Kroatien kämpft mit Abwanderung: Teilweise mehr Pensionisten als Arbeitende
Wenn die Sommersaison vorbeigeht und die Touristen wieder aus dem Land sind, dann kommt die Kehrseite der Medaille in Kroatien zum Vorschein. Dann erst wird spürbar, dass manche Landesteile wie ausgestorben wirken. Die Abwanderung der Bevölkerung lässt sich noch am ehesten in Landesteilen feststellen, die abseits der stark vom Tourismus geprägten Küste bzw. der Hauptstadt Zagreb liegen.
So in etwa in der südlich von Zagreb gelegenen Gespanschaft Sisak-Moslavina, die in ihrem Süden an Bosnien-Herzegowina grenzt. In dieser regionalen Selbstverwaltungseinheit, von denen es in Kroatien 21, leben laut der vorletzten, im Jahr 2011 durchgeführten Volkszählung 172.439 Menschen. Im vergangenen Jahr waren es nur noch 140.549 Einwohner, was einen Rückgang von 18 Prozent bedeutet. Mittlerweile werden hier mehr Pensionisten als Arbeitende verzeichnet. Das Verhältnis beträgt hier 1:0,98
In den Dörfern rund um die Kleinstadt Sisak sind nur ältere Bewohner:innen geblieben. Die meisten davon sind auf die Hilfe ihrer zahlreichen Angehörigen, die in den Westen Europas gezogen sind, angewiesen. Die Durchschnittspension ist laut Statistiken die niedrigste im ganzen Land und beträgt mickrige 2.629 Kuna bzw. etwa 350 Euro. Viele der Bewohner:innen des Dorfes Berak können von der Durchschnittsrente nur träumen.
"Fangen wir mal ganz unten an: Bei denen, die 800, 900 Kuna bekommen und kommen dann zu denen, die eine etwas bessere Arbeitsstelle hatten und monatlich vielleicht bis zu 2.200 Pension erhalten. Nun denken wir an die Lebensunterhaltungskosten und dann wird einem alles klar", versucht Dorfbewohner Milan Gvozdanović im Gespräch mit dem TV-Staatssender HRT zu erklären, wie man mit solchen Pensionen über die Runden kommt. Immer mehr ernähren sich in humanitären Einrichtungen. "Zu uns kommen Menschen mit kleinen Renten, einer schwierigen sozialen Situation entweder zu Hause oder bei Einzelpersonen selbst, zudem kommt die hohe Arbeitslosigkeit", betont Mario Večerić, Leiter der Caritas der Diözese Požega.
Unwirksame Maßnahmen
Am stärksten betroffen sind aber Ältere. "Früher waren wir hier mehr als tausend, jetzt sind wir 300 Seelen im Dorf. Von diesen 300 befinden sich die meisten im zweiten Lebensabschnitt", sagt Stanko Penavić, ein anderer betagter Dorfbewohner und betont, dass es die meisten "Jungen" auf der Suche nach einem besseren Leben in die urbanen Gegenden zieht.
Da helfen auch Maßnahmen der lokalen Behörden, die Kindesgeburten und eigenen Hausbau fördern, wenig. Die Abwanderungswelle lässt sich nicht stoppen. Dessen sind sich auch Lokalpolitiker bewusst. "Menschen gehen auf der Suche nach einer besseren Existenz in Länder, wo sie sichere Jobs und höhere Gehälter haben. In unserer Gemeinde ist es ähnlich. Die Menschen ziehen in urbane Gebiete. Es ist schwer, hier einen Job zu finden, viel einfacher ist es in der Stadt", erklärt gegenüber HRT Ivo Štefanac, Präsident des Gemeinderates von Tompojevci.
Schlechte Aussichten
Das Verhältnis von Pensionisten und Beschäftigten gäbe Aufschluss über die Bevölkerungsstruktur eines Landkreises. "Unser Pensionssystem ist national, sprich die Pensionen werden aus dem Staatshaushalt, aus Beiträgen und allgemeinen Einnahmen des Staates und nicht der Gespanschaften selbst gezahlt, sodass die geografische Verteilung der Bevölkerung in der Republik Kroatien kein großes Problem darstellt", betont Ivo Bulaja, Assistent des Leiters der Kroatischen Pensionsversicherungsanstalt.
Schaut man sich aber das Verhältnis von Erwerbstätigen und Pensionisten auf Landesebene an, wirken die Zahlen nicht minder besorgniserregend. Auf 1,34 Beschäftigte kommt nämlich ein/e Pensionist/in. Und obwohl es in diesem Jahr 40.000 mehr Beschäftigte sowie rund 6.000 Rentner weniger gibt, ist das Verhältnis immer noch ungünstig. Viele befürchten eine weitere Verschlechterung und den Zusammenbruch des Pensionssystems.
"Also, wir, die arbeiten, können die 'Kosten' der ersten Rentensäule bereits nicht decken, und es wird nur noch schlimmer. Die Pensionen werden gezahlt, ihr Anteil am Durchschnittsgehalt wird aber immer kleiner, was schlimme Auswirkungen auf die Armut haben wird", prophezeit Vedrana Pribičević, Präsidentin der Vereinigung der Mitglieder der obligatorischen und freiwilligen Rentenkassen. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass das beste Verhältnis Kroatien in den 1980er Jahren hatte: Da kam ein Pensionist auf vier Beschäftigte. Damals gehörte Kroatien noch zu Jugoslawien.
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