Im Wahlkampf 2017 konnten intensive Politbeobachter das Thema nicht mehr hören. Kein Interview, keine Diskussion mit ÖVP- oder FPÖ-Politikern, bei dem nicht das Flüchtlingsthema dominierte. Die Wahl hat es dennoch entschieden und in eine türkis-blaue Regierung geführt. Zwei Jahre später, bei der nächsten Wahlkampfrunde, wurde es vom Klima verdrängt. Latent ist es aber noch immer vorhanden. Weil der Flüchtlingsstrom nach Europa, nach Österreich die 10er-Jahre geprägt und die Gesellschaft letztlich verändert hat. Die entscheidende Rolle hat der Massenansturm im Jahr 2015 gespielt.
Zu kämpfen hatte das Innenministerium mit der Unterbringung von Flüchtlingen auch die Jahre davor. Doch da war es eher ein Problem von Ostösterreich. Im Fokus stand das Asylzentrum in Traiskirchen. Von der Bevölkerung wird es immer noch als Flüchtlingslager bezeichnet, die Politik hat es mittlerweile mehrmals umgetauft. Dort kämpfte man ständig mit einer Überbelegung, die aber von der damaligen SPÖ-ÖVP-Regierung gekonnt verdrängt wurde.
Geändert hat sich alles im Jahr 2015. Die Unterbringung von Asylsuchenden in den Gemeinden wurde immer schwieriger, die Situation in Traiskirchen war mittlerweile untragbar, die Regierung installierte deswegen im August einen Flüchtlingskoordinator.
Wenige Tage später wurden im Burgenland bei Parndorf in einem Lkw 71 Leichen entdeckt. Flüchtlinge, die Schlepper ersticken haben lassen. Der Prozess gegen die Täter ist erst heuer in Ungarn zu Ende gegangen. Und im September dann der Massenansturm. Die Kanzlerin Angela Merkel und Kanzler Werner Faymann einigten sich, die in Ungarn gestrandeten Flüchtlinge in Österreich durchzuwinken und nach Deutschland zu bringen. Ganze Züge waren voll mit Asylsuchenden, die meisten davon aus Syrien und Afghanistan. Manche Gruppen wanderten die Autobahnen entlang. Fast täglich wurden damals zwischen 3.000 und 5.000 Flüchtlinge durch Österreich geschleust. Ein Teil davon blieb hier.
Die erste Reaktion war eine Welle der Hilfsbereitschaft. Am Westbahnhof brachten Helfer Lebensmittel und Kleidung, teilweise gleich in Einkaufswägen. In Traiskirchen wurden Kleidungsstücke über die Mauern geworfen. Das alles nahm Ausmaße an, dass Hilfsorganisation wie die Caritas bremsen mussten. Demos und Konzerte zur Unterstützung der Flüchtlinge wurden organisiert. Auf der anderen Seite wuchs die Sorge, dass alles außer Kontrolle gerät, dass Österreich nun überrannt wird. Die täglichen Fernsehbilder vom Andrang an den Grenzposten in Nickelsdorf und Spielfeld verstärkten diese Eindrücke. Sie ließen die Sorge in weiten Teilen der Bevölkerung in Zorn umschlagen.
Danach war alles anders: Die Flüchtlingspolitik wurde um vieles restriktiver, Grenzkontrollen wurden wieder eingeführt, die Debatten – auf allen Ebenen – um einiges aggressiver geführt, das Misstrauen gegenüber dem Islam wuchs. Die Kluft zwischen Hilfsbereitschaft und Ablehnung wurde fast unüberwindbar breit. Auch weil die Integration dieser Menschen noch nicht zufriedenstellend gelungen ist.
Die Erinnerungen an 2015 sind in der Bevölkerung auch heute noch immer wach. Nicht zuletzt wegen der Bilder von überfüllten Flüchtlingslagern in Griechenland.
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