Leere Regale, kein Service: Hätte Österreich auch das Briten-Problem?
Leere Supermarktregale, Schlangen vor Tankstellen, zu wenige Lkw-Fahrer: Großbritannien kämpft seit dem Austritt aus der Europäischen Union mit Lieferschwierigkeiten und Engpässen. An allen Ecken und Enden fehlen Fachkräfte. Der Brexit offenbarte, wie sehr die Insel von inzwischen abgewanderten ausländischen Arbeitnehmern abhängig ist.
Auch hierzulande würde es ohne "ausländische Hilfe" düster aussehen.
Die Abhängigkeit ist laut aktuellen AMS-Daten – etwas überraschend – nicht in der Baubranche am höchsten, sondern in der Gastronomie (siehe Grafik). Dort hat mehr als die Hälfte der Beschäftigten keinen österreichischen Pass. Ähnlich hoch ist der Ausländeranteil auch im wirtschaftlichen Dienstleistungsbereich, in den etwa die Reinigungsbranche fällt. Überhaupt waren im Durchschnitt des ersten Halbjahres 2021 laut der Arbeiterkammer in Österreich 2.937.000 inländische und 803.000 ausländische Staatsbürger beschäftigt.
Würde das System also ohne diese Arbeitskräfte zusammenbrechen? "Die Bilder aus Großbritannien würden sich in Österreich wiederholen", ist sich Arbeitsmarktexperte Gernot Mitter von der Arbeiterkammer sicher.
"Ohne die Arbeitskraft unserer ausländischen Kollegen und Kolleginnen stünden sehr viele Räder still. Unser Wohlstand würde deutlich niedriger sein", erklärt Mitter. Zugleich betont er, dass diese Menschen oft jene seien, die in prekären Arbeitsverhältnissen beschäftigt sind. "Zahllose Studien und unsere Erfahrungen zeigen: Ausländische Arbeitnehmer gehören zu den auf dem Arbeitsmarkt am stärksten diskriminierten Gruppen. Sei es bei der Stellenbesetzung durch Unternehmen, bei der Einstufung in die KV-Löhne oder beim betrieblichen Aufstieg", so Mitter.
Zahlreiche Hürden
Die Unsicherheit, die das heimische Aufenthalts- und Niederlassungsrecht bei ihnen verursacht, sei zudem ein weiterer erschwerender Faktor. Für Milica Tomić-Schwingenschlögl von der Beratungsstelle für Migranten ist das mitunter auch eine Erklärung, warum rund ein Drittel der in Österreich Beschäftigten, die im Ausland ausgebildet wurden, für ihren Job überqualifiziert sind. "Eine Nostrifizierung ist ein Luxus. Da muss man den Aufenthaltstitel oder das Erlernen der Sprache schon hinter sich haben", so die Expertin. Die Unterscheidung von EU- und Nicht-EU-Qualifikationen sei zudem ein wichtiger Benachteiligungsfaktor.
"Wenn wir das Beispiel Krankenschwester nehmen: Das ist ein reglementierter Beruf. Jemand mit allen notwendigen Dokumenten aus Kroatien bekommt die Anerkennung innerhalb weniger Stunden. Bei jemandem aus Bosnien, mit demselben erlernten Beruf und ähnlicher Arbeitserfahrung, kann es bis zu zwei Jahre dauern", erklärt die Expertin. Gerade im medizinischen Bereich, der Pflege oder auch der Betreuung, bei Berufen, bei denen es einen Arbeitskräftemangel gibt, sei das für alle Seiten kontraproduktiv. Eines steht jedenfalls fest: Auch in Zukunft wird es in Österreich ohne Arbeitskräfte aus dem Ausland nicht gehen.
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