760.000 Tonnen Lebensmittel landen jedes Jahr in Österreich im Müll

Voller Einkaufswagen vor Ostern? Das eine oder andere wird auf dem Müll landen
Was der Müll schluckt: Lagebericht zur Lebensmittelverschwendung in Österreich.
Von Uwe Mauch

Ostern kommt gerade rechtzeitig: Wir können mal kurz in uns gehen und fragen, ob wir für die Feiertage wieder so viel einkaufen sollen wie in den vergangenen Jahren. Wir können dann gleich mal Nachschau halten, was noch im Kühlschrank ist. Wir können dann eine Einkaufsliste erstellen, die von unseren tatsächlichen Bedürfnissen bis zum kommenden Dienstag nicht allzu weit abweicht. Um uns dann mit einem genaueren Plan ins Einkaufsgetümmel zu werfen.

So eine Vorgangsweise schont nicht nur das eigene Geldbörsel, sondern auch die Umwelt. Das erklärt Christian Pladerer, der für das Österreichische Ökologie-Institut arbeitet und dort als Experte für Abfall- und Ressourcenmanagement gilt. Pladerer hat am Dienstag in Wien einen Lagebericht zu den in Österreich anfallenden Lebensmittelabfällen vorgelegt. Die Zahlen sind nicht neu und dennoch beschämend: Pro Jahr landen hierzulande rund 760.000 Tonnen Lebensmittel im Müll. In diese Zahl nicht eingerechnet sind die Abfälle der Landwirtschaft, der Lebensmittelproduktion und des Großhandels.

Hunger im Überfluss

Restmüll-Analysen des Ökologie-Instituts haben in den vergangenen Jahren ergeben, dass knapp die Hälfte des Abfalls durchaus vermeidbar wäre. Im Restmüll finden sich demnach auch noch zehn Prozent originalverpackte oder nur teilweise verbrauchte Produkte.
Der Experte Christian Pladerer geht davon aus, dass sich unser ökologischer Fußabdruck zu einem guten Teil – ein Drittel nämlich – aus unserem Ernährungsverhalten ergibt. „Wenn etwas am Teller übrig bleibt oder überhaupt weggeschmissen wird, war der ganze Aufwand der Produktion umsonst.“

Laut Studie der Welternährungsorganisation (FAO) wird etwa ein Drittel der produzierten Lebensmittel nicht verzehrt und muss entsorgt werden. Unfassbar, aber leider wahr: Während weltweit Menschen verhungern bzw. an Hunger leiden (wie auch jene Menschen, die in Wien in der Gruft oder im Häferl versorgt werden), wandern pro Jahr 1,3 Milliarden Tonnen Lebensmittel zum Müll.

Laut einer Schätzung, die von der EU-Kommission veröffentlicht wurde, wirft jeder Bürger der Europäischen Union in nur einem Jahr 179 Kilogramm Lebensmittel in den Mist. Das entspricht ungefähr einem Viertel der tatsächlich konsumierten Lebensmittel.
Für Österreich wünscht sich Pladerer zunächst eine bessere Erfassung des Ist-Zustands. Die Datenlage sei immer noch dünn.

Rund ein Viertel der Obst- und Gemüseernte geht hierzulande bereits in der Landwirtschaft verloren, zitiert der Experte die Schätzung aus einer Masterarbeit. Viel zu oft verrotten Früchte in den Anbaugebieten, weil sie nicht den optischen Vorgaben von Industrie, Handel und auch Konsumenten entsprechen. „Wenig wissen wir über die Verluste bei der Lebensmittel-Verarbeitung“, so Pladerer. „Da erhoffen wir uns Aufschlüsse aus zwei aktuell laufenden Studien.“

Osterhasen-Kuchen

Dafür haben sich die Kostenrechner der in Österreich ansässigen Handelsketten die Mühe gemacht, die täglich produzierten Müllberge ihrer Firmen zu vermessen. Das berechnete Einsparungspotenzial ist enorm: Es liegt pro Jahr bei fast 110.000 Tonnen.
Mülltaucher wie der Salzburger Koch David Groß wissen am besten, wie viel Verwertbares jeden Abend in den Mülltonnen hinter den Supermarktfilialen landet. David Groß hat bei seinen Happenings für bis zu 50 Menschen frisch aus der Mülltonne aufgekocht.

Am Ende liegt der Ball erneut bei uns Konsumenten: Benötigen wir auch noch knapp vor Ladenschluss alle verfügbaren Brotsorten? Haben wir für alle „Kauf drei, zahl zwei“-Angebote tatsächlich Verwendung? Dazu ein Tipp der Lebensmittelexperten: Der Hinweis auf das Mindesthaltbarkeitsdatum ist eine Art Garantieerklärung der Hersteller. Ist es überschritten, muss das Produkt nicht zwangsläufig entsorgt werden. Und auch zum nicht verzehrten Schoko-Osterhasen gibt es was zu sagen: Er macht sich auch noch lange nach Ostern gut – als Glasur eines Schokokuchens.

Lesen Sie im Donnerstag-KURIER das Doppelinterview zum Thema "Essensverschwendung vermeiden" mit Caritas-Präsident Michael Landau und Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter.

Petition

Der WWF und die Initiative „Mutter Erde“ fordern von der Bundesregierung konkrete Maßnahmen, um europaweit die Lebensmittelabfälle bis zum Jahr 2030 zu halbieren. Mehr Infos hier.

Initiative

Die EU-Agrarminister haben eine Liste jener Lebensmittel erstellt, die kein Mindesthaltbarkeitsdatum benötigen wie etwa Salz oder Zucker. Im Gespräch sind nun auch langlebige Produkte wie Nudeln, Mehl, Reis oder Kaffee.

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