"Pferdegesichtige Lebsen"
Erwartungsgemäß zog Bloomberg, dem im Kern vorgeworfen wird, sich die Kandidatur “kaufen” zu wollen, die meisten Pfeile auf sich. Und viele saßen. Bloomberg, 78 Jahre alt wie sein politischer Antipode
Sanders, mit dem er auch die Eigenschaft teilt, zwei Stents gegen Herzbeschwerden zu besitzen, war zum letzten Mal als Bürgermeister New Yorks 2009 auf einer Debatten-Bühne. Er konnte den Eindruck des Eingerostetseins nicht wirklich zerstreuen.
Mal spröde und distanziert, mal sarkastisch spitz versuchte der 60-fache Milliardär die im Sekundentakt auf ihn niedergehenden Attacken zu parieren. Und sah dabei nicht immer vorteilhaft aus.
Gelang ihm noch die unter seiner Führung in New York geduldete Polizeistrategie des Schwarze und Latinos diskriminierenden "Stop and Frisk”-Verfahrens (Anhalten und Filzen) noch mit einer breiten Entschuldigung abzufedern (“ich bitte um Vergebung”), ging Bloomberg beim Thema Frauenfeindlichkeit fast unter.
Senatorin Elizabeth Warren, die in Umfragen fast abgeschlagen ist und mit dem Mut der Verzweiflung agitierte, hielt Bloomberg vor, Frauen “fette Tussis” und “pferdegesichtige Lesben” genannt zu haben. Bloomberg, noch schmallippiger als sonst in diesem Moment, dementierte nicht.
Ähnliche Angriffspunkte wie Trump
Dazu gebe es etliche Verfahren, die frauenfeindliches Verhalten am Arbeitsplatz des von Bloomberg gegründeten Finanzinformationsdienstleisters beträfen, sagte die Senatorin. Ihre Botschaft: Mit so einer Vita gegen Donald Trump anzutreten, sei zum Scheitern verurteilt.
Sie forderte im Verein mit allen anderen Kandidaten - Joe Biden, Bernie Sanders, Amy Klobuchar und Pete Buttigieg - Bloomberg auf, die betroffenen Frauen aus ihren Geheimhaltungsabkommen (Non-Disclosure Agreements/NDA) zu entlassen, damit Transparenz hergestellt werden könne.
Bloomberg machte hier eine schlechte Figur, eierte herum, zog sich auf Formalien zurück und klassierte sogar Buhrufe aus dem Publikum; ein gefundenes Fressen für Amtsinhaber Trump.
Ähnlich schwach fiel sein Konter auf den Vorhalt aus, er lege seine finanziellen Verhältnisse - ähnlich wie Trump - nicht wirklich offen. Warum sollten wir “einen arroganten Milliardär durch einen anderen ersetzen”, fragte Warren rhetorisch.
Bloomberg versucht sich mit dem Hinweis zu retten, dass er seinen Reichtum nicht geerbt, sondern als Geschäftsmann redlich verdient habe. “Nun gebe ich es aus, um Donald Trump loszuwerden, den schlimmsten Präsidenten, den wir jemals hatten.”
"Nicht souverän"
In seinen offensiven Momenten kanzelte Bloomberg vor allem Sanders ab. Mit dem selbsternannten Sozialisten als Kandidat sei garantiert, dass Trump eine zweite Amtszeit bekomme, sagte er. Man könne nicht 160 Millionen Amerikanern ihre Krankenversicherung nehmen zugunsten eines unfinanzierbaren Modells (medicare for all), sagte Bloomberg, und dann erwarten, dass die Wähler mitziehen.
Er selbst sei im Gegensatz zu allen anderen Bewerbern kampferprobt als Unternehmer und Bürgermeister, um Trump wirklich zu schlagen.
An dieser Selbsteinschätzung wurden unmittelbar nach Ende der Debatte erste Zweifel angemeldet. Bloomberg habe “nicht souverän und unverwundbar” gewirkt, sagten Beobachter der
New York Times. Für viele TV-Zuschauer, die ihn zum ersten Mal im direkten Kontakt mit der Konkurrenz erlebt haben, habe Bloomberg keine “bezwingende Darstellung” geboten.
Sanders gefühlter Sieger
Weil sich die übrigen Kandidatinnen fast ausnahmslos gegenseitig piesackten - vor allem Buttigieg, Biden und Klobuchar - ging für einige Analysten der Umfragen-Primus Bernie Sanders als gefühlter Sieger aus der Debatte hervor.
Alle Versuche, die programmatisch radikalen Vorschläge des Senators aus Vermont als falsch und strukturell nicht mehrheitsfähig zu deklarieren, ließ Sanders mit dem Verweis auf die Umfragen an sich abperlen. Sie weisen für ihn einen teilweise zweistelligen Vorsprung vor den Verfolgern aus.
Offen ist, wie sich die giftige Debatte in Las Vegas, vor allem die klar zur Schau gestellte Unversöhnlichkeit der Kandidaten, auf das Wählerverhalten in Nevada, South Carolina und danach am 3. März auf einen Schlag in 14 Bundesstaaten auswirken wird. Es ist der Eindruck entstanden, die zerstrittenen Demokraten zerlegten sich selbst. “What happens in Vegas, stays in Vegas”, diese Weisheit kann man nach diesem Abend getrost vergessen.
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