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Während der Wahlkampf zwischen Norbert Hofer und Alexander Van der Bellen eingeschlafen ist, befindet sich der US-amerikanische auf der Zielgeraden - und das sogar mitten in Wien. Eine Reportage von einer "Hillary"-Party.

Auf der kleinen Bühne im Wiener Club Schwarzberg steht Keith Jacomine, groß, graue kurze Haare, schwarz-weiß kariertes Hemd und beide Hände in die Hosentaschen gesteckt. "Hallo", sagt er durchs Mikro und atmet tief durch. "Ich nehme an, dass ihr euch Essen erwartet habt. Es wird Essen geben, wie versprochen."

Der Mann auf der Bühne ist Obmann der Democrats Abroad in Österreich und verspricht in diesem Augenblick eine Lösung für das drängendste Problem an diesem Samstagabend in Wien. "Wir haben gedacht, die Küche ist offen", sagt der US-Amerikaner. Aber das sei kein Problem, man wird einfach 20 Pizzen bestellen. Denn Wahlkämpfen mit leerem Magen, das sei ein "absolutes No-Go".

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Wahl-Optimismus vs. Wahl-Lethargie

Während die Stichwahl zwischen Norbert Hofer und Alexander Van der Bellen in weite Ferne gerückt ist, befindet sich der US-amerikanische Wahlkampf auf der Zielgeraden - und das sogar mitten in Wien. Am Wochenende fanden sich rund 60 Auslandsamerikaner mit demokratischer Gesinnung im Club Schwarzberg ein, um sich auf die nächsten 30 Tage Wahlkampf einzustimmen. Österreichische Wahl-Lethargie trifft hier auf US-amerikanischen Wahl-Optimismus.

Democrats Abroad, so heißt die Organisation, die sich als direkter Arm der Demokraten versteht und die Demokraten im Ausland repräsentiert. Auch in Wien sammeln sie Spenden und kämpfen um jede Stimme für "ihre Hillary". "Es geht um alles", versucht sich Jacomine in der urigen Kellerbar als Einpeitscher. Die Auslandsamerikaner könnten diese Wahl entscheiden, sie könnten das Zünglein an der Waage sein, sagt er im Gleichklang mit seiner Vorgängerin und derzeitigen Obfrau der Democrats Abroad International, Katie Solon. Durch Spenden, die direkt an das Clinton-Kampagnenteam gehen und freilich mit ihren Stimmen, die man auch gleich beim Eingang abgeben kann. "Wer noch nicht abgestimmt hat, ihr könnt euch heute hier registrieren."

Seine Hände hat der Wiener Demokraten-Chef aus seinen Hosentaschen gezogen. Er ist bereit, die Show kann nun losgehen. "Ich werde die Pizzen bestellen. Viel Spaß!"

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Wenig Schmuck, viel amerikanischer Optimismus

Der Abend erinnert ein wenig an ein Treffen unter Freunden. Die meisten scheinen sich zu kennen, viele waren schon 2012 dabei, als man im Wiener Metropol Spenden für Barack Obamas Wahlkampf sammelte. Organisiert wurde die Veranstaltung damals wie heute von Joey Green, Musiker und engagierter Clinton-Anhänger, "seit Beginn ihrer Kandidatur", wie er sagt.

Backstage, ein kleiner Raum versteckt hinter einem schwarzen Vorhang, bereitet sich Green für die Show vor, bindet sich die silbergraue Krawatte und streift sich sein schwarzes Sakko über. Später wird er nämlich "jammen" und die Leute zum Spenden animieren. "Je mehr Geld du im Wahlkampf hast, umso erfolgreicher bist du", sagt der Entertainer, "aber um noch erfolgreicher zu werden, brauchst du immer mehr". Wenn zwischen 2.000 bis 3.000 Euro zusammenkommen, wäre er zufrieden. Diese wandern dann zu der Dachorganisation DPCA [Democratic Party Committee Abroad, Anm.].

"Er hatte keine Chance. Im Gegensatz zu Hillary. Niemand hat so viel Erfahrung wie sie. Sie wird gewinnen."

Wer sich mit Joey Green unterhält, merkt schnell dass es bei der US-Wahl weniger um Prinzipien als um Pragmatismus geht. "Ich liebe Bernie Sanders (demokratischer Rivale Clintons beim Vorwahlkampf, Anm.), aber er hätte nie gewonnen", sagt der Musiker, der im Jahr 2000 Ralph Nader unterstützt hat und sich seitdem die Frage stellt: "Wieso? Er hatte keine Chance. Im Gegensatz zu Hillary. Niemand hat so viel Erfahrung wie sie. Sie wird gewinnen."

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Die E-Mail-Affären rund um die Führungsriege der demokratischen Partei, die gegen die eigenen Statuten verstoßen hat, indem sie im Vorwahlkampf trotz der verpflichtenden Neutralität gegen Senator Sanders ankämpfte, lächelt Green weg.

