Österreich schwitzt

Die Woche im Rückblick
Michael Hufnagl

Michael Hufnagl

Vermutlich dürfen wir dann am Sonntag lesen: „Der große Achsel-Report“

von Michael Hufnagl

über das schwitzende Österreich

Gerade erst erlebten wir den feuchtesten und trübsten Mai seit mindestens hundert Millionen Jahren, und schon folgt der heißeste Juni aller Zeiten. „Wetter total verrückt“, verkündete Österreich, das Zentralorgan für Extremwertaufgaben. Und legte nach: „Wir sind Europas Hitze-Spitze!“ Da blieb Heute, erster Konkurrent im Boulevard-Backofen, mit „Coole Hitze“ und „Turbo-Sommer“ vergleichsweise unterkühlt.

So oder so hat in einer Zeit derartiger Rekorde (38,6 Grad in Waidhofen/Ybbs!) der flächendeckende Tipp-Journalismus Konjunktur. Aber auch in dieser Disziplin brillierte Österreich nachhaltiger als alle anderen und bot mehr als jene üblichen Hinweise (kühle Orte aufsuchen, viel trinken, Rollos herunterlassen), die ein Massensterben im Land verhindern. Zum Beispiel „Rosskastanien-Extrakt gegen geschwollene Beine“ oder „nicht rauchen“.

Und um zu beweisen, wie ernst die Situation auch in Anbetracht nahender Unwetter ist, gab es auf Österreich.at sogar den Liveticker zur Schlagzeile „Österreich schwitzt“. Vermutlich dürfen wir dann am Sonntag in aller Ausführlichkeit lesen: „Der große Achsel-Report“ und „Prominente Schweißfüße im Interview.“

Hundert Tage

Wer mag sich da schon den Hitzkopf über die aktuelle Politik zerbrechen? Genau hundert Tage vor der Nationalratswahl ist ohnedies jede Wortmeldung und jeder Streit nur mehr im Licht der alle fünf Jahre stattfindenden Disziplin „Bauchlage vor dem Volk“ zu betrachten.

Daher sei an dieser Stelle nicht näher ausgeführt, ...

... dass sich Österreichs Golan-Abzug zum Ärgernis der UNO am Rande der Rechtswidrigkeit ereignet hat;

... dass SPÖ und ÖVP von einem Schlagabtausch (Vermögenssteuern) zum anderen (Mindestsicherung) taumeln, aber gemeinsam ein Milliardenzuckerl zur Familienförderung in Aussicht stellen;

... dass gleichzeitig die Alpine Bau mit fast 5000 Beschäftigten als größter Pleitefall der zweiten Republik Realität wird;

... dass die Ministerinnen Karl und Mikl-Leitner anlässlich einer gelungenen Polizei-Aktion gegen eine Geldfälscher-Organisation mit allerlei Blüten posieren;

Sicher nicht

... dass die heftigsten Diskussionen zum Ausbau der direkten Demokratie darüber geführt werden, welche Abstimmungen auf jeden Fall ein Tabu bleiben müssen (Steuern? Beamten-Dienstrecht?);

... dass der GÖD-Gewerkschafter Korecky dem Kanzler ausrichten lässt, ein neues Lehrerdienstrecht würde es vor der Wahl sicher nicht geben (Faymann möge stattdessen „eine Denkpause einlegen“);

... dass der grüne Bundesrat Dönmez alle 5000 Menschen, die für Erdogan demonstrieren „mit einem One-Way-Ticket heimschicken“ will und das später als „überspitzt formuliert“ bezeichnet;

... dass Frank Stronach die Idee, ein Mandat zum Nationalrat in der TV-Castingshow „The Candidat“ (sic!) zu vergeben, ernst gemeint hat.

Es ist im Übrigen auch keine Sinnestäuschung, dass Toni Polster neuer Trainer von Admira ist, Biko Botowamungu eine CD besingt und Felix Baumgartner vielleicht im nächsten Schlümpfe-Film mitspielt.

Ab Montag soll es dann aber deutlich kühler werden.

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