Erweiterte Öffnungszeiten: Soll der Handel länger offen halten?

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Rewe-Vorstand Haraszti stieß mit seiner Forderung bisher auf wenig Gegenliebe. Aber braucht es längere Öffnungszeiten im Handel überhaupt?
Robert Kleedorfer

Robert Kleedorfer

Anna Perazzolo

Rewe-Vorstand Marcel Haraszti stieß mit seiner Forderung nach erweiterten Öffnungszeiten in den Supermärkten bisher auf wenig Gegenliebe. Hintergrund: Statt bisher maximal 72 Stunden die Woche, wünscht sich der Konzernchef eine Verlängerung auf 80 Stunden. Der KURIER berichtete bereits ausführlich darüber.

Die Gewerkschaft (GPA) erteilte dem Vorstoß eine klare Absage. Und auch Mitbewerber im Handel sind davon wenig begeistert. Auch in der KURIER-Redaktion wurde diskutiert.

Pro

Selbstverständlich. In kaum einem anderen marktwirtschaftlich orientierten Land sind die Öffnungszeiten von Geschäften so rigoros geregelt wie in Österreich. Hierzulande wird ohnehin lieber von Ladenschlusszeiten gesprochen, was den Zugang zu dem Thema bestens beschreibt. Händler und Konsumenten sind seit vielen Jahren in ihren Freiheiten eingeschränkt.

Selbst wenn nur der Eigentümer in seinem Laden stehen und Waren verkaufen würde, wäre dies verboten. Am skurrilsten ist es wohl, wenn am Sonntag in Supermärkten Warengruppen hinter Gittern versperrt werden, da sie nicht als Reiseproviant zählen und an dem Tag nicht verkauft werden dürfen. Wer also Toilettenpapier oder gewisse Tiefkühlwaren benötigt, hat Pech gehabt oder  muss sich zu einer Tankstelle begeben.

Abseits vom zusätzlichen Zeitaufwand muss dort auch oft mehr bezahlt werden. Nicht einmal die Zustellung von Lebensmitteln an Sonntagen ist erlaubt und auch Selbstbedienungsboxen ohne einen einzigen Mitarbeiter dürfen nur 76 Stunden in der Woche offen haben. Vom Verfassungsgerichtshof ist diese Absurdität gedeckt.

Es ist höchste Zeit, Österreich in diesem Punkt auf europäisches Niveau zu heben. Im Idealfall sollte rund um die Uhr geöffnet sein dürfen, selbstverständlich mit entsprechend hohen Zuschlägen für die Arbeitnehmer. Anzunehmen ist, dass sich dann dafür Mitarbeiter finden würden. Dass damit das traute Familienleben ein Ende findet, ist nicht zu befürchten; es funktioniert ja auch in anderen Ländern und Branchen.

Robert Kleedorfer, Ressortleiter Wirtschaft

Contra

Wer schon einmal in der Gastro gejobbt hat, der weiß: Nach 22 Uhr steht man sich unter der Woche die Beine in den Bauch. Auch – oder zum Teil sogar ganz besonders – in Wien. Warum also sollte das bei den Supermärkten anders sein? Wie groß kann die Nachfrage nach einem Wocheneinkauf nach 20 Uhr sein, wenn die Österreicherinnen und Österreicher doch nicht gerade als Nachtschwärmer bekannt sind? Im Gegensatz zum mediterranen Tagesrhythmus, wo das Abendessen um 22 Uhr erst beginnt.

Abgesehen davon muss sich der Handel die längeren Öffnungszeiten auch erst einmal leisten können. Allein die Zuschläge kommen – zurecht – teuer zu stehen. Aber wer zahlt dafür? Am Ende vielleicht der Konsument? Viel eher als kleine Einzelhändler können sich das aber große Konzerne leisten.

Im Handel ist es zudem ohnehin schwer genug, Personal zu finden. Zuschläge gleichen für viele die Arbeitszeiten bis in die Nacht nicht aus. Stichwort Work-Life-Balance, die für Arbeitnehmer immer wichtiger wird. Und ganz ehrlich: Warum sollte die eigene Work-Life-Balance, die es einem erlaubt, bis 23 Uhr eine Packung Nudeln zu kaufen, auf Kosten der Freizeit eines anderen gehen?  

Leichter wird die Personalsuche durch Nachtstunden  bestimmt nicht. Wer am Sonntag an der Kassa sitzt, ist also der, der es am dringendsten benötigt und es sich nicht leisten kann, über die eigene Work-Life-Balance nachzudenken. Alle anderen sind um 22 Uhr längst zu Hause. 

Anna Perazzolo, Chronik-Redakteurin

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