"Schwarze Liste": Wien und London am Steuer-Pranger

"Manchmal ist ein Anzug nur ein Anzug - aber volles Haar bei einem 52-jährigen Mann ist immer eine Visitkarte." Vanity Fair würdigt das .
Frankreichs Budgetminister attackiert Wien. Kanzler Faymann: "Man braucht keine Ratschläge von außen".

Das Bankgeheimnis bestimmt das informelle Treffen der EU-Finanzminister in Irland. Wenn morgen, Samstag, auf Dublin Castle das heikle Thema behandelt wird, wird Finanzministerin Maria Fekter am besten eine Ritterrüstung brauchen.

Seit Tagen wird sie von EU-Partnern verbal attackiert – weil sie am Bankgeheimnis festhält. Besonders scharf sind die Angriffe aus Paris und London.

Frankreichs Budgetminister Bernard Cazeneuve findet Wiens Nicht-Kooperation im Kampf gegen Steuerhinterziehung „nicht normal“. Am Donnerstag drohte er, Österreich auf eine „Schwarze Liste“ jener Länder zu setzen, die nicht entschieden gegen Steuerhinterziehung vorgehen. Und da würde sich Österreich in Gesellschaft mit Botswana, Montserrat, Brunei, Guatemala und den Marshall-Inseln wiederfinden. Alles Länder, die Steuerparadiese sind.

Faymann zu Paris

"Schwarze Liste": Wien und London am Steuer-Pranger
APA5813152-2 - 08112011 - BRÜSSEL - BELGIEN: ZU APA-TEXT AI - (v. l. n. r. ) Die spanischen Finanzministerin Elena Salgado, Finanzministerin Maria Fekter, der britische Finanzminister George Osborne und der schwedische Finanzminister Anders Borg am Dienstag, 8. November 2011, im Gespräch im Rahmen eines zweitägigen Treffens des ECOFIN und der Eurogruppe in Brüssel. +++ WIR WEISEN AUSDRÜCKLICH DARAUF HIN, DASS EINE VERWENDUNG DES BILDES AUS MEDIEN- UND/ODER URHEBERRECHTLICHEN GRÜNDEN AUSSCHLIESSLICH IM ZUSAMMENHANG MIT DEM ANGEFÜHRTEN ZWECK ERFOLGEN DARF - VOLLSTÄNDIGE COPYRIGHTNENNUNG VERPFLICHTEND +++ APA-FOTO: photonews.at/Georges Schneider
Im Büro von Fekter will man die Botschaft aus Paris nicht ausführlich kommentieren. Nur so viel: „Der Bundeskanzler soll darauf reagieren. Der Bundeskanzler ist in der Verantwortung“, sagte Fekters Pressesprecher zum KURIER. Bundeskanzler Werner Faymann sagte zum KURIER, man brauche keine ungebeten Ratschläge von außen. Allerdings betonte er auch: „Wir werden eine Lösung für den Datenaustausch finden. Wir müssen an der Spitze der Bekämpfung der Steuerflucht stehen.“ In der SPÖ wird Fekters Kurs zunehmend kritischer gesehen. Dort heißt es, Fekter solle ihren Isolationskurs verlassen.

Frankreich erhofft sich von der Finanzministerin die Zustimmung zum automatischen Datenaustausch über Konten von EU-Bürgern in Österreich. „Am besten, die Finanzministerin äußert sich dazu in Dublin“, betonte ein hochrangiger französischer Beamter gegenüber dem KURIER. Das Verhältnis zwischen den Staats- und Regierungsspitzen von Österreich und Frankreich sei aber „intakt“. Noch vor dem Sommer plane Ministerpräsident Jean-Marc Ayrault einen Besuch in Wien.

Beim Treffen in Dublin, an dem auch Steuerkommissar Algirdas Šemeta teilnimmt, wird der Druck auf Österreich wachsen. Beim Mittagessen am Samstag werden die Minister der fünf größten Staaten (Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und Spanien) ihren Kollegen einen Vorschlag servieren, den automatischen Informationsaustausch zu Kapitaleinkünften über die bestehende Zinsrichtlinie hinaus zu erweitern .

Vorbild USA

Geht es nach ihrem Willen, soll es mit den geheimen Anlegerkonten auf ausländischen Banken aus sein. Das Vorbild sind die USA (Facta-Regime), die automatisch Namen, Anschrift, Kontostand und Kontobewegungen ausländischer Anleger an ihre Heimatbehörden melden. Der Plan soll im Rahmen der sogenannten verstärkten Zusammenarbeit realisiert werden. Dafür braucht es aber mindestens neun Staaten.

