Wirtschaftsdelegierte in Kroatien: „Es geht eindeutig bergauf“

Sie hat einen guten Draht zu Firmen und Institutionen, und sie ist top informiert. Wo immer der Name der österreichischen Wirtschaftsdelegierten in Kroatien fällt, gehen Daumen hoch. Der KURIER traf Sonja Holocher-Ertl zum Interview in der neuen Seilbahn, die auf Zagrebs Ski-Weltcup-Berg Sljeme führt.
Die Bahn wurde von der Vorarlberger Firma Doppelmayr gebaut und war heftig umstritten. Gezankt wurde nicht über die technische Qualität der Anlage, die steht außer Zweifel. Es geht mehr um die Verantwortung für mutmaßliche Malversationen in der Zagreber Stadtpolitik.
KURIER: Weil wir gerade auf den Berg hinauf fahren: Wie geht es den österreichischen Unternehmen in Kroatien?
Sonja Holocher-Ertl: Unsere Umfrage Ende 2021 hat eine überraschend hohe Zufriedenheit gezeigt. Die große Mehrheit der österreichischen Unternehmen ist aber auch optimistisch fürs neue Jahr. Es geht eindeutig bergauf.
Wie sehr hat die Pandemie dazwischengefunkt?
Die Pandemie war naturgemäß ein Dämpfer, vor allem für die Unternehmen im Tourismus und in tourismusnahen Bereichen. Das erste Corona-Jahr 2020 war aber für Kroatien insgesamt schwierig, die Wirtschaft ist mit acht Prozent eingebrochen. Dafür hat man sich 2021 stark erholt.
Und der Ukraine-Krieg?
Der trifft unsere Unternehmen natürlich, wenn auch großteils indirekt durch Probleme mit Lieferketten, hohen Energiepreisen und der generellen Unsicherheit, die ein Krieg in Europa nun einmal mit sich bringt.
Und dann waren da noch zwei schwere Erdbeben im Zentrum von Kroatien ...
Österreich hat bei der Erdbebenhilfe großartig reagiert, und zwar auf allen Ebenen. Österreichische Niederlassungen in Kroatien haben sehr rasch und unbürokratisch diverseste Hilfsaktionen gestartet. Auch aus Österreich kam wertvolle Hilfe von Bund, Ländern, Feuerwehren, Privatinitiativen – nicht zuletzt durch die KURIER-Hilfsaktion. Die Hilfe aus Österreich läuft auch noch weiter, etwa in Form von Hausbauprogrammen und ähnliches.
Wie war die Saison 2021 für den kroatischen Tourismus?
Besser als erwartet. Der Saisonstart war zwar aufgrund diverser Covid-Reiserestriktionen verspätet. Aber insgesamt erreichte Kroatien bei den Umsätzen im Tourismus knapp 90 Prozent der Werte des Rekordjahrs 2019. Die Saison hatte sich auch in den Herbst hinein verlängert.
Und für die österreichischen touristischen Betriebe?
Wir hören auch von unseren Tourismusbetrieben, dass 2021 besser als erwartet war, auch, dass die Belegungszahlen vom Jahreswechsel und für das erste Quartal sehr vielversprechend waren.
Was wird für diesen Sommer in Kroatien erwartet?
Die Erwartungen sind nach wie vor gut, wenn auch aufgrund des Krieges in der Ukraine etwas gedämpfter. Der kroatische Tourismus rechnet damit, dass der Ausfall russischer, weißrussischer und ukrainischer Urlauber nicht allzu stark ins Gewicht fallen werde. Es wird aber befürchtet, dass die Urlauber aus Übersee Europa aufgrund des Krieges meiden werden. Die Preissteigerungen bei Energie und Lebensmitteln sind natürlich auch problematisch.

Sonja Holocher-Ertl bei einer Berg-Fahrt mit Doppelmayr-Ingenieur Johannes Onuk und dem KURIER
Apropos problematisch: Ist das Seilbahnprojekt von Doppelmayr in Zagreb jetzt endgültig über den Berg?
Auf jeden Fall, und die Fahrt mit der Gondel auf den Sljeme ist wirklich traumhaft. Es war eine schwere Geburt, selbst für ein Unternehmen wie Doppelmayr, das doch Erfahrung mit schwierigen Rahmenbedingungen hat. Zur spezifischen Konstellation in der Stadt Zagreb kam noch Corona und der unerwartete Tod des früheren Bürgermeisters Milan Bandić, der das Projekt initiiert hatte. Aber schlussendlich wurde alles geregelt, es wurden am Ende sogar Verordnungen angepasst, um den Betrieb zu ermöglichen. Da hat Kroatien doch Flexibilität gezeigt.
Was gibt es Neues von den österreichischen Investoren?
Der Rieder Aerospace-Komponentenhersteller FACC hat schon zu Jahresbeginn im neuen Werk in Jakovlje nördlich von Zagreb mit seiner Produktion begonnen, es ist dies das größtes Greenfield-Investment in Kroatien seit Langem. Zudem hat Cargo Partner in einem vom Österreicher Richard Teichmann entwickelten Gewerbepark bei Velika Gorica ein hochmodernes Logistikzentrum eröffnet. Es tut sich ständig was.
Wird man im Sommer 2023 wie geplant in Kroatien mit Euro bezahlen können?
Mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit wird das EU-Mitgliedsland Kroatien am 1. Jänner 2023 den Euro einführen. Der einzige, aber als gering eingeschätzte Risikofaktor ist die durch Covid und Ukraine-Krise angeheizte Inflationsrate.
Handelsbilanz: Kroatien ist für die österreichische Exportwirtschaft auch weiterhin ein wichtiger Markt.
1,5 Milliarden Euro: So hoch waren die österreichischen Warenausfuhren nach Kroatien (laut vorläufigen Daten) für das Jahr 2021. Das wäre sogar ein deutliches Plus im Vergleich zu 2019.
895 Millionen Euro beträgt zeitgleich der errechnete Wert für die Einfuhr von Waren aus Kroatien nach Österreich.
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