Abu Dhabi baut sich an Ägyptens Mittelmeerzugang eine Luxusstadt
Die historische Investition der VAE hilft Ägypten doppelt: Der arabische Verbündete stärkt damit Kairos Position gegenüber dem Internationalen Währungsfonds.
Nilkreuzfahrten, Tauchurlaub, Pyramidenbesichtigung und Kamelreiten – 14,9 Millionen Touristen, darunter über 200.000 österreichische, erholen sich jährlich in Ägypten, während Regierungskritiker im Gefängnis landen und die Mehrheit der Ägypter aufgrund horrender Lebensmittelpreise hungert. Die Armut seiner Bevölkerung hält Präsident Abdel Fatah El-Sisi jedoch nicht davon ab, mit pompösen Großprojekten seiner autoritären Herrschaft Glanz zu verleihen.
In der Wüste lässt er eine neue Hauptstadt bauen, mit dem größten Wolkenkratzer Afrikas und einer "Internationalen Olympische Stadt" (2036 will Ägypten die Olympischen Spiele ausrichten); in Kairo ließ er im Maspero-Dreieck Armenviertel plattmachen und stattdessen Luxushotels und Einkaufszentren errichten.
170 Millionen Quadratmeter Luxus
Nun soll ein weiteres, glanzvolles Projekt entstehen, in dem wohl auch bald österreichische Touristen urlauben werden: In Ras El-Hekma an der Mittelmeerküste soll auf 170 Millionen Quadratmetern ein hochmodernes Stadt-, Geschäfts- und Tourismuszentrum gebaut werden – inklusive Jacht- und Flughafen. Acht Millionen zusätzliche Urlauber soll es pro Jahr anlocken.
Geldgeber des Projekts: die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), einer der wichtigsten Verbündeten Kairos. In den kommenden zwei Monaten sollen 35 Milliarden US-Dollar (32,3 Mrd. Euro) nach Ägypten fließen. Es ist die größte ausländische Direktinvestition der Geschichte.
35 Milliarden Dollar – fast so viel wie das gesamte Vermögen des reichsten Österreichers, Red-Bull-Erbe Mark Mateschitz –, sind eine willkommene Geldspritze für das hoch verschuldete Land. Auf 165 Milliarden US-Dollar wird die Auslandsverschuldung geschätzt, die Schuldenquote liegt bei über 90 Prozent des BIP. Abu Dhabi gehört zu den engsten Verbündeten Ägyptens und ist der größte arabische Investor im Land (der drittgrößte weltweit).
Langfristig soll das Projekt Investitionen in Höhe von insgesamt 150 Milliarden US-Dollar anziehen. Ägypten soll offiziellen Angaben zufolge 35 Prozent der Einnahmen bekommen. Die Geldspritze dürfte zudem Kairos Standing bei ausländischen Investoren stärken, Wechselkurs und Zinssätze steigen lassen und zu einer Verlangsamung der Inflation führen.
Dass die Investition etwas mit den seit Monaten andauernden Verhandlungen Ägyptens mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) zu tun hat, wird abgestritten. Doch Fakt ist, dass die emiratische Mega-Investition Kairos Position gegenüber dem IWF enorm stärkt.
Ägyptens Auslandsschulden haben sich unter der zehnjährigen Präsidentschaft von Präsident El-Sisi auf 165 Milliarden US-Dollar vervierfacht. Der Schuldendienst verschlingt den Großteil der jährlichen Staatsausgaben: 2024 muss Ägypten der Zentralbank zufolge 34,8 Milliarden US-Dollar an Auslandsschulden bedienen. Nach Argentinien ist Ägypten der zweitgrößte Schuldner des IWF.
Neben der seit Jahren bestehenden Wirtschaftskrise setzen auch der Krieg im benachbarten Gaza, die Houthi-Angriffe im Suez-Kanal auf Handelsschiffe sowie Kriegsflüchtlinge aus dem Sudan und Somalia Ägypten unter Druck.
12 Milliarden vom IWF
Dieser hatte zuletzt Teile eines weiteren Milliardenkredits zurückgehalten und von Ägypten umfassende demokratische Reformen gefordert. Berichten zufolge könnte El-Sisi das Darlehen demnächst bekommen – und zwar in einer Höhe von zwölf statt wie bisher vereinbart drei Milliarden Dollar.
Kritiker verurteilten den Verkauf des Landes an einem der wertvollsten Küstenstandorte Ägyptens. Nicht nur, weil damit lokalen Unternehmen eine Investitionsmöglichkeit genommen worden sei – Bewohner der Region fürchten ähnliche Zwangsräumungen wie bei anderen Großprojekten El-Sisis. Offiziell sollen die Menschen für die Umsiedelung eine finanzielle Entschädigung erhalten.
Die Touristen dürften so oder so wenig davon merken.
Kommentare