Niederträchtige Wirklichkeit

Niederträchtige Wirklichkeit
Lukaschenko, Putin und ihr Krieg mit Flüchtlingen als "Waffe"
Andreas Schwarz

Andreas Schwarz

Politische Thriller-Autoren, die Solches erfänden, würden schnell brotlos – wegen unrealistischer Übertreibung des Plots. Der sieht in der Realität so aus:

Postkommunistischer Diktator am Ostrand Europas seit mehr als einem Vierteljahrhundert, hatte es trotz eiserner Faust zuletzt nötig, „Wahlen“ ein bisschen zu fälschen; die aufkeimende Opposition wird verfolgt, verhaftet, mitunter ermordet, zur Not auch im Exil; um eines Regimekritikers habhaft zu werden, lässt der Despot auch schon mal ein europäisches Linienflugzeug kapern und den Missliebigen von Bord weg verhaften; zaghafte Sanktionen der westlichen Welt beantwortet der Mann mit einer niederträchtigen Kriegserklärung: man werde Flüchtlinge aus Syrien und Afghanistan auf dem Weg nach Europa „nicht aufhalten“.

Seither mehren sich die Hinweise, dass er Flüchtlinge zu Tausenden ins Land holt und über die Grenzen in die EU schickt – jetzt gerade hängen zigtausende an der Grenze zu Polen fest: polnische Soldaten lassen sie nicht rein, weißrussische verwehren ihnen angeblich den Weg zurück ins Hinterland.

Und das alles könnte sich Alexander Lukaschenko nicht leisten ohne das feixende Wohlwollen des großen russischen Bruders. Die EU zu destabilisieren ist eine der Lieblingsbeschäftigungen des Wladimir Putin, ob über Cyber-Attacken, beeinflusste Wahlen, staatlich dirigierte Fake News – oder Flüchtlingsströme.

Und die EU? Sitzt wie das Kaninchen vor der Schlange (mit der 2015er-Flüchtlingserfahrung im Kopf), verschärft ein bisschen die Sanktionen gegen den weißrussischen Diktator und seine Getreuen, nur nicht zu sehr wehtun, schon gar nicht dem großen Zaren am Gashahn in Moskau. Von den Putin-Verstehern in- und außerhalb rechtsrechter Parteien, die sich über eine Destabilisierung der EU freuen, nicht zu reden.

Am Ende zahlt Europa dem Despoten in Minsk irgendwann vielleicht noch dafür, dass er Flüchtlinge nicht in den Westen transportiert. Übertrieben? Nicht in der Wirklichkeit.

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