Wie Schulbücher Migranten darstellen

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Anthropologen haben sich Schulbücher angeschaut. Sie sind dabei auf einige Stereotype über Einwanderer gestoßen. Was die Experten kritisieren und was sie loben.

Migration kommt in Schulbüchern und in der Wahrnehmung von Schülern vor allem als Problem vor, die vielfältigen Motive für Auswanderung und die Vorteile von Migration werden vielfach ausgeblendet. Das hat das Sparkling Science Projekt „Migration(en) im Schulbuch“ ergeben, bei dem ein Forschungsteam des Ludwig Boltzmann-Instituts für Europäische Geschichte und Öffentlichkeit gemeinsam mit Schülern die Darstellung des Themas beforscht und in Workshops diskutiert hat. Heute, Mittwoch, werden Zwischenergebnisse des Projekts bei einer Tagung an der Uni Wien präsentiert.

Noch immer herrsche in vielen Schulbüchern ein Problemdiskurs vor, erklärte Heidi Weinhäupl, die gemeinsam mit Christa Markom und Christiane Hintermann in dem Projekt tätig war, gegenüber der APA. "Das ist in der Gesellschaft, in der Politik, in den Medien weitverbreitet und die Schulbücher sind da sicher ein Spiegelbild." Migration wird laut der Forscherin oft eindimensional dargestellt: Immer noch stehen eher ökonomische Gründe oder Flucht als Motiv für Auswanderung im Zentrum, freiwillige Migration aus Liebe oder Neugier bekomme kaum Platz. Auch werde Migration kaum als Teil der Geschichte Österreichs und dessen veränderter Gesellschaft vermittelt, sondern oft als "Herausforderung" oder gar in Zusammenhang mit Themen wie Terrorismus.

Deutsche und Türken

Es werde auch kaum erwähnt, dass Deutsche eine der zahlenmäßig stärksten Einwanderergruppen sind. Unterdessen werden Türken - die drittgrößte Migrantengruppe in Österreich - im Problemdiskurs hervorgestrichen, vor allem wenn es um die Frage von Integration und Parallelgesellschaften gehe. Noch immer sei ein Diskurs nach dem Motto Mehrheitsgesellschaft versus Migranten bemerkbar, allerdings gebe es eine langsame Verbesserung, so Weinhäupl mit Verweis auf Ergebnisse einer früheren Schulbücher-Untersuchung bis zurück in die 1960er.

Immerhin werde in aktuellen Schulbüchern vermehrt darauf hingewiesen, dass Österreich Migration (aus wirtschaftlichen Gründen) braucht und es werde auch gegen das Bild von Migranten als "Sozialschmarotzer" angeschrieben, indem deren Beiträge ins Sozialsystem und Pensionskasse betont werden. Insgesamt gebe es aber kaum Informationen zur aktuellen Situation von Migranten, wie schwer es überhaupt sei, nach Österreich einzuwandern oder die österreichische Staatsbürgerschaft zu erhalten. Stattdessen werde historisch darauf verwiesen, dass Österreich wegen eines "Ansturms" von Migranten seine Einwanderungsgesetze verschärfen "musste". Aspekte wie die Diskriminierung von Migranten durch Gesetze oder am Arbeitsmarkt würden hingegen häufig ausgeblendet. Dabei hätte sich auch in den Diskussionen mit den Schülern gezeigt, dass diese Themen sie sogar sehr interessierten.

Vorbilder

Gleichzeitig sehe man aber schon deutliche Bemühungen, das Thema ausgewogener zu behandeln und immer wieder gebe es auch einzelne vorbildhafte Darstellungen, etwa durch die Darstellung von Fallgeschichten oder das Aufzeigen, dass Migration historisch gesehen etwas Normales ist und dass es etwa nach dem Zweiten Weltkrieg auch eine Auswanderungsbewegung aus Österreich gegeben habe. Und: "Schulbücher haben es nicht leicht, sie müssen sehr viel Wissen auf sehr wenig Platz vermitteln."

Weinhäupl hob die Bedeutung der Darstellung von Migration in Schulbüchern hervor: Diese würden nicht nur Schüler beeinflussen, sondern auch die Lehrer. Laut einer aktuellen Onlinebefragung des Projektteams werden diese immerhin von über 80 Prozent als Vorbereitung auf den Unterricht bzw. die Jahresplanung genutzt. "Es wäre wichtig, positive Aspekte und die Vielfältigkeit von Migrationsgeschichten in die Schulbücher hineinzubekommen", so die Forscherin. Von den Schüler sei eine große Bereitschaft da, sich auf andere Art mit Migration auseinanderzusetzen. Sie hätten auch Interesse für eine differenzierte Auseinandersetzung mit historisch belasteten Begriffen wie "Schwarzafrika" oder "Kulturkreis", die noch immer in Schulbüchern vorkommen. "Großes Interesse am Projekt ist uns aber auch von den Schulbuchverlagen, dem Unterrichtsministerium und vielen Lehrenden signalisiert worden", so Weinhäupl.

50 Bücher untersucht

Die von Wissenschaftsministerium geförderten Sparkling-Science-Projekte sollen Schülern durch Zusammenarbeit mit Forschungseinrichtungen einen Einblick in wissenschaftliches Arbeiten ermöglichen. An „Migration(en) im Schulbuch“ haben sich acht Klassen verschiedener Schultypen in Wien und Salzburg beteiligt, die Schüler waren zwischen 12 und 18 Jahre alt, der Anteil an Jugendlichen mit Migrationshintergrund lag zwischen null und hundert Prozent. Für die Analyse wurden 50 aktuelle Schulbücher untersucht, bei 22 wurden u.a. Bild- und Textanalysen durchgeführt. Außerdem gab es pro Klasse drei Workshops, in denen die Ansichten der Schüler zu Migration und der Darstellung des Themas in den Schulbüchern behandelt wurden.

Projekthomepage: http://www.migrationen-im-schulbuch.at

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