Gefangen in der Endlosschleife

Martina Salomon
Von Corona bis Ibiza: Beides wird (und muss) uns weiter beschäftigen. Dabei sehnt man sich nach einem Herbst mit "echter Politik".
Martina Salomon

Martina Salomon

Eigentlich wäre der bereits über uns hereingebrochene Herbst die richtige Zeit für politische Weichenstellungen. Konkrete Hinweise darauf gibt es trotz der großen Kommunikationsoffensive der vergangenen Tage von Kanzler Kurz nicht. Zum Beispiel: Wie schaffen wir wirtschaftlichen Strukturwandel trotz der vielen Corona-Unterstützungsmaßnahmen? Welche Rolle will Österreich in der EU spielen? Wie können Sozialsysteme zielsicher sein und nicht die Leistungsbereitschaft schwächt? Gibt es im Pensionssystem, in der Integrationspolitik oder anderswo Reformbedarf?

Egal, Corona hat die Politik (und uns) im Griff. Die Regierung gab dazu am Mittwoch "Empfehlungen" ab: also nicht mehr als 25 Leute bei privaten Feiern, mehr "Wachsamkeit" in der Schnupfensaison, Abstandhalten, wieder mehr trauriger "Maskenball" (und sicher keine "echten" Bälle im Winter, aber das sagt noch niemand). Machen wir uns nichts vor, die kommenden Monate werden noch grauer als sonst und der Alltag – in Schulen, in Büros, in der Freizeit – mühsam. Sebastian Kurz wird nach der Alarmstimmung im Frühjahr dennoch nicht müde, "Licht am Ende des Tunnels" zu beschwören. Immerhin korreliert Gott sei Dank die Zahl der positiv Getesteten nicht wirklich mit der Zahl der ernsthaft Erkrankten, und 2021 sollen endlich Impfstoffe kommen.

Und dann gibt es noch die nach wie vor nicht aufgearbeitete Affäre Ibiza. Der KURIER kennt jetzt die gesamten sieben Stunden. Eine Klärung, was die damalige FPÖ unter Heinz-Christian Strache wirklich vorhatte und was nur Angeberei war, ist notwendig. Schließlich ist ja nicht auszuschließen, dass Strache weiterhin eine politische Rolle spielen wird, zumindest im Wiener Gemeinderat.

Das Video gibt Einblicke in seine Gedankenwelt, einiges davon ist keineswegs Fiktion. Was er 2017, kurz vor der Nationalratswahl, als besondere Machtpositionen in der Regierung sah – Innen-, Infrastruktur, Außen-, Finanzministerium – wurde später in der türkis-blauen Koalition Realität, aber mit Einschränkungen: Das "blaue" Außenministerium wurde leichtgewichtiger, weil ohne die Europa-Agenden. Im Finanzressort reichte es nur zu einem Staatssekretär. Der Besitz der Kronen Zeitung wird von Strache als machtpolitische Schlüsselfrage betrachtet. Interessant, wie wichtig ihm dieses Thema war. Rechtlich relevant ist wahrscheinlich kaum etwas im Video, politisch hingegen einiges. Es gibt keinen Grund, dem Ausschuss das gesamte Video vorzuenthalten, schon um allfälligen Verschwörungstheorien den Boden zu entziehen. Justiz und U-Ausschuss sind gefordert, die Affäre in jeder Hinsicht rasch und effizient aufzuarbeiten. (Was bis jetzt bekannt ist, zeichnet ohnehin schon ein zunehmend klareres Sittenbild.) Es ist nämlich schon schlimm genug, mit Corona in einer Endlosschleife gefangen zu sein, die die "echte" Politik überlagert, behindert oder gar verhindert.

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