Von Berat bis Ponza: Urlaub ohne Trubel am Mittelmeer

Hafen von Cesme in der Türkei
Die KURIER-Reiseredaktion empfiehlt mediterrane Urlaubsorte, an denen man bisher eher vorbeigefahren ist.

Zu viel ist zu viel. Venedig, Teneriffa, Mallorca – alle stöhnen unter den Massen, die sich auf den Stränden stapeln und durch die Gassen schieben. Darunter leiden Einheimische, die Umwelt und die Urlauber selbst. Auch Traumstrände verlieren ihren Reiz, wenn man gerade mal einen Quadratmeter Platz hat. Mit dem Urlauben ist es wie mit dem Autofahren: „Du stehst nicht im Stau, du bist der Stau.“ Deswegen: Biegen wir ab, nehmen wir die Nebenfahrbahn.

Wissen Sie zum Beispiel, wo die Pontinischen Inseln liegen? Eben. Oft muss man nur ein paar Kilometer weiter und schon ist man der Overtourism-Hölle entkommen. Sogar rund ums Mittelmeer gibt es Orte, die nicht völlig überfüllt sind. Von der kleinen Inselgruppe vor der Côte d’Azur über die Weltkultur-Stadt in Albanien bis zur Ökofischfarm in Slowenien: Diese Orte sind B-Promis – und gerade deshalb schöner.

Die KURIER-Reiseredaktion empfiehlt: 

  • das portugiesischste Dorf Portugals
  • einen Geheimtipp für gutes Essen in Griechenland
  • die "Stadt der tausend Fenster" in Albanien
  • eine kleine Inselgruppe vor der Côte d’Azur
  • die besten Märkte in Tunesien
  • die Game of Thrones-Insel in Kroatien
  • die beste Alternative zu Capri
  • ein einzigartiges Meeresschutzprojekt in Slowenien
  • Ideen für einen Urlaub an der türkischen Ägäis
  • die kleine Schwester von Barcelona
  • die Region mit dem ältesten Wein der Welt auf Zypern
  • die Filmkulissen von "Gladiator" in Marokko

Portugal: Historische Dörfer statt Algarve 

Monsanto soll das „portugiesischste Dorf“ des Landes sein. Dort wachsen die Häuser aus den Felsen oder umgekehrt, die Granitblöcke dienen als Wände der Gebäude. Auf der Spitze des Lucano-Turms thront ein silberner Hahn – das nationale Symbol Portugals. Monsanto ist eines von zwölf historischen Dörfern in Zentralportugal, die teilweise durch Wanderwege verbunden sind. Mittelalterliche Festungen schützten vor feindlichen Angriffen und die Überreste der alten Bauwerke erzählen von der wechselhaften Geschichte der Dörfer und Portugals.. 

Blick auf das historische Dorf Monsanto in Portugal mit dem Lucano-Turm

Griechenland: Der Essens-Geheimtipp der Kykladen

Doch, schick geht auch auf Sifnos! Wenn man sich am Strand von Platys Gialos mit Blick auf die Ägäis in der Fischbar „Omega3“ mit feinen Gerichten verwöhnt, hat das einen Hauch von Mykonos. So trendy es aber in Bars und Lokalen des Orts zugehen mag, so grundentspannt ist die Atmosphäre auf der Trauminsel: schöne Strände, klares Meer und (Küsten-) Dörfer mit der malerischen, weißen Kykladen-Architektur, sogar ein Netz an Wanderwegen.

