Impfstoffstreit: Astra Zeneca könnte mehr liefern - aber nicht für über 65-Jährige
Mitten in den Streit zwischen der EU und dem Pharmahersteller Astra Zeneca platzte am Donnerstag eine heikle Nachricht: Der Impfstoff des britisch-schwedischen Unternehmens wird nur für 18- bis 64-Jährige empfohlen. So beurteilt es die Ständige Impfkommission in Deutschland. Begründung: Um beurteilen zu können, wie wirksam das Mittel bei über 65-Jährigen ist, lägen „keine ausreichenden Daten“ vor.
Für die gesamteuropäische Impfstrategie ist das mein weiterer Tiefschlag: Erst stößt Astra Zeneca die EU mit der Ankündigung vor den Kopf, man könne statt versprochener 80 Millionen Impfdosen im ersten Quartal nur 31 Millionen liefern. Und nun steht auch noch die Wirksamkeit des Impfstoffes ausgerechnet bei jener Altersgruppe in Zweifel, die ihn am dringendsten benötigen würde.
EMA entscheidet am Freitag
Die deutsche Impfkommission greift damit einer Entscheidung der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) vor. Die EMA dürfte am Freitag über die Zulassung des Astra-Zeneca-Impfstoffes in der EU befinden. Bereits am Dienstag hatte EMA-Chefin Emer Cook im EU-Parlament angedeutet: Möglich sei auch eine nur begrenzte Zulassung des Vakzins: Bei den Studien von Astra Zeneca, so Cook, „da gibt es nur sehr, sehr wenige ältere Menschen, die teilgenommen haben“.
Doch auch wenn die EMA heute anders entscheidet – die Empfehlung der deutschen Impfkommission hat für die ganze EU Signalwirkung.
Auch wenn die Astra-Zeneca-Dosen nun überwiegend an jüngere Bevölkerungsgruppen verimpft werden sollen, so gibt es vorerst noch lange nicht genug davon. Astra Zeneca verweist auf „Produktionsprobleme“. Ein erneutes Krisengespräch zwischen dem Firmenchef und der EU-Kommission brachte keine Klarheit, wo genau das Problem liegt.
Entsprechend skeptisch reagiert die Brüsseler Behörde. Ohne Samthandschuhe wird öffentlich gerangelt, und die Kommission beharrt kategorisch: „Wir fordern von Astra Zeneca einen klaren Plan, wie die Impfdosen schnell geliefert werden können.“ Notfalls müssten die für Großbritannien geplanten Lieferungen teilweise in die EU umgelenkt werden.
In Großbritannien schrillen deswegen bereits die Alarmglocken. Die EU plant ein Register, wo Impfstoffexporte genau registriert werden. Dabei handle es sich aber „nicht um ein Verbot für den Export von den in der EU hergestellten Corona-Impfstoffen in Drittstaaten“, versichert ein EU-Sprecher.
Im August, als noch längst nicht klar war, obes je einen Corona-Impfstoff geben würde, hat die EU-Kommission im Namen aller EU-Staaten mit Astra Zeneca einen Vertrag abgeschlossen. 400 Millionen Dosen wurden bestellt. Das Unternehmen erhielt 336 Mio. Euro für Forschung und Vorproduktion – am Tag der Zulassung sollten bereits zig Millionen Dosen bereit für die Lieferung sein.
So sieht es die Kommission – ganz anders sieht es das Unternehmen: Astra-Zeneca-Chef Pascal Soriot beruft sich auf eine „Beste-Absicht-Klausel“ im Vertrag. Demnach würde das Unternehmen wohl liefern, aber nur, wenn die Produktion reibungsfrei laufe. Und das sei eben derzeit wegen Problemen an einem Standort in Belgien nicht der Fall. Aussage steht gegen Aussage – wer recht hat, könnte schon heute ersichtlich sein: Kommission und Astra Zeneca wollen den Vertrag veröffentlichen.
Doch mehr Lieferungen
Auch hinter den Kulissen scheint sich im Impfstoffstreit einiges zu bewegen. „Der Druck auf das Unternehmen trägt erste Früchte“, berichtet Peter Liese, gesundheitspolitischer Sprecher der EVP-Fraktion im EU-Parlament. Er habe erfahren, dass Astra Zeneca im Februar doch mehr liefern will: Bereits in der ersten Woche nach Zulassung des Mittels sollen erste Lieferungen erfolgen. Und auch die Menge solle erheblich größer sein als zuletzt angekündigt, sagt Liese.
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