Uschi Lichtenegger: "Wir haben Tegethoff befreit"
Nach einer Wahlwiederholung 2016 wurde die Grüne Uschi Lichtenegger etwas überraschend Bezirksvorsteherin in der Leopoldstadt. Dass sie auch jetzt noch häufig darauf angesprochen wird, kränke sie aber überhaupt nicht, sagt sie im KURIER-Talk.
KURIER Talk mit Uschi Lichtenegger
KURIER: Frau Lichtenegger es gibt drei grüne Bezirkschefs in Wien. Die befinden sich in Währing (Silva Nossek), Neubau (Markus Reiter) und in der Leopoldstadt. Sie sind seit 2016 im Amt der Bezirksvorstehung im zweiten Bezirk. Wie geht es Ihnen – mit Blick auf die kommende Wahl am 11. Oktober?
Uschi Lichtenegger: Danke, mir geht es sehr gut. Es ist fast aufregend. Es ist die erste richtige Wahl als Bezirksvorsteherin anzutreten, weil 2016 habe ich ja um den zweiten Platz gekämpft. Das ist jetzt schon etwas Neues und ich muss den Bürgerinnen und Bürgern, das anders zu erklären. Es ist nicht so einfach. Wir hatten weniger Zeit. Es waren keine fünf Jahre, sondern nicht einmal vier Jahre. Wir haben frischen Wind in die Leopoldstadt gebracht und ich freue mich auf den 11. Oktober.
Der 11. Oktober rück immer näher. Ihr Bezirk bekommt mehr Aufmerksamkeit, denn es könnte spannend werden. Der Bezirk könnte sich von Grün wieder zurück auf Rot färben. Im Jahr 2015, bei der letzten Wahl, gab es Ungereimtheiten bei der Stimmenauszählung. Die FPÖ hatte die Wahl angefochten und Recht bekommen. Es kam zum ersten Mal – zu einer Wahlwiederholung einer Bezirksvertretungswahl. Was ist genau passiert?
Wir haben einen Wahlkampf geführt, wo wir klar kommuniziert haben, dass wir vor der FPÖ sein wollen. Wir wussten, dass es eng wird. Wir hatten auch bei der ersten Wahl nur wenige Stimmen mehr als die FPÖ. Daher haben sie auch diesen Einspruch erhoben. Zumindest die Grünen sind dem Aufruf zur Wahl zu gehen gefolgt - und es gab eine sehr geringe Wahlbeteiligung. Um die 30 Prozent sind zur Wahl gegangen, und davon habe ich 35 Prozent gemacht. Das war sehr aufregend. Wir haben Wordings vorbereiten, auch für die Medien vor Ort, aber auf das war ich nicht vorbereitet. Umso größer war die Freude und die Feier. Es war großartig.
Der damalige und mittlerweile verstorbene rote Bezirksvorsteher Charly Hora sagte in einem Interview, dass viele gar nicht wussten, dass sie auch die SPÖ wählen hätten können. Die Wahlbeteiligung war gering (26,7 Prozen). Viele nennen sie daher "die plötzliche, die unvorhergesehene Bezirksvorsteherin". Kränkt sie das?
Nein, das kränkt mich überhaupt nicht. Ich kannte den Bezirk. Es gab rund 8.000 Wähler und ich war schon lange in der Bezirkspolitik. Ich war Klubobfrau bei den Grünen Leopoldstadt, ich war dann schon stellvertretende Bezirksvorsteherin und ich war bei sehr vielen Initiativen aktiv. Ich kenne den Bezirk und das hat mir sehr geholfen beim Umsetzten der Projekte. Wir wussten schon ganz genau, was wir wollten und das haben wir dann begonnen.
Ein berühmtes Projekt sind die Pop-up Radwege im zweiten Bezirk. Die waren nicht immer beliebt. Es wurden einmal dort Reißnägel verteilt, Autofahrer kritisierten das Wegfallen der Fahrbahnspur. Das war gar nicht so einfach für Sie. Wie ist das für Sie angekommen?
