Wo Vietnam ganz anders ist - und fast frei von Touristen
In das zentrale Hochland Vietnams verirren sich noch immer wenige Touristen, weshalb man hier vor allem selber zur Sehenswürdigkeit wird. Fährt man über das Hinterland (statt wie fast alle Touristen entlang der Küste), sind es knapp siebenhundert Kilometer von Nha Trang bis Hoi An. Das wären rund sieben europäische Motorradstunden, multipliziert mit vietnamesischem Verkehr, Staubstraßen und nur 125 Kubikzentimetern unter dem Hintern (die aber oft als 250 ccm angeschrieben sind), braucht man schlussendlich etwa zwanzig.
Teilt man das auf vier Tage, bleibt dennoch genug Zeit zum Stehenbleiben. Rast ist immer möglich, man passiert ständig lokale Beisl. Dort stehen mindestens vier kniehohe Plastikhocker um einen Gartentisch und man bekommt mindestens ein hartes Ei und kalten Tee. Jede zehnte dieser Buden bietet echtes Essen.
Wie schmecken Frosch und Rochen?
Es ist immer billig, oft ausgezeichnet und gelegentlich ein Abenteuer. Frosch schmeckt wie zartes Huhn und wird gebraten auch vom Bein genagt. Gekochte Schweine-Schwänze erinnern weniger an vertrautes Essen, richtig Mutige probieren den Rochen am riesigen Fischmarkt kurz nach Nha Trang: Sie rochen schlimmer als ein blöder Wortwitz, die Sonne schien mit 37 Grad auf sie. Vietnam ist auch das Land der durchbrochenen Kühlketten.
Man bleibt aber auf der Tour durch das Central Highland nicht nur zum Essen stehen. Sondern je nach dem Programm der Agentur, bei der man bucht, auch bei Lehmziegelfabriken, Waisenhäusern, auf Gemüseplantagen (dieser Teil des Landes ist der Gemüseladen der Region) und in hektargroßen Wäldern, in denen jedem Baum Gummi abgesaugt wird. Dazwischen hält man spontan inne, weil Aufregendes geschieht: Etwa wenn Hunderte Bewohner eines kleinen Dorfes kurz vor Kon Tum im Schlamm des kleinen Sees, der gerade austrocknet, nach Fischen graben. Oder im kleinen Walddorf kurz nach Tac Glei. Der Fluss in diesem Dorf kommt aus den Bergen, klares Wasser. Den Platz um diesen Fluss haben sich die Bewohner zum Sammelplatz gemacht: Die Babys planschen, die Mütter waschen, die Kinder springen von der wackeligen Hängebrücke. Die Halbstarken fangen eine Taube und grillen sie dann über dem Lagerfeuer.
Viel Gegend
Natürlich ist die Fahrt etwas gefährlich, ab und zu überholen Schwerlaster auf einer nur gedachten Mittelspur. Aber außerhalb der bewohnten Gebiete fährt man in den zwanzig Stunden durch viel Gegend und da bleibt Zeit zum Schauen: in die weite Ebene bis Kambodscha und Laos. Auf Bergkämme und beachtliche Reisfelder. Auf erdbraune Flüsse, aus denen graue Felsen stechen und an flachen Stellen grüne Gräser. Auf den geernteten Reis, der zum Trocknen links und rechts der Straße aufgelegt wird, wie goldene Gehsteige. Hier kommt man auf bis zu vier Reisernten pro Jahr.
Die eigentliche Sehenswürdigkeit ist aber die Strecke. Hier verlief im Vietnamkrieg der Ho Chi Minh Trail, er diente dem kommunistischen Norden als geheimer Versorgungspfad für die Viet Cong, die Untergrundkämpfer im Süden. Die Menschen und die Natur traf es daher besonders hart, hier fielen viele der berühmten Brandbomben. Wenn man heute beim Vorbeifahren in ältere Gesichter blickt, erkennt man teilweise noch eine ängstliche Erinnerung, weil man sie an die weißen Langnasen der Amerikaner erinnert.
Für andere, besonders für die Kinder, ist man einfach nur ein viel zu großes fremdes Wesen. Viele fragen lächelnd nach einem Selfie. Dieses Ausgestellt-Sein ergibt eine wunderbare Gleichberechtigung, man schaut ja als Tourist auch ständig Leute an. Die Mädchen auf den Mopeds, die ihr Gesicht vermummen, weil in Vietnam Blässe als schön gilt. Und die Bauern, die alles auf einem Zweirad transportieren: Schweine in Körben, Ziegen in Taschen, zusammengebundene Esel. Sie beladen ihre Gefährte meterhoch mit Plastikmüll, balancieren Früchte. Oder sitzen – Mutter, Tante, Kinder – zu viert drauf.
Man sollte in Vietnam einmal von der Küste weg. Es ist ein anderes Vietnam.
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