Krebs: Warum Menschen über ihre Krankheit bloggen

Kim aus Hamburg bloggte online über ihre Krankheit.
Ein Jahr lang bloggte Kim über ihren Brustkrebs. Sie hinterlässt eine trauernde Community. Und eine Botschaft.

Am Neujahrstag 2017 postete Kim auf ihrem Instagram-Profil einen Satz, der einem heute, ein Jahr danach, Tränen in die Augen treibt: Endlich ein Jahr mit meiner Lieblingszahl 7 – kann also nur geil werden! Zu diesem Zeitpunkt wusste Kim noch nicht, dass es das schlimmste – und letzte – Jahr ihres Lebens werden würde. Die Hamburgerin war damals 29, schwer verliebt, beruflich im Social-Media-Bereich tätig. Im Fotoportal Instagram teilte sie regelmäßig Impressionen aus ihrem Alltag: von hübschen Cafés, ihrem durchgestylten Wohnzimmer, vom Sport und ihrer großen Liebe Chris.

Kurz nach Neujahr entdeckten die Ärzte einen bösartigen Tumor in Kims rechter Brust. Zu spät: Der Krebs hatte bereits gestreut, saß in ihren Knochen, ihrer Leber. Nie wieder würde sie als ganz geheilt gelten. Dennoch beschloss Kim, ihren Kampf öffentlich zu machen: Unter die Bilder aus dem Leben einer normalen Endzwanzigerin mischten sich Fotos von Krankenhausbetten, Infusionsbeuteln und OP-Narben. Auch auf ihrem Blog kimspiriert.de berichtete sie ausführlich über die "Zecke", wie sie den Tumor nannte. Sie wolle aufklären, das Thema enttabuisieren. Jedes Foto versah sie mit denselben kämpferischen Hashtags: #fickdichbrustkrebs, #duhastdichmitderfalschenangelegt. Am Ende war die Krankheit trotzdem stärker: In der Silvesternacht, ein Jahr nach der Diagnose, starb Kim.

Betroffenheit

Der Tod der 30-Jährigen löste im sonst so oberflächlichen Gute-Laune-Netzwerk eine Welle an Trauer und Mitgefühl aus. Viele von Kims 100.000 Abonnenten hinterließen unter ihrem letzten Bild betroffene Kommentare. Sogar die deutsche Bild widmete ihr einen Artikel.

So wie Kim entscheiden sich immer mehr (junge) Krebspatienten dazu, im Internet über ihre Krankheit zu schreiben. "Wir beobachten die Bloggerszene in diesem Bereich seit einigen Jahren und es wird eindeutig mehr", sagt Doris Kiefhaber, Geschäftsführerin der Österreichischen Krebshilfe. "Manche suchen den Weg über die sozialen Netzwerke, weil sie sich nicht verstecken wollen und doch in einer Art Anonymität bleiben können. Es kann gut tun, sich Ängste und Sorgen von der Seele zu schreiben und Zuspruch zu bekommen."

Studien haben gezeigt, dass Blogger und Instagrammer mit einer hohen Followerzahl – sogenannte Influencer – einen hohen Einfluss auf ihre (meist junge) Leserschaft haben. Eine gute Ausgangslage also, um Bewusstsein für eine Krankheit zu schaffen. Kim etwa forderte ihre Leserinnen immer wieder dazu auf, regelmäßig ihre Brust abzutasten und einen Arzt aufzusuchen, wenn sie Veränderungen bemerken. Kiefhaber: "Es gibt einige Blogger, die medizinisch bestens informiert sind und aufgrund ihrer eigenen Betroffenheit aktiv aufrufen, Krebsvorsorge ernst zu nehmen. Das ist großartig."

Sprachlosigkeit

Ab einem gewissen Zeitpunkt der Krankheit – etwa, wenn das Thema Sterben präsent wird – komme es bei vielen Bloggern zu einer Sprachlosigkeit, weiß Kiefhaber. "Die Follower posten dann oft immer noch Durchhalteparolen. Das macht viele Patienten wütend, weil sie sich unverstanden fühlen. Eine ganz schwierige Situation." Ein öffentliches Krebstagebuch sei daher nicht für jeden der richtige Weg. "Die Entscheidung sollte gut überlegt werden. Anders verhält es sich bei einem privaten Tagebuch. Das empfehlen wir, wenn wir merken, dass es dem Patienten helfen könnte, Ängste zu artikulieren."

Für Kim war es der richtige Weg. Immer wieder betonte sie, wie bereichernd und ermutigend der Zuspruch der Netzgemeinde sei. Ihre Botschaft werden die Leser so schnell nicht vergessen. Kurz vor ihrem Tod richtete Kim an die "Instis", wie sie ihre Follower nannte, einen Appell: Leute, seid dankbar! Lernt, demütig zu sein und entspannter zu werden. Es lohnt sich nicht, sich ständig über Nichtigkeiten aufzuregen.

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