Vor allem aber ist die Insel für ihre Traditionen bekannt: Rund ein Dutzend Töpfer gibt es hier noch – der urigste ist Kostas Depastas, Mitte 80, der im abgelegenen Dorf Cheronissos seine Wundergefäße vorführt. Abgesehen davon hat Sifnos, Heimatinsel der griechischen Kochgröße Tselementes, den Ruf einer Kulinarikinsel. Das Angebot ist groß und reicht vom exquisiten Zero-Waste-Restaurant „Cantina“ am kleinen Hafen des Altstadtlabyrinths Kastro bis zur alteingesessenen Taverne „To Tsikali“ in der Bucht von Vathy, wo man sich mit den Füßen im feinen Sand durch sifnotische Traditionsköstlichkeiten probieren kann. (Sascha Rettig)

Albanien: Die "weiße Stadt" Berat

Wenn man oben auf dem Hügel in den Ruinen der alten Festung und der legendären Roten Moschee steht, findet man den Ort schon schön: Einerseits der Blick in die fruchtbaren Ebenen Albaniens, andererseits auf den Berg Tomor (2.416 m), der Albanern so wichtig ist. Die alten Mauern sind selbst imposant, eine gigantische Zisterne ist erhalten, die Geschichte schlug hier mehrfach Purzelbaum. Aber es wird noch besser.

Denn auf dem Hügel liegt – rund um die Gemäuer – das historische Stadtviertel Kalaja. Es ist eines von drei, deretwegen Berat 2008 zum UNESCO-Welterbe wurde, die anderen beiden Mangalem und Gorica liegen am Fuße des Hügels, dies- und jenseits des Flusses Osum. Ihre alte, osmanische Architektur ist streng geschützt. Die weißen Fassaden haben Berat, das als Grenze zwischen nord- und südalbanischer Kultur gilt, den Namen gegeben („weiße Stadt“, wie in Belgrad), der andere Beiname „Stadt der tausend Fenster“ erklärt sich von selbst.

Die weiße Stadt Berat in Albanien

Frankreich:  Îles d’Hyères statt Nizza und Cannes

Wer nicht Französisch spricht, kann die  Aussprache dieser Inselgruppe umschiffen und sie Goldinseln nennen. Der Name rührt von den angeblich golden schimmernden Klippen her. Das konnte bei einem Lokalaugenschein so nicht bestätigt werden, Fakt ist aber: Die Inseln sind nicht so überlaufen wie namhafte Städte an der Côte d’Azur, haben aber ebenso viel Charme. 

Etwa Porquerolles. Die größte der  Hauptinseln von Îles d’Hyères hat mehrere Vorzüge: Sie ist a) autofrei, hat b) viele Bademöglichkeiten und ist c) geschichtlich interessant – davon zeugen die Reste der Befestigungsanlagen. Man muss nur planen, ob man mit der Fähre als Tagestourist kommt oder auf der Insel nächtigt (und lange im Voraus bucht). Dafür ist Porquerolles morgens und abends ruhig und man teilt sie nur mit den Einheimischen.  

Küste der Inel Porquerolles in Frankreich, Segelschiffe in einer Bucht, Cote d'Azur

Tunesien: Medina und Markttreiben

Der typische Tunesienurlaub findet im All-inclusive-Club statt. Wer sich überwinden kann, sich von den  Strandliegen zu erheben, sollte in Tunesien einen Markt besuchen und sich durch die bunte Welt des Landes kosten, riechen, schmecken. Zitronen in der Medina von Sousse, bunte Töpferwaren in Nabeul (nur zwölf Kilometer vom sehr beliebten Urlaubsort Hammamet), Schnäppchen am Wochenmarkt von Zarzis – oder  der Duft von Harissa in der Hauptstadt Tunis

Harissa ist eine tunesische Gewürzpaste, gemixt aus frischen Chilis, Kreuzkümmel, Koriandersamen, Knoblauch, Salz und Olivenöl. In Tunesien wird damit beinahe jedes Gericht verfeinert: Reis- und Couscousgerichte, Suppen und Saucen. Auch die scharfe Hackfleisch-Bratwurst Merguez wird mit Harissa gewürzt, das auch als  Brotaufstrich gereicht wird. Als Nachspeise dürfen die picksüßen Baklava nicht fehlen. Wer touristenärmere Märkte erleben will, muss sich etwas von den Küstenorten wegbewegen, zum Beispiel nach Tataouine.