Es ist gut angekommen. Es war eine Initiative der Stadträtin Birgit Hebein. Es gab in anderen Städte schon Pop-up Radwege und es wurde in Wien geprüft, wo diese möglich sind. Wir hatten Corona und sehr viele sind als Nützer der öffentlichen Verkehrsmittel auf das Fahrrad umgestiegen. Wir hatten die Situation in der Praterstraße, dass dieser schmale Radweg zu eng war. Auch vor der Corona-Krise. Es gibt viele Botendienste, Lastenfahrräder mit Anhänger und das geht sich nicht mehr aus. Jetzt mit Corona waren 66 Prozent mehr Fahrräder unterwegs als im Vorjahr. Es gab Handlungsbedarf. Ich habe das unterstützt.
Nach anfänglichen Schwierigkeiten – man muss jetzt mehr aufpassen, wenn man einparkt, in die Ladezonen fährt oder in eine Garage – aber ich glaube, die Menschen haben sich gut daran gewöhnt. Mir sind keine Unfälle bekannt. Es wird gut angenommen.
Ein weiteres Projekt, das mit der Vize-Bürgermeisterin Birgit Hebein präsentiert wurde, ist die Praterstraße als „Boulevard“. Viele Bäume, mehr Platz für die Fahrradfahrer – so wie man es von den Grünen kennt. Kritik kommt von den anderen Parteien: Der Bürgermeister sagte, es ist ein „Irrsinnsprojekt“, die FPÖ sagte von „Autohassern geplant“. Ist das schwierig? Denn wenn sie bei der kommenden Wahl, nicht die Macht behalten, dann wird es schwierig das durchzusetzen?
Die Praterstraße ist auch ein Projekt der Bürgerinnen und Bürger. Wir haben einen Prozess der Beteiligung gehabt, im Jahr 2017. Dieser wurde auch von der SPÖ mitgetragen. Bei beiden Veranstaltungen war der damalige Wohnbaustadtrat und jetziger Bürgermeister Michael Ludwig dabei.
Er hat den Prozess begleitet und bei der Abschlussveranstaltung präsentiert. Das gesamte Paket wurde damals von den Bürgern und Unternehmern erarbeitet. Es gab auch Workshops, die Gebietsbetreuung, die diesen Prozess durchgeführt hat, hat Anregungen auf der Parterstraße gesammelt und per Email.
All das war ein gutes Paket, dass wir dann dem Planungsteam, dass durch einen Wettbewerb ausgewählt wurde, übergeben haben.
Egal welche Maßnahme ich mir jetzt aus dem Plan ansehe, der ist aus der Bürgerbeteiligung und das finde ich so schön an dem Projekt. Dass man gemeinsam einen Plan hatte und die Vision kann umgesetzt werden.
Jetzt ist es aber nur ein Plan oder gibt es schon ein Budget?
Leider noch nicht. Ich würde gerne berichten, dass es eine Finanzierungszusage mit Unterstützung der Stadt gibt. Ich bin wirklich zuversichtlich. Wir müssen die Praterstraße sanieren. Das war der Ausgangspunkt. die Straße ist kaputt, die Gehsteige sind kaputt. Wir müssen nach 40 Jahren Geld in die Hand nehmen und es sanieren. Es ist legitim und ein Auftrag, sich anzuschauen, was kann man im Zuge des Klimawandels verbessern – wie eben eine dritte Baumreihe in der Mitte um für spätere Generationen die Praterstraße weiter abzukühlen. Da ist viel eingeflossen, was für die Zukunft wichtig ist.
Der Praterstern ist auch ein wichtiges Thema für sie, wo sie Projekte haben, aber noch keine Daten fixieren können. Da gab es zum Beispiel das Alkoholverbot, das von der SPÖ eingeführt wurde, da waren sie aber dagegen. Jetzt wollen sie den Praterstern umgestalten, was ist ihnen besonders wichtig?