"Meiner Hillary" wird er auf der Bühne ein Lied widmen. "New York State of Mind" von Billy Joel, auch weil Clinton lange Zeit Senatorin von New York war. Der klassisch pompöse Schmuck aus den USA wird allerdings fehlen. Weder begrüßt eine Hillary-Clinton-Pappmaché-Figur die Gäste noch zieren Wahlplakate oder obligatorische US-Fahnen die Wände. Hier setzt man ausschließlich auf puren Optimismus.

Ein Mantra für Clinton

Diesen strahlt auch Laura Rockwood aus. Die Anwältin trägt ein blaues Clinton-Shirt, "stronger together" steht darauf. Gegen eine Spende für die Demokratin bekommt man bei ihr T-Shirts, Papier-Esel oder Buttons wie "Madam President" oder "I voted" oder "Love. Trumps. Hate".

Apropos "Trumps", was hält sie von Clintons Rivalen Trump? "Er ist ein Schwein. Er macht mir Angst." Clinton dagegen sei "qualifiziert und erfahren". Das hört man an diesem Abend häufiger, ein Mantra, das sich vom Eingang über die Theke bis in das letzte Eck der Kellerbar, Greens Garderobe, durchzieht. Eine Art verbale Phalanx der Clinton-Unterstützer.

Umgeben von "qualifiziert und erfahren"-Sprechchören verstehe Rockwood auch nicht, wieso einige Menschen mit Hillary Clinton nichts anfangen könnten. "Viele sagen, sie müssten zwischen zwei Übeln wählen, aber auch wenn, ist die Wahl doch klar", sagt Rockwood. Für sie ist Clinton allerdings kein Übel, sie ist vorbereitet, erfahren - die Anwältin steht klar hinter "Hillary. Sie ist qualifiziert und erfahren, mehr als all die anderen vor ihr."

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Rechte Parteien in Europa

Neben Rockwood steht Kira Stepper, sie studiert Medizin in Deutschland. Ihre Mutter ist wie sie US-Amerikanerin, aufgewachsen ist Kira aber in Europa. Die junge Studentin ist erschüttert von den rechten Parteien in Deutschland. Die können sagen, was sie wollen - gewählt werden sie trotzdem. Sie zieht eine Parallele zu Trump. Ob sie glaubt, dass Hillary Clinton gewinnen wird? Sie hofft schon.

"Die Sterne stehen gerade schlecht", wirft Rockwood ein. Sie ist besorgt, dass derzeit so viele rechte Bewegungen im Aufschwung sind wie in den Dreißigerjahren.

Trotzdem bleiben beide positiv - denn während Clinton im Wiener Wiener Club Schwarzberg gefeiert wird, implodiert Trumps Kampagne wegen des Skandalvideos, das am Wochenende einige namhafte Republikaner dazu genötigt hat, ihre Unterstützung für den Multimillionär zurückzuziehen.

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"Wenn du nichts Gutes über einen Menschen sagen kannst, dann sage gar nichts."

"Würden Sie so einen Präsidenten wählen, der so über Frauen spricht?“, fragt Keith Jacomine, der sich in den ersten Stock gesetzt hat. Der Obmann der Democrats Abroad in Österreich ist entsetzt über den derzeitigen Umgangston in der Politik. "Wenn du nichts Gutes über einen Menschen sagen kannst, dann sage gar nichts", sagt er. So sei er im US-Bundesstaat Louisiana erzogen worden und so werde er es auch weiterhin machen.

Jacomine kennt man hier. Alle begrüßen ihn, geben ihm die Hand und smalltalken. Er freut sich, dass so viele gekommen sind, und blickt auf den Eingangsbereich, wo eine ältere Dame mit einem gelben Leuchtstift einige Namen auf der Gästeliste markiert. "Sehr gut", ruft sie Jacomine zu. Dieser nickt zufrieden und erklärt, dass es die US-Demokraten in Österreich seit 2003 gibt. Eine genaue Mitgliederzahl dürfe er nicht herausgegeben, konkrete Zahlen zu den Democrats Abroad würde es ohnehin nicht geben.

Zwei Zahlen hat er trotzdem im Talon: 600 Anrufe habe er bislang gemacht, um Mitglieder zu erinnern, sich zu registrieren und abzustimmen. Und: Sechs Millionen Auslandsamerikaner (89 Millionen US-Nichtwähler) würden nicht abstimmen. Sie könnten entscheidend sein, wiederholt Jacomine seine Worte von vorhin.

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Aber entscheidend wofür? Wäre es denn möglich, dass Trump trotz der Eskapaden schlussendlich doch noch triumphiert? "Alles kann passieren. Derzeit scheint es aber nicht sehr wahrscheinlich." Außer in Louisiana, dieser Bundesstaat wird an Trump gehen, bedauert der Obmann, der sich zwischenzeitlich bei der älteren Dame erkundigt, ob die Pizzen schon gekommen sind.

"Nein", sagt sie und zückt ihren gelben Leuchtstift.

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