Schluss mit der Fopperei

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Es verfestigt sich der Eindruck, dass sich die Regierung mit Informationshäppchen gerade von Auftritt zu Auftritt hantelt.
Christian Böhmer

Christian Böhmer

Am Freitag die große Kanzler-Rede, am Montag das letzte ORF-Sommergespräch, tags darauf noch die „Erklärung“ des Gesundheitsministers: Wer sich in den vergangenen Tagen auch nur ansatzweise dafür interessiert hat, was die beiden zentralen Regierungsmitglieder in der Pandemie, also Sebastian Kurz und Rudolf Anschober, zur Bewältigung der Krise zu sagen haben, dem boten sich mannigfaltige Gelegenheiten – zumindest, was die Anzahl der Auftritte angeht.

Bei den Inhalten ist das Bild eher durchwachsen, verfestigt sich doch der Eindruck, dass es die Bundesregierung mit der „Message Control“ gerade übertreibt.

Oder kann man es tatsächlich akzeptieren, wenn die Bevölkerung ausgerechnet bei einer der für sie drängendsten Fragen, nämlich bei der nach neuen Verschärfungen und Einschränkungen, über Tage hinweg hingehalten, ja gefoppt wird?

Schon Montagabend gab der Kanzler im Sommergespräch ganz offen zu, dass es diese Woche nicht nur zu rhetorischen „Appellen“, sondern zu Verschärfungen kommen könnte. Details wollte er – noch – keine nennen.

Tags darauf trat Anschober auf. Doch anstatt Kurz’ Hinweis aufzugreifen und die erwartbaren Fragen im Anschluss an seine Erklärung zu beantworten, vertröstete der Minister die Zuhörer sinngemäß so: „Ich weiß zwar, was Sie wissen wollen, aber alleine kann und darf ich’s nicht verkünden – also fragen Sie bitte morgen beim Ministerrat wieder.“

Nun ist es aus der Regierungslogik heraus verständlich, dass ein Minister die innerkoalitionäre Harmonie stets im Blick hat. Im vorliegenden Fall verfestigt sich aber der Eindruck, dass Türkis-Grün längst zu vieles der Dramaturgie unterordnet und sich mit Informationshäppchen von Auftritt zu Auftritt zu Auftritt hanteln will. Man könnte auch sagen: Die Aufmerksamkeit wird künstlich hochgehalten.

Das ist umso ärgerlicher, als es gerade jetzt geboten wäre, umfassend Klartext zu reden. Drei Tage vor Inkrafttreten der Corona-Ampel und fünf Tage, bevor die Schulen wieder öffnen, rätseln Betroffene bis hinauf zu den Landeshauptleuten, wie genau die Regeln für den Herbst aussehen. Ganz zu schweigen von all den Sport- und Kulturtreibenden, die bis heute nicht wissen, ob weiter gilt, worauf sie seit Wochen hinarbeiten, nämlich: dass ab 1. September auch Großveranstaltungen wieder möglich sind, sofern man entsprechende Sicherheitskonzepte vorlegt.

Bundeskanzler Sebastian Kurz hat absolut recht, wenn er sagt, der Herbst und der Winter werden eine „Bewährungsprobe“.

Angesichts der jüngsten Ereignisse möchte man ihm zurufen: Das gilt nicht nur für die Bevölkerung. Das gilt auch für die Kommunikation der Bundesregierung.

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