Wer sich auf der Plattform äußert, läuft Gefahr, einem organisierten Onlinemob in die Hände zu laufen. Da wird beschimpft, schikaniert und attackiert, dass viele entsetzt flüchten. Übrig bleibt die Meinungsfreiheit der Abgebrühten, jener, die ein dickes Fell haben, sich nur noch strategisch äußern und/oder von der Spaltung leben. Das beste und gleichzeitig furchteinflößendste Beispiel war Ex-US-Präsident Donald Trump, der während seiner Amtszeit Twitter dazu nutzte, Kritiker herunterzumachen, was seine teilweise gefährlich radikalisierten Fans mit eigenen Attacken ergänzten. Trump als Anführer eines verblendeten Mobs sorgte für schreckliche Szenen bei der Erstürmung des US-Kapitols. Er wurde daraufhin von Twitter gesperrt. Musk, der mit seinen Tweets gerne Aktienkurse beeinflusst, fand das nicht ok. Kommt mit seiner Übernahme die Rückkehr des obersten Pausenhoftyranns? Es steht zu befürchten.
Um ein glaubwürdiger Marktplatz für Meinungen zu sein, müsste Twitter viel mehr tun, als Leute mit Megafonen auszustatten. Meldungen von Drohungen, Missbrauch und Mobbing bleiben immer noch zu oft folgenlos. Dafür verschwinden immer wieder Accounts vom Bildschirm, die unter konzertierten Aktionen gemeldet und damit lahmgelegt werden. Gründe werden Betroffenen selten geliefert.
Musk will zumindest den Algorithmus offen legen, was zumindest in Europa ohnehin verpflichtend wird. Denn die EU, die sich vom Silicon Valley immer weniger bieten lässt, hat vergangene Woche ein überaus strenges Paket für Dienste wie Twitter verabschiedet: Die dahinterliegenden Programmlogiken müssen offengelegt werden und für die Sicherheit aller User muss gesorgt werden. Wer nicht liefert, riskiert Strafzahlungen in Höhe von sechs Prozent der globalen Einnahmen. Elon Musk könnte die Lust an der eigenen Version der Meinungsfreiheit noch teuer zu stehen kommen. Immerhin: Er kann es sich leisten. Keine schöne Aussicht.
Kommentare