränderung zum Guten gegenüber 2016 bedeutet, als er von Hillary Clinton deklassiert wurde.
Ein Kandidat weniger: Steyrer hört auf
Sanders Siegeszug, der das Partei-Establishment aufgrund seiner Linkslastigkeit schnappatmen lässt, ist gestern nicht gebremst, aber verlangsamt worden. Seine ebenfalls um Links-Stimmen buhlende Konkurrentin Elisabeth Warren blieb mit knapp sieben Prozent erneut in der “Abteilung vernachlässigenswert”.
Dritter wurde der andere Milliardär im Rennen, Tom Steyer, der 260 Millionen Dollar aus der eigenen Schatulle in seinen Wahlkampf gesteckt hat, aber nach eigenen Worten “keinen Pfad mehr sieht, um gewinnen zu können”. Der ehemalige Hedge-Fonds-Manager aus Kalifornien (62) zog zwei Stunden nach Schließung der Wahllokale die Konsequenz und beendete seine Kandidatur.
Was Joe Biden nutzen kann, da nun ein Mitesser weniger am moderaten Wählertisch sitzt. Sollten Pete Buttigieg (38), der junge Ex-Bürgermeister aus South Bend, und Amy Klobuchar, die wackere Senatorin aus Minnesota, die im einstelligen Prozentbereich endeten und beide bei schwarzen Wählern und Latinos einfach kein Bein auf die Erde bekommen, beizeiten Steyers Beispiel folgen, hätte Biden es “nur noch” mit Bloomberg zu tun.
Der reichste Mann im Kandidatenfeld, der von November bis heute über 500 Millionen Dollar aus der eigenen Tasche in seinen Wahlkampf gepulvert hat, muss bei seinem Debüt am “Super Tuesday” substanzielle Delegierten-Blöcke hinter sich bringen. Andernfalls entwertet sich sein Argument, er sei für den Kampf gegen Donald Trump viel besser gerüstet als Biden. Fußnote: Bloomberg hält Sanders in einem etwaigen Duell mit Amtsinhaber und Sozialistenfresser Donald Trump für den sicheren Chancentod.
Nach seinem allerersten Vorwahlsieg bei seiner dritten Präsidentschaftsbewerbung wollte Joe Biden in Columbia, der Hauptstadt von South Carolina, von solchen Gedankenspielen nichts wissen. Er präsentierte sich gelöst, demütig und tief dankbar. “Noch vor einigen Tagen haben die Experten und die Presse uns für tot erklärt”, sagte vor seinen Anhängern, “dank euch allen, dem Herzen der Demokratischen Partei, haben wir ein großen Sieg errungen. Und wir sind sehr lebendig.”
Biden punktet bei Schwarzen - auch wegen Obama
Diesen Zustand, so ergaben Nachwahl-Befragungen, hat Biden in erster Linie einer mehrheitlich afro-amerikanischen Wählerschaft zu verdanken, die ihn mit einem großen Vertrauensvorschuss ausstattete. “Seine Treue in den acht Jahren als Vize zu Barack Obama wurde ihm heute durch Loyalität vergolten”, sagten Analysten im Sender MSNBC.
Dazu kam Fürsprache des höchstrangigen Schwarzen im Kongress von Washington. Jim Clyburn, in South Carolina ein lebender Säulenheiliger, hatte in letzter Minute eine Wahlempfehlung für Biden ausgesprochen; was laut Meinungsforschern für fast 50 % der Wähler im Palmetto-State wichtig war oder sogar den Ausschlag gab.
Königsmacher Clyburn war es dann auch, der Wasser in den Wein träufelte und im Interview mit CNN geradezu vernichtende Kritik an Bidens bisheriger Wahlkampfführung übte. “Wir müssen diese Kampagne ernsthaft umrüsten”, sagte er, nannte aber keine Details, “ich werde nicht untätig zusehen, wie Leute diese Kampagne vor die Wand fahren.”
Damit das unterbleibt, benötigt Biden neben intellektuellem Input vor allem das, was er nicht mehr hat: Geld. Viel Geld. Während Michael Bloomberg allein für Super Tuesday knapp 140 Millionen Dollar ausgegeben hat, um sich im Fernsehen und im Internet mit Werbespots zu profilieren, war Bidens Kampagne vor South Carolina so gut wie bankrott.
Mit der Folge, dass kaum Mittel da waren, damit Biden zumindest in den delegiertenreichen Schlüsselstaaten am Super Tuesday - Kalifornien und Texas (rund 650 Stimmen) - Präsenz zeigen konnte. Was für ihn misslich ist, weil Umfragen Bernie Sanders in beiden Bastionen haushoch vorn sehen. So weit vorn, dass nach heutigem Stand vielleicht nur der 78-Jährige aussagekräftige Delegiertenzahlen abgreifen und sich dauerhaft an die Spitze setzen könnte.
Darum wirkte Joe Biden etwas neben dem Takt, als er am Samstagabend in IG-Metaller-Manier sagte: “An all jene, die niedergeschlagen, ausgezählt und zurückgelassen wurden - das ist Euer Wahlkampf.” Was Joe Biden benötigt, sind reiche und vor allem sehr schnell zahlungswillige Großspender. Sonst könnten sie am Mittwoch wieder beginnen, die Spekulationen über sein politisches Ableben.
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