Rund ein Drittel der Menschen in Österreich zeige eine Affinität zum Verschwörungsglauben. "Mein Eindruck ist, dass bei jenen, die bisher einen Hang dazu hatten, der Handlungsdruck in der Pandemie stärker geworden ist." Die Gesellschaft reagiere auch sensibler auf verschwörerisches Gedankengut. Was früher als Eigenart abgetan wurde, wird nun als Verschwörungsglaube erkannt.
Den Dialog mit Nahestehenden, die in alternative Wahrheiten abdriften, aufrechtzuerhalten, fällt vielen schwer. Die Journalistin Ingrid Brodnig hat einen Ratgeber ("Einspruch!") zu den großen Streitthemen unserer Zeit geschrieben. Sie ermutigt dazu, im Gespräch zu bleiben. "Man sollte aber nicht zu viel Druck in ein einzelnes Gespräch hineininvestieren", sagte sie am Dienstag in der ORF-Sendung "Stöckl live". Das erzeuge meist vehementen Gegendruck. Brodnig empfiehlt, aus eigener Perspektive zu schildern, was für eine Impfung spricht "und das Thema dann erst mal liegenzulassen".
"Weltsichten bauen sich nicht von einem Tag auf den anderen auf. Und auch nicht ab", bestätigt Lamberty, die engagierten Angehörigen "vor allem viel Geduld" mitgibt. Der Aufwand, der für ein Umdenken betrieben werden muss, steigt mit der verschwörungstheoretischen Verstrickung. Menschen, die einer ausgeprägten Ideologie nachhängen, lassen sich nur schwer von Fakten überzeugen. "Die beste Chance hat man, wenn man eine gute Beziehung zu ihnen hat – und Zeit. Mit einem Link wird es in den allermeisten Fällen nicht getan sein."
Rat suchen
Ist die Ideologie stark verfestigt, rät Lamberty "eine Beratungsstelle aufzusuchen und die Sache gemeinsam aufzuarbeiten". In Österreich steht dafür neben der Beratungsstelle Extremismus auch die Bundesstelle für Sektenfragen zur Verfügung. Stehen Ängste hinter dem Hang zum Verschwörerischen, kann man gemeinsam vertrauenswürdige Quellen recherchieren und Informationen einordnen.
Das alles kann zweifellos belastend sein. Der US-Konfliktforscher Peter T. Coleman von der Columbia University empfahl unlängst in einem Interview, Grenzen zu setzen und das Thema bewusst auszusparen, wenn man eskalierenden Corona-Streit befürchtet. Man könne Treffen auch gänzlich fernbleiben, sollte das aber klar, offen und respektvoll kommunizieren.
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