"Unser Bankensystem ist seriös"

"Unser Bankensystem ist seriös"
Für Ewald Nowotny, Chef der Oesterreichischen Nationalbank, ist Österreich "keine Steueroase".

KURIER: Herr Gouverneur, wie bewerten Sie die Verhandlungsbereitschaft Österreichs beim Bankgeheimnis, die Kanzler Faymann angekündigt hat?

Ewald Nowotny: Es gibt darüber eine internationale Diskussion. In Bezug auf Österreich muss diese Debatte sachlich und informiert geführt werden. Österreich ist keine Steueroase. Generell gilt, dass unser Bankensystem seriös und an der Realwirtschaft orientiert ist.

Bei Spareinlagen sind Menschen sensibel. Ist die Annahme richtig, dass für Österreicher weiterhin das Bankgeheimnis gilt, bei ausländischen Kontoinhabern gibt es den automatischen Informationsaustausch?

Ja, die Diskussion geht um die Aufhebung des Bankgeheimnisses gegenüber Ausländern. Bei der Debatte ist es sinnvoll, auch den Umgang der EU mit Steueroasen, wie etwa den Kanalinseln oder Monaco, zu sehen. Es geht um die internationalen Steuerbeziehungen. Wie die Diskussion verlaufen wird, ist noch offen. Die aktuelle Debatte ist ja davon ausgegangen, dass sich die Position Luxemburgs geändert hat. Hier sind noch weitere Informationen nötig.

Ist Zypern ein Modell für künftige Bankenrettungen? Was ist die Lehre aus Zypern?

Sehr einfach: Wehret den Anfängen. Zypern verfolgte ein Geschäftsmodell, das massiv auf ausländische Einlagen aufgebaut und nicht zu halten ist: Es war ein schwerer Fehler, dass im ersten Ansatz – auf Initiative der zypriotischen Regierung – Einlagen bis 100.000 Euro herangezogen worden wären.

Werden künftig bei Bankenrettungen Sparer mit Einlagen über 100.000 Euro zahlen?

Nein. Hier ist Zypern ein Sonderfall. In der EU will man eine einheitliche Bankenabwicklung. Man geht vom richtigen Ansatz aus, dass Belastungen nicht nur beim Steuerzahler liegen. Die Bankeigentümer werden einen Beitrag leisten.

Wann kommt die Bankenunion?

Die Bankenunion besteht aus drei Bereichen: Aus einer einheitlichen europäischen Bankenaufsicht, einem europäischen Abwicklungsmechanismus und einer europäischen Einlagensicherung. Zum ersten Bereich gibt es einen politischen Konsens, die juristischen Grundlagen fehlen noch, das Projekt wird sich daher, fürchte ich, verzögern. Für die beiden anderen Bereiche gibt es keine klare Willensbildung. Für die Einlagensicherung sehe ich derzeit keine Perspektive für eine Umsetzung.

Das Verfassungsgericht hat in Portugal Sparvorhaben aufgehoben. Macht das Schule?

Ich bin über die Entwicklung nicht glücklich, Portugal ist an sich auf einem erfolgreichen Sanierungsweg. Es ist aber klar, dass Sparkonzepte dem jeweiligen Verfassungsrahmen entsprechen müssen.

Ist Slowenien der nächste Fall für den Rettungsschirm?

Slowenien hat weniger ein ökonomisches, als ein politisches Problem, wie häufige Regierungswechsel. Es gibt Probleme im Bankenbereich. Eine stabile Regierung könnte Reformen einleiten, die einen Weg nach Brüssel nicht erforderlich macht.

Wird Europa gestärkt aus der Krise hervorgehen?

Ich bin mir nicht so sicher. Es handelt sich um eine sehr tiefe, lang andauernde Krise. Historische Erfahrungen zeigen, dass Menschen zu größeren Integrationsschritten eher in guten Zeiten als in schlechten bereit sind. Derzeit sehe ich leider eine Tendenz zu Renationalisierung, nicht zuletzt im Bereich der Wirtschaftspolitik.