Praterstern von Anfang an ein wichtiges Projekt: Wir haben die Perspektive Praterstern 2017 gegründet. Da haben alle mitgemacht – die ÖBB, die Wiener Linien, auch die umliegenden Kulturschaffenden, die Geschäftsleute. Wir haben Workshops gemacht, auch die Polizei dabei. Wir haben gemerkt, der Praterstern ist per se sicher. Es ist ein Umsteigeknotenpunkt mit mehreren hunderten Personen. Aber es ist nicht unsicher. Wir brauchen ein besseres Image des Platzes.
Es gab Performances von der Angewandten am Praterstern. Wir haben zum Planen begonnen, wir bekamen einen Pratersternkoordinator, der uns großartig unterstützt hat. Jetzt kommen die Pläne in die Endphase. Das Gestänge rundherum ist schon weg. Man kann sagen, der Praterstern ist schon viel freier. Wir haben den Tegethoff befreit. Es ist heller geworden.
Man denkt sich, es ist nur so ein kleines Stahlgerüst. Für das Bewusstsein ist der Praterstern schon viel freier geworden und ich hoffe, dass wir auch hier bald die Pläne präsentieren können.Es wird einen Grünwald geben, 45 neue Bäume, es wird Wasser geben, ein Marktplatz in der Mitte, viele Sitzgelegenheiten. Schatten. Wir wollen es umdrehen, dort wo der Baum mit Schatten ist, soll man nicht hineingehen. Dort wo Schatten ist, sollen die Menschen hineingehen.
Sie machen viel in dieser kurzen Zeit: Sie haben zum Beispiel 1000 Fahrradständer aufgestellt. Woran liegt es, dass man wenig über sie hört. Sind sie eine ruhigere Bezirksvorsteherin?
Ich glaube das nicht, dass ich ruhiger bin. Die Msnchen im Bezirk bekommen mit, was wir tun. Die Bezirkszeitung, Social Media sind wichtige Partner. Die Menschen im zweiten wissen Bescheid. Die Medien sind auf nicht so stimmige Projekte aus, wir arbeiten aber im Konsens mit der Bevölkerung. Da gibt es weniger Streitigkeiten, das interessiert die Medien dann auch weniger.
Sie haben sogar ein Grätzel-Blatt ins Leben gerufen und kennen sich daher eigentlich gut aus. Wie schaut es aus mit dem Donaukanal, ein wichtiges Thema für die Wiener.
Wichtiges Thema, aber ich kann leider nichts dazu verraten: Das war eine Herausforderung heuer. Die vielen Menschen, die Infrastruktur war nicht hier, die wir teilweise nicht aufstellen können, weil große Lastfahrautos der MA48 nicht hinunterfahren können. ‚Es wurden viele kleine (Mistkübel) aufgestellt, Die Umweltstadträtin Ulli Sima hat die WC-Anlagen aufstellen lassen. Es sind viele Dinge passiert, aber es war immer nicht ausreichend. Ich hoffe in Vorbereitung auf das nächste Jahr, vielleicht das eine oder andere gemeinsam, lösen können.
Was uns im KURIER-Stadtstudio interessiert: Was ist ihr Ziel für die Wien-Wahl?
Ich will es nicht in Prozentzahlen festmachen. Ich möchte Bezirksvorsteherin bleiben. Wir haben viele Projekte fertig und viele begonnen und die will ich gerne weiterführen. Es gibt zum Beispiel die „coole Straße plus“ in der Kleinen Sperlgasse. Da ist das Sperlgymnaisum, das hat einen Zubau bekommen und das ist ein idealer Standort im Karmeliterviertel, dort auch Bäume zu setzen. Wir brauchen Förderprogramm von der Stadt für diese Begrünungsmaßnahmen, daher bin ich eine Verfechterin von Rot-Grün und ich bin zuversichtilich, dass es sich ausgehen wird.
Sie sind zuversichtlich, dass sie Bezirksvorsteherin bleiben!
Ja, auf jeden Fall!
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