Kroatien: "Euer erstes Gehalt in Euro wird euch zeigen, wie wenig ihr habt"

Kroatien: "Euer erstes Gehalt in Euro wird euch zeigen, wie wenig ihr habt"
Anfang 2023 steigen die Kroaten von Kuna auf den Euro um. Während die Regierung jubelt, hält sich die Begeisterung im Volk in Grenzen.

"Kroatien wird bald Mitglied der Eurozone, womit die kroatische Regierung eines seiner strategischen Ziele erreicht!", jubelte Premierminister Andrej Plenković am Mittwoch auf Twitter. An diesem Tag erklärte die EU-Kommission, dass Kroatien die Voraussetzungen für die Einführung der Gemeinschaftswährung Euro erfülle. Landeswährung Kuna wird also ab dem kommenden Jahr durch den Euro ersetzt.

"Mit diesem Schritt werden wir uns wirtschaftlich und sozial weiter mit den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union integrieren und so unsere wirtschaftlichen und sozialen Beziehungen mit den am weitesten entwickelten Ländern der Welt stärken", erklärte Finanzminister Zdravko Marić triumphierend. In einem ähnlichen Ton sprach auch der Gouverneur der Kroatischen Nationalbank Boris Vujčić: "Wir sind stolz auf diesen Erfolg, wir freuen uns auf alle Vorteile, die Kroatien daraus ziehen wird, sind uns aber auch der Verantwortung bewusst, die die Zugehörigkeit zum Euroraum mit sich bringt". 

Ernüchternde Vergleiche mit westlichen Ländern

Die Einführung des Euro zu Beginn des kommenden Jahres löst zwar Jubelstürme in der staatlichen Führungsriege aus, die Reaktionen aus dem Volk fallen aber weniger euphorisch aus. "Das heißt also, mit der Euro-Einführung führt ihr auch europäische Gehälter ein, 1500 Euro netto mindestens? Endlich!", lautet ein sarkastischer Kommentar auf Plenkovićs Jubel-Tweet. "Die Leute werden nun merken, wie schlecht sie im Vergleich zu anderen Ländern bezahlt sind", schreibt ein anderer Twitter-User. 

Dieser Aspekt beschäftigt auch den anerkannten Journalisten Goran Vojković. In seiner Kolumne, die auf dem populärsten Online-Portal des Landes Index.hr erschien, schildert er seine etwas düstere Sichtweise. "Euer erstes Gehalt bzw. eure erste Rente bekommt ihr im Jänner erstmals in Euro. Und das wird der Moment sein, in dem ihr realisieren werdet, wie wenig ihr wirklich habt. Die meisten von euch werden weniger als die Sozialhilfe in einem entwickelten westlichen Land beträgt, erhalten", schreibt Vojković und stellt einige ernüchternde Vergleiche an:

"Wenn Sie in Kroatien ein anerkannter Experte sind, dann werden Sie das Gehalt eines deutschen Hilfsarbeiters überwiesen bekommen. Wenn Sie ein äußerst erfolgreicher Manager oder Wissenschaftler sind - dann werden Sie wie ein deutscher Lagerleiter oder Supermarktfilialleiter bezahlt. Selbst mit 20.000 Kuna, einem Gehalt, das höher ist als das eines Ministers, bekommen Sie immer noch weniger als ein guter Handwerker, Koch oder durchschnittlicher Ingenieur in Deutschland oder den Niederlanden."

Psychologische Tricks fürs Wohlergehen

Am Freitag veröffentlichte das Kroatische Statistikinstitut (DZS) seine vierteljährliche Bilanz. Demnach betrug das durchschnittliche Nettomonatsgehalt in Kroatien im März 7.607 Kuna. Laut dem aktuellen Kurs sind das etwas mehr als Tausend bzw. 1.011 Euro. Der für das Jahr 2022 festgesetzte Mindestlohn beträgt 3.750 Kuna, also knapp 500 Euro. Laut den Daten des Statistischen Amtes der Europäischen Union Eurostat haben nur wenige EU-Länder, darunter Bulgarien, Rumänien oder Ungarn, einen niedrigeren Mindestlohn. 

Der kroatische Rentner bekommt laut der Kroatischen Pensionsversicherungsanstalt monatlich im Schnitt 2.964 Kuna, also umgerechnet 394 Euro. Laut tportal.hr schwankt die Pensionshöhe in den 20 Gespanschaften plus Zagreb sehr. So kommt der durchschnittliche Pensionist in der Hauptstadt 3.582, während es in der Gespanschaft Međimurje im Schnitt Tausend Kuna weniger gibt - ganze 2.432 Kuna bzw. 323 Euro. So viel bzw. wenig künftig überwiesen zu bekommen, das werde erniedrigend sein, glaubt Vojković, und weist auf einen psychologischen Aspekt hin: "Ist euch schon aufgefallen, dass wir, obwohl wir die Kuna nie wirklich akzeptiert haben, den Wert unserer Autos, Wohnungen, Wochenendhäuser in Euro angeben? Wir zählen gerne die Einkünfte in Kuna, um den Betrag höher aussehen zu lassen".

Das sei ein sympathisches, zugleich aber auch trauriges psychologisches Spielchen. "Gehälter in Kuna, Ausgaben in Euro, alles um die Wahrheit zu verbergen - wir haben wenig. Aber wir zeigen gerne, dass wir mehr haben. Mit der Einführung des Euro wird dieses Spiel abgeschafft, wir werden unsere Gehälter direkt mit denjenigen im restlichen Europa vergleichen können", schreibt Vojković und schlussfolgert: "Die Kroaten werden genau wissen, was sie, was ihre Arbeit wert ist". 

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