Realitätsverleugnung
Einen Tag später war er abgewählt, und zwar fulminant. Doch passiert ist: nichts. Die Genossen machen weiter wie bisher, nur ohne ihren Olaf, die Parteichefs bleiben im Amt. Friedrich Merz ließen die beiden sogar leicht oberlehrerhaft wissen, dass der die „Gräben nur tiefer gemacht“ habe. Man warte nun gespannt auf dessen Vorschläge für eine Koalition.
Das alles wäre in normalen Zeiten vernachlässigbar, ist ja nur die SPD, und die war immer schon etwas langsam. Aber die Zeiten sind nicht normal, sie sind so abnormal wie schon lange nicht. Genau darum machen viele Wähler ihr Kreuz ja dort, wo alles wieder einfach, wieder wie früher scheint: Arbeiter und Geringverdiener sind am Sonntag in Scharen von der SPD zur AfD übergelaufen, und im Osten hat die Union keinen einzigen – wirklich keinen einzigen! – Wahlkreis holen können. Der Osten ist komplett blau.
Selbsternannte Volkspartei
Die AfD ist damit zur zweitgrößten Partei des Landes geworden, fühlt sich selbst nun als „Volkspartei“. Dass es so gekommen ist, hat viel mit Scholz’ Schwäche und seiner Realitätsblindheit zu tun. Aber auch die fehlende Strahlkraft eines Friedrich Merz hat dazu beigetragen. In normalen Zeiten wäre er, der Unbeliebte, nicht Kanzler geworden, heißt es in Berlin. Aber er ist es jetzt nun mal.
Dass Merz sich am Tag nach der Wahl hinstellte und sagte, dass die SPD einer „Existenzkrise“ sehr nahestehe, er aber als „Demokrat kein Interesse daran“ habe, „dass die SPD zerstört wird“, ist da ein gutes Zeichen. Wenigstens er scheint verstanden zu haben, worum es gerade geht. Er ist dazu verdammt, mit der SPD zu regieren, mehr noch: Er ist zum Erfolg verdammt.
Scheitert er, bleibt er blass wie Scholz, gewinnen die Extremen. Und dann wartet nicht nur auf die SPD das letzte Gefecht.
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