Sollte Europa nicht mehr über Wachstum als über Sparen nachdenken?

Europa braucht beides. Es gibt einige Staaten, die sehr akute Budgetprobleme haben und bei der Konsolidierung ansetzen müssen. Für alle gilt, gesunde Budget-strukturen zu erhalten, um nicht in einen Krisenmodus zu verfallen.

Die EU-Kommission macht Druck, die staatliche Problembank HypoAlpe-Adria rasch abzuwickeln. Hat Österreich noch einen Spielraum?

In einer so schwierigen Situation hat man nie genügend Zeit, weil man immer unter externem Druck steht. Es ist eine Illusion zu glauben, dass wir unbegrenzt Zeit haben, das Problem zu lösen.

Gibt es eine bestimmte Frist?

Das ist Verhandlungssache. Österreich ist ja nicht allein, solche Probleme gibt es in vielen Staaten, es gibt Lösungsmodelle. Ich gehe davon aus, dass Finanzministerin Fekter in Brüssel die nächsten Schritte besprochen hat.

Als sich Werner Faymann und Michael Spindelegger am Montag nach dem Ministerrat erklärten, da hatten sie drei Botschaften für die Zuhörer: Erstens: Österreich ist keine Steuer-Oase. Zweitens: Das Bankgeheimnis für Inländer bleibt. Und drittens: Wir sind bereit mit der EU über das Bankgeheimnis für ausländische Konten in Österreich zu verhandeln.

Beim „Sparbuch der Großmutter“ gäbe es keine Veränderungen. Wie viel jemand privat auf dem Sparbuch hat, sollten auch künftig nur zwei Akteure wissen: „Der Sparer und die Bank.“

Geht’s nach den Parteichefs, will Österreich mit der EU demnächst aber darüber verhandeln, ob Konto-Daten von ausländischen Bankkunden immer dann automatisch weitergegeben werden, wenn gegen diese ermittelt wird (Steuerbetrug, Geldwäsche, etc.). Bisher musste die Herausgabe der Daten vom Gericht angeordnet werden.

Einlenken

Österreichs EU-Kommissar Johannes Hahn sagte gestern im ORF-Radio, er rechne fix mit einem Einlenken Österreichs beim Datenaustausch; und selbst Hans-Adam II., Staatsoberhaupt des jahrelang für seine Steuerprivilegien kritisierten Fürstentums Lichtenstein, erklärte gestern bei einem Wien-Besuch, der internationale Datenaustausch werde sich „früher oder später durchsetzen“ .

Als Partner präsentierte Faymann am Dienstag einen Benelux-Staat: „Wir werden die Verhandlungen gemeinsam mit Luxemburg führen“, sagte der Kanzler – und das war zumindest ein wenig irreführend.

Denn selbst wenn Luxemburg bislang gegenüber der EU eine ähnliche Position wie Österreich vertrat, ist unklar, wo genau die Gemeinsamkeiten liegen: Luxemburgs Bankgeheimnis und die Struktur der dortigen Bankenlandschaft sind kaum mit Österreich zu vergleichen.

Bis heute ist Luxemburg weit zurückhaltender, was die Herausgabe von Bankdaten angeht. Hinzu kommt, dass die Luxemburger noch ihre finale Verhandlungsposition suchen. Insider berichten von internen Querelen in der Regierung. Kann Österreich also auf Luxemburgs Finanzminister Luc Frieden zählen? Ist er ein Partner?

Auf Nachfrage des KURIER relativierte man im Bundeskanzleramt die „Kooperation“: Natürlich sei die Situation beider Staaten nur bedingt vergleichbar. Österreichs Regierungsspitze hätte aber ohnehin nur erklärt, man wolle sich mit der EU an einen Tisch begeben – und an dem werde wohl oder übel auch Luxemburg sitzen; deshalb das Wort „gemeinsam“.

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