Frankreich rüstet auf
"Europa braucht einen eigenen nuklearen Schutzschirm", forderte EVP-Fraktionsvorsitzender Manfred Weber kürzlich in der Welt: Deutschland und die EU müssten den strategischen Dialog über die Rolle der nuklearen Abschreckung Frankreichs für die gemeinsame Sicherheit, den Präsident Macron 2020 angeboten habe, "endlich annehmen".
Seit dem Brexit ist Frankreich die einzige Atommacht in der EU. Es verfügt über eine landgestützte Ausrüstung auf mehreren Militärbasen sowie nukleare Luft- und Seestreitkräfte, darunter vier atombetriebene U-Boote mit Raketenstartrampen, von denen zwei ständig auf hoher See einsatzbereit sind. Gerade hat Frankreich an der Atlantikküste erfolgreich eine modernisierte Variante seiner atomar bestückbaren Mittelstreckenrakete getestet. Laut dem Verteidigungsministerium wollte man "die operative Glaubwürdigkeit der Streitkräfte auf dem vom internationalen Umfeld geforderten Niveau aufrechterhalten." Nun laufe die Serienproduktion der Waffe an.
Tatsächlich formulierte es Macron in einer Rede 2020 sehr klar: Die "konventionellen" und nuklearen Kräfte der französischen Armee gingen Hand in Hand, auch wenn Zweitere rein dem Fall einer Bedrohung der "existenziellen Interessen" des Landes dienten und nur defensiv genutzt werden. Das Atomarsenal habe eine "authentische europäische Dimension", sagte Macron – er stehe zu einer "unerschütterlichen Solidarität" mit den europäischen Partnern für deren Sicherheit. Doch seitens Deutschlands blieb das Echo auf solche Vorschläge bis zuletzt schwach.
Dabei erklärte schon der ehemalige Präsident Charles de Gaulle, unter dem Frankreich zur Atommacht wurde, 1963, die Befehlsgewalt über die Nuklearstreitkräfte läge zwar allein beim französischen Staatschef, der Schutz sei aber nicht auf Frankreich und seine Bevölkerung beschränkt. Auch spätere Überlegungen einer geteilten nuklearen Abschreckung mit Deutschland während der 90er-Jahre "liefen stets ins Leere", sagt Ex-Marine-Admiral Jean-Louis Lozier. Zu groß sei das Misstrauen gegenüber der Anwendung atomarer Mittel und der Verdacht, Frankreich als "Grande Nation" wolle die USA ersetzen.
Austausch mit London
Ein Austausch bestehe vor allem mit der Atommacht Großbritannien: Der Brexit habe dem keinen Abbruch getan, sagt Jean-Louis Lozier. Bereits 1995 erklärten Jacques Chirac und John Mayor, damals französischer Präsident und britischer Premierminister, sie könnten sich keine Situation vorstellen, in der die "essenziellen Interessen des einen bedroht sind, ohne dass die essenziellen Interessen des anderen es nicht sind". Das Gesprächsangebot liege auf dem Tisch, sagt Lozier. "Aber für einen Dialog braucht es mindestens zwei."
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