Von Berat bis Ponza: Urlaub ohne Trubel am Mittelmeer

Auch in Tunesien werden Speisen in den Tajine-Töpfen zubereitet und serviert

Italien: Ein Fährticket nach Ponza

Um Ponza zu finden, muss man auf der Karte schon sehr nahe heranzoomen. Die winzige Insel liegt im Tyrrhenischen Meer, nicht weit von der Latium-Küste entfernt. Ponza ist die Hauptinsel des Pontinischen Archipels, außerdem gibt es da noch Gavi, Palmarola, Zanone und Santo Stefano und Ventotene. Fragt man Nicht-Italiener nach den Inseln, bekommt man immer wieder die gleiche Antwort: „Ponti – was? Noch nie gehört.“ Sehr gute Voraussetzungen also, um garantiert keinen österreichischen Landsleuten zu begegnen. Wer im Hafen von Neapel steht und ein Fährticket lösen will, sollte Capri die kalte Schulter zeigen und stattdessen das unbekannte Archipel ansteuern. Und damit dorthin fahren, wo auch die Römer und Neapolitaner Urlaub machen.   

Blick auf Ponza, eine pontinische Insel in der Nähe der Latium-Küste in Italien, Blick auf ein kleines Dorf, im Vordergrund Kakteen

Im nächsten Italienurlaub lieber nicht nach Capri, sondern auf Ponza

Slowenien: Fische essen, vor allem Fische retten

Zu den vielen guten Gründen, Slowenien zu besuchen, kam jüngst ein interessanter dazu, das einzigartige Meeresschutzprojekt in Piran: Irena Fonda übernahm mit Bruder Lean das Lebenswerk ihres Vaters, nachdem der Meeresbiologe gestorben war. Das betraf einerseits die Zucht des „Piran Branzino“ auf sehr biologische Art, vor allem aber eine alte Idee des Vaters: Vor dreißig Jahren hatte er erkannt, dass der Meeresboden in der Bucht von Piran verschlammt und versandet. Um der Meeresfauna wieder Lebensraum zu geben, errichteten die Fondas ein künstliches Unterwasser-Riff – groß wie ein Haus mit allen Raffinessen, um Brutstätten für möglichst viele Arten zu imitieren. Diese „Sea Oasis Piran“ wird vor allem über Spenden finanziert (yoursea.org), auf Anfrage kann man sie besichtigen und sogar betauchen.

Unterwasseraufnahme von einem Tintenfisch

Kroatien: Erst Dubrovnik, dann die Insel Lokrum 

Dass viele Szenen der Kultserie Game of Thrones in Kroatien gedreht wurden, ist kein Geheimnis mehr. Wer in der dalmatinischen Stadt Dubrovnik (in der Serie die Hauptstadt „Kingslanding“) urlaubt, sollte  abe die kleine, unbewohnte Insel Lokrum nicht übersehen. Das Naturschutzgebiet und die Stadt trennen nur circa sechshundert Meter und im Sommer bringen Pendelboote regelmäßig Ausflügler aus Dubrovnik auf Lokrum. Die Insel hat ein Benediktinerkloster, einen botanischen Garten, ruhige Fels- und FKK-Strände und einen Salzsee (Mrtvo more, auf Deutsch: „Totes Meer“) zu bieten. Vom Fort Royal hat man den besten Blick auf Dubrovnik. Für Fans von Game of Thrones ist die Insel nicht nur als Kulisse für die fiktive Stadt Quarth spannend – dort steht  auch der Eiserne Thron. Wer darauf Platz nimmt, ist Herrscher über die  Sieben Königslande. Wer damit nichts anfangen kann, genießt einfach die Ruhe und Natur der Insel.

