Platter versucht nach Labor-Affäre den Befreiungsschlag
Dass Tirols Landeshauptmann Günther Platter seine Regierung über kurz oder lang umbaut und wer dann gehen muss, war für Insider kein großes Geheimnis. Der Zeitpunkt und die Art und Weise, wie dies am Dienstag ablief, waren dann dennoch überraschend.
Die Vermutung lag nahe, dass der Coup vor allem der sich zuspitzenden Affäre rund um ein PCR-Labor geschuldet war, das möglicherweise ohne fachliche Voraussetzungen 220.000 Corona-Tests für das Land analysiert hat.
Politischer Knalleffekt
Das habe „mit diesen Vorgängen überhaupt nichts zu tun“, versicherte Platter am Mittwoch in der Innsbrucker Orangerie bei der Präsentation jener Landesräte, welche die Lücke nach den Rücktritten von VP-Gesundheitslandesrat Bernhard Tilg und VP-Wirtschaftslandesrätin Patrizia Zoller-Frischauf füllen sollen.
War die Umbildung Ablenkungsmanöver oder nicht? Dazu gibt es innerhalb der ÖVP zwei Erzählungen. Beide Geschichten beginnen damit, dass der Regierungsumbau für diese Woche, die Rücktritte in der Parteiregie aber für Donnerstag vorgesehen waren. Dann gehen die Versionen auseinander.
Laut der einen war Zoller-Frischauf mit einer via Privat-Mail ausgesandten „persönlichen Erklärung“ vorgeprescht. Tilg musste rasch nachziehen. In der anderen Version wurde die Wirtschaftslandesrätin zu dem überraschenden Schritt angeleitet, um eben doch die Labor-Affäre ein wenig in den Schatten zu stellen.
Ankündigung für Wiederkandidatur
Keine 24 Stunden nach den Rücktritten waren die vakanten Posten bereits neu besetzt und vom VP-Landesparteivorstand abgesegnet. „Die Beschlüsse sind alle einstimmig über die Bühne gegangen“, betonte Platter. Und machte gleich ein paar kräftige Ansagen, um zu zeigen, wer der Herr im VP-Haus ist.
„Ich werde im Jahr 2023 wieder antreten“, verkündete der Parteichef, der jemandem, der auf seine Nachfolge spitzen soll, mit der rasch vollzogenen Regierungsumbildung den Weg in die Landesräte-Mannschaft verbaut hat: dem Wirtschaftskammer-Präsidenten Christoph Walser.
Der wurde Dienstagnacht vor vollendete Tatsachen gestellt. Der neue Wirtschaftslandesrat, Langzeitbürgermeister und Landtagsvizepräsident Anton Mattle (58), legte dann noch nach. Und erklärte, dass er die neue Aufgabe „auf Langzeit“ anlege. Der Anruf des Landeshauptmanns habe ihn „überrascht“.
Die Gespräche mit Quereinsteigerin Annette Leja, Managerin eines Privatsanatoriums, sollen hingegen bereits seit Februar gelaufen sein. Sie folgt Tilg nach.
Politische Verantwortung
Der Causa PCR-Labor versuchte Platter sich mit der Ankündigung, dass die Zusammenarbeit „ab sofort“ beendet wird, zu entledigen. Fragen, wer denn die politische Verantwortung zu tragen habe, sollten sich die Vorwürfe bestätigen, wich der Landeshauptmann aus, indem er auf eine Prüfung durch die innere Revision verwies.
Dass sich die Tiroler Opposition damit zufriedengibt, ist nicht zu erwarten. Der seit 2008 amtierende Landeschef signalisierte aber jedenfalls relativ klar, dass er selbst nicht so schnell an Rückzug denkt.
Seit Ausbruch der Corona-Krise im Februar des Vorjahres ist die Landesregierung immer wieder in Erklärungsnot geraten. Das fing bei den Fehleinschätzungen zum Ansteckungsrisiko in Ischgl an, zog sich zur Quarantäne über die Region, die in einem Ausreisechaos endete, bis zum Auftreten von neuen Corona-Varianten und letztlich einer Fluchtmutation hin.
„Es kann ja eigentlich nicht besser laufen“, meinte Platter zu der nun vollzogenen Regierungsumbildung. Das sehen wohl nicht alle so. Der Rückzug der zwei Urgesteine, die schon lange vor Corona als Wackelkandidaten galten, wird jedenfalls von den Debatten rund um die PCR-Testungen überschattet. Und als Regierungschef steht Platter letztlich in der Endverantwortung.
Nach all den Pannen der vergangenen Monate versucht er mit den Neubesetzungen offenkundig einen Befreiungsschlag. Intern machte er Nägel mit Köpfen, um seinen Laden zusammenzuhalten. Eine weitere Umbildung schloss der 66-Jährige ebenso aus, wie ein vorzeitiges Aus für seine schwarz-grüne Koalition: „Diese Regierung wird halten.“
Politische Taktik
Wer innerhalb der Tiroler ÖVP am Thron Platters rütteln will, wird um eine Palastrevolte nicht herumkommen. Das interne Machtspiel zählt zu den größten Stärken des Landeschefs.
Dort, wo der Wirtschaftsbund mit Begehrlichkeiten nach dem Rücktritt der Wirtschaftslandesrätin für Wirbel sorgen hätte können, wurde der Nachfolger erst in letzter Minute gefragt und umgehend präsentiert. Die Quereinsteigerin konnte ebenfalls sofort aus dem Hut gezaubert werden.
Sie war zumindest im Wording schon in ihrer neuen Funktion angekommen. Auf die Frage zu möglichen Fehlern in der bisherigen Pandemiebekämpfung meinte Leja, dass sich alles etwas anders zeige, „wenn man das Buch von hinten liest“.
Kommentare