Großbritannien, das wegen seiner steuerschonenden Gesetze selbst in der EU regelmäßig am Pranger steht, gibt sich zu Vorwürfen aus Österreich zurückhaltend. Am Mittwoch hatte Fekter im KURIER-Interview britische Überseegebiete als „Paradiese für Steuerflüchtlinge“ bezeichnet. Die Regierung in London kommentierte Fekters Attacke wortkarg: Man bemühe sich um Anwendung internationaler Standards. Premier David Cameron sei „entschlossen, Steuerflucht auf internationaler Ebene anzugehen“. Und er plane eine „konkrete Debatte“.

Reichlich wenig, reichlich spät, so die Meinung britischer Kommentatoren, wie etwa im Guardian: „Für Großbritannien beginnt der Kampf gegen Steuerparadiese zuhause.“

„Vermögens-Management“, „Einlagensicherung“, „Steuerberatung“: Wer die britischen Kanalinseln Jersey oder Guernsey besucht, wird schon auf und rund um den Flughafen darauf aufmerksam gemacht, welche Kundschaft man hier nur allzu gerne empfängt. Etwa 900 Milliarden Euro, so aktuelle Schätzungen, sollen hier geparkt sein, immerhin die Hälfte von Großbritanniens jährlicher Wirtschaftsleistung. Dass diese Einlagen steuerschonend behandelt werden, dafür sorgte bisher ein ziemlich wasserdichtes Bankgeheimnis.

Doch unter dem Druck aus Brüssel will nun auch London dafür sorgen, dass man auf den Kanalinseln sowie dem ebenfalls britischen Gibraltar die neuen EU-Regelungen befolgt. Etwa Mitte des Jahres soll das Gesetz in Kraft treten. Das heißt: Die Konten ausländischer Kunden werden dann an die Steuerbehörden des jeweiligen Landes gemeldet.

Für österreichische Vermögen, die dort geparkt sind, gilt offiziell ohnehin ein Doppelbesteuerungsabkommen. Die Finanzämter stimmen sich also ab, welche Steuer wo gezahlt werden muss. Tatsächlich aber kann man mit Hilfe des britischen Unternehmensrechts sein Vermögen auch weiterhin ziemlich effektiv vor den heimischen Steuerbehörden verstecken. Die britischen Trust-Gesetze machen die unglaublichsten Konstruktionen für diese Vermögensverwaltungen möglich; vor allem aber, dass über die eigentlichen Geldgeber keine Auskunft gegeben werden muss. Die Treuhänder sind dazu nicht verpflichtet.

Tücke

Ausländische Steuerbehörden können dann zwar den Namen eines Trusts erfahren, doch nichts über die Vermögenden, die hinter den Treuhändern stehen. „Man kriegt also Daten, kann aber nichts damit anfangen“, beurteilt ein auf Finanzen spezialisierter EU-Diplomat in London gegenüber dem KURIER die Tücke an diesen Konstruktionen: „Das ist gewissermaßen wie das Bankgeheimnis anders rum.“ Tatsächlich ist nicht einmal bekannt, wie viele dieser Trusts auf den Kanalinseln existieren. „Keiner weiß das, vielleicht Zehntausende“ gibt ein Mitglied der zuständigen Finanzbehörde auf Jersey gegenüber der Zeitung The Guardian schmallippig Auskunft. Man würde aber darauf achten, dass keine Geldwäsche über diese Trusts betrieben würde. Die Praxis aber macht ein Mitglied der örtlichen Regierung deutlich, das lieber anonym bleiben möchte: „Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul – so sieht man hier die Finanzindustrie.“

Bankgeheimnis: Besagt, dass Banken niemandem (etwa den Finanzämtern) Einblick in Konten gewähren dürfen, außer es läuft ein Strafverfahren oder eine richterliche Anordnung. Die Regelung gilt für Steuerinländer, für im EU-Ausland steuerpflichtige Kunden ist der Zugriff seit 2009 möglich.

Anonymität: Wurde auf Druck der OECD 2002 aufgehoben. Inzwischen gibt es keine Konten mehr, deren Verfügungsberechtigte nicht bekannt wären.

Automatischer Informationsaustausch: Alle EU-Staaten außer Österreich und (noch) Luxemburg informieren die Heimat-Finanzämter über Einkünfte ihrer Bürger.

Amtshilfegesetz: Ab 2014 wird Österreich die Heimat-Finanzämter von EU-Bürgern, die nicht in Österreich steuerpflichtig sind, über Einkünfte automatisch informieren.

Quellensteuer: Bei EU-Bürgern werden 35 Prozent der Zinserträge einbehalten und nach Abzug von Gebühren an ihr Heimatland überwiesen, allerdings ohne Bekanntgabe der steuerpflichtigen Person.

Kapitalertragssteuer (KESt): Derzeit werden 25 Prozent der Zinserträge einbehalten.

Kommentare