Die Insel Lokrum vor Dubrovnik

Erst Dubrovnik besuchen und dann auf der Insel Lokrum dem Trubel entfliehen

Türkei: Flanieren in Çeşme statt Feiern in Bodrum 

Wer an der türkischen Ägäisküste urlauben möchte, schielt zuerst meist auf Bodrum, wo das Kastell am Hafen und die Partylaune beeindrucken. 
In der zweiten Reihe steht oft Çeşme, zu unrecht.   Am besten einen Direktflug in die quirlige Millionenstadt Izmir buchen und auf dem Basar gustieren, einen Ausflug  nach Ephesos machen, wo österreichische Archäologen seit über hundert Jahren forschen und dann  nach Çeşme auf die gleichnamige Halbinsel fahren. Der Ferienort liegt  achtzig Kilometer westlich von Izmir, umgeben von vielen Stränden. Ein Tipp: Kitschig (aber noch am Rande des Erlaubten) sind die alten, schmalen Gassen in Alacati und Çeşme.

Hafen von Cesme in der Türkei

Spanien: Tarragona statt Barcelona 

Antoni Gaudís Sagrada Familia, die Flaniermeile La Rambla und der übermächtige FC Barcelona: Wenn die große Schwester so im Scheinwerferlicht steht, hat es die kleine katalanische Stadt Tarragona schwer. Meint man. Dabei hat die Hafenstadt das gewisse Etwas. Das beginnt beim römischen Erbe: Amphitheater, Aquädukt, Forum, alles da. Und die romanisch-gotische Kathedrale ist  sowieso sehenswert. 

Was die Stadt  (140.000 Einwohner) speziell macht, sind  zwei lokale Eigenheiten: Zum einen die Castells, die menschlichen Türme, die bei Festen leidenschaftlich praktiziert werden. Zum anderen die lokale Küche, dazu zählt Suquet de Peix, ein Fisch- und Meeresfrüchteeintopf. Da ist es egal, dass der örtliche Fußballverein Club Gimnàstic de Tarragona nur in der dritten spanischen Liga spielt.

Zypern: Weintour statt Partymeile 

Es ist ein bisschen unfair, dass nur der griechische Wein besungen wird. Ohne politische Konfliktlinien kulinarisch aufladen zu wollen: Zypern hat den ältesten Markenwein der Welt. Damit Weine die Herkunftsbezeichnung Commandaria tragen dürfen, müssen sie aus der gleichnamigen Weinbauregion nördlich von Limassol stammen. Wer keine Lust auf Partymeilen an  Stränden wie Nissi Beach hat, kann dem Trubel entfliehen, ohne den dionysischen Anspruch aufzugeben: Durch vierzehn Dörfer führt die Commandaria-Weinstraße im Troodos-Gebirge. Dort gibt es auch Soutzoukos, ein Konfekt aus Walnüssen oder Mandeln, das mit Traubensaft-Kuvertüre überzogen wird.

Eine Gruppe älterer Damen stößt mit Weingläsern an um den Urlaub einzuleiten

Es muss nicht immer Party sein: Eine Weintour durch die Berge in Zypern

Marokko: Stadtflucht in die Siedlung am Berg 

Marrakesch ist eine der trendigsten Destinationen der vergangenen Jahre, das merkt man der tollen Stadt auch an. Zum Glück kann man auch rundherum so vieles anschauen und machen. Drei Autostunden und eine Atlas-Überquerung entfernt liegt die umwerfende Stadt Aït-Ben-Haddou. Die Lehmstadt an den Flanken eines Hügels sieht nicht nur wie eine Filmkulisse aus, sie war oft eine – von „Jesus von Nazareth“ bis „Gladiator“. Wenn man die Gassen zur Hügelspitze hinaufgeht, wird man in der Sekunde historisch-romantisch, der Blick von oben auf die unterschiedlichen Stein- und Sandstrukturen zwischen Atlas und Sahara sind mystisch. Wichtig: Zeit und eine Jause mitnehmen! Zwar ist die Stadt heute mehr Freilichtmuseum und es kommen viele Touristen, aber so viele wie in trendy Marrakesch sind es dann doch nicht. 

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