"Ich war extrem überrascht, denn damit habe ich nicht gerechnet", gesteht Olga Kosanović. Am Tag zuvor hat die Regisseurin den größten Erfolg ihrer jungen Karriere gelandet: Ihre Dokumentation "Genosse Tito, ich erbe" wurde beim Österreichischen Filmpreis als bester Kurzfilm ausgezeichnet.
Vor einem Jahr hat die 27-Jährige frischen Wind in eine alte, leidige Debatte gebracht. Olga Kosanović war nämlich eines der Gesichter der SOS-Mitmensch-Initiative #hiergeboren, die Missstände in der österreichischen Einbürgerungspolitik aufzeigen soll. "Ich habe mich wie im falschen Film gefühlt", erinnert sich die gebürtige Wienerin mit serbischen Wurzeln daran, wie ihr Versuch, eine Österreicherin zu werden, gescheitert ist.
Ein Gespräch über den österreichischen und ex-jugoslawischen Film, Tito und die Ungerechtigkeit.
KURIER: Wie fühlt es sich an, eine Preisträgerin zu sein?
Olga Kosanović: Ich freue mich wahnsinnig über den Preis. Vor allem finde ich es unheimlich toll, wenn so ein kleiner und sehr persönlicher Film so eine große Bühne bekommt. Das ermutigt einen sehr, weiterzumachen.
Was treibt eine 27-jährige Wienerin dazu, sich mit Tito zu befassen?
Ich habe Jugoslawien nicht erlebt, bin auf die Welt gekommen als es schon auseinandergefallen war. Das heißt, mein Jugoslawien gibt es nur innerhalb der Familie und über meine Großeltern, die noch in Serbien leben. Also habe ich mich gefragt: „Wenn sie mal sterben, was ist dann? Stirbt dann auch diese Geschichte? Was weiß ich eigentlich darüber, was ist das für ein Erbe?“ Deswegen heißt der Film so. Es geht mir ums Erben, aber nicht im materiellen, sondern im ideologischen und geschichtlichen Sinne. Von meiner Familie habe ich Geschichten gehört, über „dieses Jugoslawien“, und gleichzeitig habe ich in der Schule in Österreich darüber ganz andere Dinge gelernt.
Was zum Beispiel?
Zum Beispiel, dass Tito einer der größten Diktatoren Europas war – wo meine Familie immer widerspricht. Dieser Tito-Zugang war in meinem Leben bislang immer ein bisschen gespalten. Je älter ich werde, desto mehr versuche ich, mir mein eigenes Bild zu machen.
Wie sieht dieses Bild im Moment aus?
(lacht) Ich kann lediglich das sagen, was ich in meiner Familie erlebe. Und das ist eine Art von Nostalgie, Enttäuschung und Verlust von etwas, was es nicht mehr gibt. Offensichtlich gab es da mal ein anderes Gefühl, eine andere Lebensqualität, die es jetzt nicht mehr zu geben scheint. Dem habe ich versucht, nachzuforschen.
Sind Sie ein Fan der ex-jugoslawischen Kinematografie?
Anfangs bin ich quasi im Bus zwischen Wien und Belgrad über die jugoslawische Kinematografie gebildet worden. Die Busfahrer spielten diese ganzen Fernsehfilme rauf und runter. Das waren keine Qualitätstreifen, aber das gehört auch dazu. Aber klar habe ich auch alle Filme von Emir Kusturica gesehen, die haben am Balkan Kult-Status. Gerade gibt es in der gesamten Ex-Yu-Region eine neue Bewegung mit jungen Leuten in meinem Alter. Das finde ich sehr spannend.
Es gibt eine Reihe von Filmen zu den Jugoslawien-Kriegen, auch in Hollywood hat man sich dem Krieg angenommen. Ist die Thematik mittlerweile ausgelutscht?
Solange es noch Nazi-Filme zum Zweiten Weltkrieg gibt, warum sollte es keine zu den Jugoslawien-Kriegen geben. Ich habe eher das Gefühl, dass es insgesamt eher noch unterrepräsentiert ist, vor allem in der medialen Landschaft. Da gibt es schon noch viele Geschichten, die erzählt werden wollen.
Warum ist Olga Kosanović, eine in Wien geborene und aufgewachsene Frau, jetzt keine österreichische, sondern eine serbische Staatsbürgerin?
Ich bin zum Studieren nach Deutschland gegangen. Und als ich zurückgekommen bin, habe ich mir gedacht, ich stelle den Antrag auf die österreichische Staatsbürgerschaft, weil es eh schon längst Zeit wurde. Es war für mich einfach sinnvoll. Ich habe den Antrag gestellt und dachte wirklich, es ist ein formaler Akt.
Es war aber keiner …
In der MA35 wurde mir dann aber gesagt, das werde bei mir sehr, sehr schwierig. Es hieß, man müsste schauen, ob ich überhaupt integrierbar bin. Dann hat man ewig geprüft, um zum Entschluss zu kommen, dass ich in der Vergangenheit zu viel im Ausland war und mein Antrag deswegen abgelehnt wird. Für mich war das sehr überraschend, weil ich wirklich dachte, dass mir das zusteht.
Eigentlich eine filmreife Geschichte …
Ich habe gerade einen Kurzfilm geschrieben, den ich im September in Wien drehen werde. Darin geht es peripher auch um die MA35, die vielen Kämpfe mit diesem Amt und den Drang, beweisen zu müssen, dass man „österreichisch“ genug ist oder genug geleistet hat, um hier sein zu dürfen. Es geht mir nicht so sehr darum, die MA35 zu diskreditieren, das eigentliche Problem sind ja die Gesetze und nicht die Behörde. Die Gesetze sind absurd, nicht mehr zeitgemäß, lächerlich.
Wie wirkt sich das auf Ihr Leben aus?
Ich war zum Beispiel in meinem Leben noch nie wählen. Ich würde einfach gerne an der Demokratie in diesem Land teilhaben und ich würde gerne mitbestimmen, dort, wo ich lebe. Und ich würde gerne frei reisen können, auch beruflich zu den vielen Filmfestivals quer durch Europa. Es ist absurd, denn ich bin keine Serbin. Ich bin Wienerin.
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