"Bastarde!", "Wahnsinnige!": Lukaschenkos hybrider Krieg gegen die EU
12.000 bis 15.000 Euro für Flug, Visum und Transport an die polnische Grenze. Für Menschen, die den Irak verlassen wollen, ein verlockendes Angebot, das ihnen Berichten zufolge die weißrussische (belarussische) Botschaft in der nordirakischen Stadt Erbil macht. Sie sparen sich die zumindest gleich hohen Kosten für Schlepper, einen beschwerlichen Landweg – und viele gefährliche Grenzübertritte am Weg in Richtung Deutschland.
Dass die Menschen, die vor Krieg und Gewalt flüchten oder aber die Chance auf ein besseres Leben ergreifen möchten, dadurch zu Figuren eines zynischen Spiels werden, dürfte für sie nebensächlich sein. Tausende stehen an der polnisch-weißrussischen Grenze und rufen „Germany, Germany!“, einigen gelang in der Nacht auf Mittwoch der Durchbruch. Tausende Soldaten – sowohl auf polnischer als auch weißrussischer Seite – stehen einander gegenüber, berichten, dass die jeweils andere Seite Warnschüsse abfeuern würde.
Abgefeuert hat auch der weißrussische Diktator Alexander Lukaschenko: „Und ihr Bastarde, Wahnsinnige, wollt, dass ich euch vor Migranten beschütze“, ätzte er gegen die Europäische Union, warf ihr wegen der Sanktionen „hybriden Krieg“ vor.
Zur Definition des Ausdrucks: Auch wenn die Grenzen oft verwischt sind – die hybride Kriegsführung wird in Fachkreisen in vier Phasen unterteilt: Ein staatlicher oder nicht staatlicher Akteur schafft Voraussetzungen für Einfluss im Zielgebiet, übt diesen aus, destabilisiert das Zielgebiet, ehe er den Feind „niederringt“.
Uneinigkeit
Insofern ist der Begriff „hybrider Krieg“ rasch zur Hand – ausgerechnet Polen warf dies Brüssel noch im September wegen der Rechtsstreitigkeiten vor. Im Fall Lukaschenko bestehen aber keine Zweifel: Er holt die Flüchtlinge und Migranten ins Land und schickt sie an die polnische Grenze, um die EU zu destabilisieren – ein klarer Fall hybrider Kriegsführung.
Die noch dazu Erfolg hat: In Deutschland herrscht Uneinigkeit darüber, wie man sich angesichts der Tausenden Menschen im Grenzgebiet zu verhalten hat (mindestens sieben sind bereits gestorben). Einige Grüne pochen auf Asylrecht und offene Grenzen, SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil fordert Grenzschutz. Währenddessen bat die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU) den russischen Präsidenten Wladimir Putin, mäßigend auf Lukaschenko einzuwirken.
Österreichs Außenminister Michael Linhart reagierte entsetzt: „ Die Aussage von Lukaschenko ist völlig paradox. Einen Brand anzufachen und sich dann über die Bezeichnung Brandstifter zu empören ist absurd“, sagt er. „Menschen regelrecht zu importieren und an eine Grenze zu stellen ist gleichzeitig Menschenrechtsverletzung und Erpressung. Und da werden wir nicht mitspielen.“
In Brüssel wird bereits an weiteren Strafmaßnahmen gefeilt. Man will Fluggesellschaften, die Migranten nach Minsk fliegen, bestrafen. Die jüngste Sanktion: Für weißrussische Regierungsmitglieder wird es künftig aufwendiger und teurer, ein Visum für die EU zu bekommen. Gewöhnliche weißrussische Staatsbürger betrifft der Beschluss nicht.
Für Lukaschenko offenbar ein Grund zur Sorge: „Falls wir hier, was Gott behüte, auch nur den geringsten Fehler begehen, wird das sofort Russland mit hineinziehen – die größte Atommacht der Welt!“
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