Terror und Corona dürfen nicht zu Lockdown der Seele führen

Der Terroranschlag am Montagabend wird uns noch lange und in vielen Details beschäftigen. Zunächst stehen die Klärung des Verbrechens, die Suche nach Mittätern im Vordergrund. Von allem, was man bisher weiß, hat die Polizei in dieser Nacht einen hervorragenden Job gemacht. Ein Täter wurde innerhalb von nur neun Minuten "ausgeschaltet", wodurch eine viel größere Katastrophe verhindert wurde. Und auch der Umgang mit den Menschen, die sich in Todesangst befanden, wird von vielen als vorbildlich geschrieben.
Doch zu klären sind viele weitere Fragen: Wie konnte sich ein junger Österreicher mit nordmazedonischen Wurzeln derart radikalisieren, dass er schon in jungen Jahren wegen eines Terrorverbrechens verurteilt wurde?
Warum halfen auch die Deradikalisierungsschulungen nicht? Warum wurde er vorzeitig aus der Haft entlassen? Warum wurde der offensichtlich potenziell gefährliche Mann vom BVT nicht als hochgefährlich erkannt, oder ist diese Aufgabe gar nicht lösbar? Wie kam er zu derart gefährlichen Waffen? Sind solche Anschläge generell zu verhindern?
Und wie geht es der Generation der heute 10- bis 40-jährigen Menschen? Diese Generation hat bis vor Kurzem nur Frieden und relativ hohen Wohlstand gekannt. Innerhalb von sechs Monaten muss sie die verheerenden Auswirkungen von Corona erkennen und dass auch unser Land keine Insel der Seligen ist. Ein Land, in dem der Volkszorn bisher vor allem wegen Verkehrsbehinderungen bei einer Demonstration hochgekocht ist.
Es ist eigentlich unfassbar, dass die Politik an nur einem Abend die Bevölkerung gleich zweimal zum Zuhause bleiben auffordern musste. Für viele Menschen wird die multiple Belastung aus Angst vor Terror oder Krankheit, vor Verlust von Job und Wohlstand zu viel. Dennoch haben wir keine andere Wahl: Denn der Lockdown in unseren Häusern - sei es wegen Corona oder Terror - darf nicht zum Lockdown in unseren Herzen und Seelen werden.
Wir brauchen etwas, an dem wir uns wieder aufrichten können. Dieses Ziel sollten nun alle in unserer Gesellschaft in den Vordergrund stellen, die Politik, die Kirche, die Medien und jeder einzelne von uns. Und dann rückt das Land angesichts dieser Situation hoffentlich wieder ein gutes Stück zusammen.

Die wichtigsten Aspekte im Überblick
- Die sechs Tatorte der Anschlagsnacht (mehr dazu)
- Chronologie jener Nacht, die ganz Wien in Atem hält (mehr dazu)
- Reaktionen aus der Politik: Kurz verurteilt "widerwärtigen Terroranschlag", VdB "tief betroffen" (mehr dazu)
- "Opendoors" - Wien zeigte sich solidarisch: Zuflucht angeboten (mehr dazu)
- Macron zu Anschlag in Wien: "Werden nicht nachgeben" (mehr dazu)
- Augenzeugenberichte: "Täter hat mitten in die Leute im Schanigarten geschossen" (mehr dazu)
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