Geschäft mit Afrika: Europa entdeckt den Kontinent der Chancen
Einseitige Abhängigkeiten von Russland oder China sind gefährlich: Das ist die Lehre der EU aus Pandemie und Ukraine-Krieg. Jetzt ist Diversifizierung angesagt, was die Augen für den von der EU lange vernachlässigten afrikanischen Kontinent öffnete.
Mittlerweile hat eine rege Besuchsdiplomatie europäischer Politiker nicht nur in Nordafrika, sondern auch in den Subsahara-Ländern begonnen. Es ist ein Wettlauf um Geschäftsbeziehungen. Die Reise von Bundeskanzler Karl Nehammer diese Woche nach Angola, Ghana und Ägypten ist eine Folge davon.
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Chinas Macht
Das ist auch für Afrika gut, sind doch große Teile des Kontinents viel zu stark auf China angewiesen. Die kapitalistische Diktatur geht strategisch und rücksichtslos vor, ist mittlerweile Besitzer von Infrastruktur wie Häfen und hat die Hand auf vielen Bodenschätzen. Auch betrachtet es Afrika als Abnehmer für Billigstware und als Aufmarschgebiet für die eigenen Arbeitsbrigaden. Chinesische Firmen nehmen nicht nur die eigenen Arbeiter, sondern oft sogar die eigenen Köche für die Versorgung ihrer Leute auf den Baustellen mit.
Vieles ist in Afrika mittlerweile chinesisch angeschrieben. Die Weltbank warnt vor diesen Abhängigkeiten seit vielen Jahren. Doch die meisten afrikanischen Länder haben niedrige Produktivität und hohe Verschuldung, die Inflation ist gerade wieder (auch durch den Ukraine-Krieg) enorm. Sie brauchen Investoren, da bot sich China an.
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Österreichs Know-how
Untätig waren europäische Unternehmen aber nicht. In der Alpenrepublik wird unterschätzt, wie viele österreichische Firmen mit Weltruf längst in Afrika tätig sind, etwa die Voest, Andritz, Alpla oder die auf die Errichtung von Gesundheitseinrichtungen spezialisierte Vamed. Sie hat seit 1985 bereits 100 Spitäler auf dem afrikanischen Kontinent errichtet. „Billiger als die Chinesen zu sein ist nicht unsere Kernkompetenz“, sagt Afrika-Direktor Thomas Hinterleitner. „Wir sind nachhaltig und gescheit. Bei uns steht der Workflow im Vordergrund und nicht das Gebäude. Daher können wir kleinere Einheiten bauen.“ In Afrika sei es aber wichtig, „vor Ort zu sein“. Daher begrüßt Hinterleitner auch die neue österreichische Besuchsdiplomatie: „Das wird extrem wertgeschätzt, wenn ein Staatschef selbst kommt. Das wird Brücken bauen.“
Apropos Brücken: Waagner-Biro hat in den vergangenen Jahrzehnten 60 Stahlbrücken allein in Angola errichtet. Die Voest wiederum sieht das große Schienengeschäft, denn der öffentliche Verkehr muss dringend ausgebaut werden. Noch ist der Kontinent quasi „Autoland“, man steckt überall im Stau.
Bevölkerungsexplosion
Riesige unbewältigte Themen sind Bildung, Bürgerkriege wie der aktuelle im Sudan, Kampf gegen Terror (bei dem manche Regionen sogar auf die brutalen russischen Wagner-Söldner setzen) sowie die Lebensmittelversorgung des weiter explosiv wachsenden Kontinents. Bis 2050 wird sich die afrikanische Bevölkerung auf 2,5 Milliarden verdoppelt haben. Die meisten Länder sind auf Importe angewiesen, weil die Landwirtschaft zu wenig industrialisiert ist. Fast immer herrscht kleinbäuerliche Struktur. Das muss sich ändern: eine Chance für österreichische Agrartechnik-Betriebe.
Solidarität, Sicherheit, Frieden, Wohlstand und so weiter: Als die EU-Staaten im Vorjahr die 55 Mitgliedsländer der Afrikanischen Union zu sich nach Brüssel einluden, lagen wieder einmal jede Menge großer Pläne auf den Konferenztischen. 150 Milliarden Euro etwa wurden an Investitionen bis zum Jahr 2030 versprochen. Das Geld soll vor allem in Ausbau der Infrastruktur, von Straßen bis hin zur Internet-Versorgung und in Zukunftstechnologien fließen. Dazu kommt die grüne Energiewende. In Afrika soll der Strom der Zukunft aus erneuerbaren Quellen kommen.
Bei der Energiewende spielt Afrika schon jetzt eine entscheidende Rolle – allerdings vor allem als Lieferant von Rohstoffen für die boomende Elektromobilität der westlichen Welt. Ohne Bauxit aus Guinea, Mangan aus Gabun oder Kobalt aus dem Kongo wäre die rasant wachsende Nachfrage nach diesen Rohstoffen, die in den Batterien von Elektroautos verbaut sind, nicht zu decken. Rohstofflieferant: Das ist Afrika bis heute auch vorrangig für die EU-Staaten. Die EU ist Afrikas größter Handelspartner. 2021 etwa machten Fertigprodukte 68 Prozent der Warenausfuhren der EU nach Afrika aus. In der Gegenrichtung sieht es umgekehrt aus. 65 Prozent der Exporte Afrikas in die EU sind Rohstoffe.
Ausländische Direktinvestitionen aus Europa fließen vor allem in die Rohstoffproduktion, also alles von Minen bis zu Agrarprodukten. In den vergangenen zehn Jahren waren die meisten afrikanischen Exporte in die EU eher Rohstoffe und Energie als Produkte, die Arbeitsplätze schaffen würden, die Afrikas junge Bevölkerung braucht.
Es scheint also noch ein langer Weg, bis die Pläne aus Brüssel wirklich in der afrikanischen Realität ankommen, wie der Brüsseler Thinktank ECFR analysiert: „Der wichtigste Test für diese Partnerschaft wird, ob die EU auch ihre Versprechen einlöst.“
Missernten vorbeugen
Darauf setzt der Steirer Gottfried Pessl, dessen auf Wetterstationen und Software spezialisierter Betrieb ein Hidden Champion ist. Er will 100.000 Wetterstationen im Franchise-System auf dem ganzen Kontinent errichten. Für die Produktion gründet er gerade ein Werk in Südafrika. „Man braucht Partner, die gut im Land etabliert und keine Abenteurer sind“, erzählt er dem KURIER. Die handlichen Geräte messen Temperatur, Luft- und Bodenfeuchtigkeit, werden um 300 Euro pro Jahr vermietet, sind digital mit der Steiermark verbunden und schaffen kleine Jobs vor Ort, weil sie serviciert werden müssen. „Gute Wetter-Apps wie bei uns gibt es in Afrika nicht“, sagt Pessl. Die Geräte können Missernten und damit Hungersnöte vermeiden helfen.
Sprich: Die Probleme des Kontinents sind groß – die Chancen aber auch.
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