Auf der Suche nach einem Mitte-Links-Kandidaten, der die links-progressiven Extreme meidet, Versöhner-Qualitäten und zugleich Zukunftsperspektive hat, ist bei demokratischen Anhängern der Mitte die Lust auf unverbrauchte Gesichter (Pete Buttigieg, 38, Amy Klobuchar, 59) größer.
Biden wird als alter Hase wahrgenommen, der das Hakenschlagen verlernt zu haben scheint. „Er ist mein Held und ein feiner Kerl“, sagte ein 70-jähriger Landwirt in Iowa dem KURIER, „aber ich glaube, er hat es hinter sich.“
Dass seine Kampagne auf den Hund gekommen ist, hat sich Joe Biden selbst zuzuschreiben. Sein Wahlkampf gehört nach Ansicht vieler Demokraten und weiter Teile der US-Kommentatoren organisatorisch und inhaltlich zu den schwächsten. Der Zuschauerzuspruch hält sich in ernüchternd überschaubaren Grenzen.
Erzählung funktioniert nicht
Außerdem ist die von Kommt-schon-Leute-ich-war-schließlich-Obamas-Vize dominierte Erzählung, die der Arbeitersohn aus Scranton (Pennsylvania) rhetorisch nicht immer unfallfrei vom Stapel lässt, für viele unattraktiv.
Mag Biden im Vier-Augen-Gespräch auch noch so sehr empathisch sein – mit dem fünften Platz in New Hampshire (das entspricht 8,5 Prozent der Stimmen und null Delegiertenstimmen) bewegt sich der 77-Jährige in der „Todeszone“ der Vorwahlen.
Die Luft vor den nächsten Wahlterminen in Nevada (22. Februar) und South Carolina (29. Februar) wird immer dünner, die Nervosität wichtiger Geldgeber größer. „Joe Biden wird nun jeden Tag gegen das Urteil anreden müssen, dass er mit dem Rücken zur Wand steht“, sagte ein Analyst im TV-Sender MSNBC.
Und nun? Der Grandseigneur im demokratischen Bewerberfeld, der bereits in Washington als Senator amtierte, als der junge Shooting-Star Pete Buttigieg noch gar nicht geboren war, vermittelt den Eindruck, spätestens in South Carolina werde sich das Bild zu seinen Gunsten verändern.
In dem Bundesstaat, demografisch viel repräsentativer als die sehr weißen Bundesstaaten Iowa und New Hampshire, stellen Afroamerikaner den Löwenanteil demokratischer Wähler. Biden genießt dort hohes Ansehen, das aus der Zeit als Vize an der Seite von US-Präsident Barack Obama geliehen ist. Er meint, die Leute dort gingen mit ihm durch dick und dünn.
Um Fühlung aufzunehmen, suchte Biden mit seiner Frau Jill noch am Wahlabend in New Hampshire das Weite und flog nach Columbia (South Carolina), um dort die nächste Etappe der Vorwahlen zu eröffnen.
Allerdings könnte er auch hier die Rechnung ohne den Wirt gemacht haben. 2008 haben Afroamerikaner in South Carolina erst dann Barack Obama gewählt, als er das Gewinner-Image bereits weghatte. Nach zwei Bauchlandungen ist das Gegenteil bei Biden der Fall.
Die Auswirkungen sind bereits zu spüren. Seine Zustimmungswerte in der „Black Community“ sind seit Dezember von knapp 60 Prozent auf unter 30 Prozent zurückgegangen. Lässt ihn diese Wählerklientel am 29. Februar im Stich, weil die politisch ähnlich moderat tickenden Bewerber Buttigieg und Klobuchar bis dahin Sieger-Aura entwickeln, ginge Biden als „lahme Ente“ in den „Super Tuesday“.
An diesem 3. März stimmen Demokraten in 15 Bundesstaaten, Auslandsterritorien und in Übersee darüber ab, wer den Zuschlag für den Nominierungsparteitag im Juli in Milwaukee bekommen soll. Ohne einen nennenswerten Anteil der hier zu vergebenden 1.350 Delegiertenstimmen wäre Bidens Kandidatur am Ende.
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