Saisonstart in der Pandemie: Spielfreude und Unruhe bei den Bühnen
Auf den Hammer folgt nicht der Tanz, sondern die Oper und das Theater. Seit gestern sind in Österreich große Veranstaltungen erlaubt – mit Maximalbesucherzahlen, die angesichts der Pandemie weltweit einzigartig sind: bis zu 5.000 bei Indoor-Aufführungen, 10.000 im Freien (beides aber eingeschränkt durch Abstandsregelungen etc.).
Dementsprechend rüsten sich die Staats- und Volksoper, Burgtheater und viele weitere Bühnen und Konzertsäle fürs Aufsperren. Doch auf das Aufatmen, das dieses Aufsperren bei Künstlern und Intendanten begleitet, folgt vielerorts ein Luftanhalten.
Denn wie die kommenden Wochen und Monate ablaufen und bewältigt werden sollen, darüber herrscht im Detail auch in den Häusern selbst vorerst immer noch Ratlosigkeit.
In der Branche sorgt man sich, dass die für’s Publikum offenen Tore wieder ein Stück weit zugehen könnten, wenn sich die Coronalage verändert. Nicht grundlos: Man wolle großen Veranstaltungen eine „Chance geben“, sagt der Gesundheitsminister (siehe oben), müsse aber notfalls eingreifen.
Der Kanzler stellt bereits Verschärfungsmaßnahmen in Aussicht. Welche? Das ist auch für Kulturveranstalter nur beim Pressekonferenz-Schauen herauszufinden.
Gerüchteweise ist von künftig 400 Maximalbesuchern die Rede – wenn die Corona-Ampel auf „Gelb“ springt. Wie dann bereits verkaufte Abo-Tickets wieder eingezogen werden können, was das für die Finanzierbarkeit eines Spielbetriebs oder auch die Bereitschaft des Publikums heißt, Veranstaltungen zu besuchen: Das ist unmittelbar vor dem Wiederaufsperren ungeklärt. Das Theater an der Wien verkauft vorerst keine Karten für die Zeit nach dem 1. Jänner.
Der Spielwille nach den monatelangen Schließungen aber ist enorm: Die Volksoper hat bereits geöffnet, am Montag folgt die erste Premiere des neuen Staatsoperndirektors Bogdan Roščić. Bis zu 1.200 Besucher können dank eines flexiblen Buchungssystems ins Haus am Ring kommen (statt sonst mit Stehplätzen über 2.000). Es gibt Maskenpflicht – außer am Pausenbuffet und am Sitzplatz – sowie die Bitte, nicht „Bravo“ zu rufen.
Die Kultur geht mit Schwung und zusammengebissenen Zähnen in die Spielzeit. Die Salzburger Festspiele haben zwar vorgemacht, dass Kultur und Corona vereinbar sein können – jedoch unter viel flexibleren Bedingungen, als etwa die repertoiregetriebenen Bundeskulturtanker realisieren können.
Und so sehr es sich auch sonst lohnt, den Blick über die Grenzen hinaus zu richten – diesfalls führt das nicht zu einer Perspektiven-Erweiterung, sondern -Verengung. Anderswo ist (fast) alles zu.
In den USA haben die großen Häuser, der Broadway, die Kinos zu – Klassiksaisonen sind teilweise bis in den kommenden Frühling hinein abgesagt. In Deutschland startet zwar dieser Tage auch eine Saison – aber unter weit schärferen Bedingungen als in Österreich. Das Schauspielhaus Hamburg als größte Sprechbühne Deutschlands hat eigentlich gut 1.200 Plätze – jetzt sind es erstmal nur 330. Die Bayerische Staatsoper darf 500 von etwa 2.100 Plätzen besetzen.
Strukturschaden
Gerade in der (auch zuvor schon im Umbruch befindlichen) Klassikbranche hat das alles bereits strukturelle Folgen. So sperrte am Wochenende eine der wichtigsten Klassik-Künstleragenturen (Columbia Artists) zu – nicht nur, aber auch wegen der Krise. Und wer würde jetzt eine neue aufmachen wollen?
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