Plötzlich steht der Wolf da: So verhalten Sie sich bei einer Begegnung richtig
Wölfe sind Ausdauersportler. Die sozialen Räuber streifen täglich bis zu 20 km durch ihr Territorium; Durchschnittsgeschwindigkeit im Trab: 10 Stundenkilometer, Spitzengeschwindigkeit: 55 km/h. Jungtiere, die vom Rudel abwandern, um eine eigene Familie in einem eigenen Revier zu gründen, sind bis zu 80 km pro Tag unterwegs.
Dabei halten sich die scheuen Wildtiere in der Regel fern von Menschen; denn sie haben mehr von ihrem größten Feind zu befürchten als umgekehrt.
"Die Gefahr von einem Wolf angegriffen zu werden, liegt nahezu bei Null", heißt es bei der Umweltschutzorganisation WWF. Auch wenn die Nahrungsgeneralisten mit Vorliebe für Reh, Rothirsch und Wildschwein das Potenzial haben, Menschen zu verletzen, werde ihre Gefährlichkeit oft weit überschätzt. Treffen Fußgänger im Siedlungsgebiet, Jogger, Wanderer oder Radfahrer im Wald doch auf einen Wolf, sollten sie bestimmte Verhaltensregeln einhalten. Experten geben Tipps.
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„Wölfe sind sehr scheu. Sie bemerken Menschen frühzeitig und suchen das Weite“, weiß das Österreichzentrum Bär, Wolf, Luchs. „Fühlt sich der Wolf entdeckt, weicht er normalerweise aus und tritt den Rückzug an“, ergänzt der WWF. Das gilt nicht nur im natürlichen Lebensraum der Beutegreifer. Da ihr Revier mehrere Quadratkilometer umfassen kann, schließt es nicht selten Siedlungen ein. Gerade spät abends, nächtens und in der Morgendämmerung, wenn Ortschaften üblicherweise menschenleer sind und Wölfe besonders aktiv, gibt es für die Wildtiere keinen Grund, Wohngebiet zu meiden.
Rückkehr der Beutegreifer
So nahmen mit der Rückkehr der Wölfe in Österreich – die Hundeartigen galten Hierzulande ab 1896 für 120 Jahre als ausgerottet – auch die Sichtungen zu. Zuletzt bemerkte ein Autofahrer ein ausgewachsenes Exemplar in Pürbach bei Schrems, Bezirk Gmünd - der Kurier berichtete. Experten stufen den Vorfall als „besorgniserregend“ ein. Obacht ist geboten. Im Fall einer erneuten Sichtung im Ort müssten Maßnahmen ergriffen werden.
Vergrämen durch Warnschüsse
Für Jäger schreiben Gesetze den Umgang mit Wölfen vor. Sie dürfen Tiere mit „unerwünschtem Verhalten“ mit Warn- oder Schreckschüssen vergrämen, hält der Jagdverband fest. Bei „problematische Verhaltensweisen“ wie einer „unprovozierten Aggressivität gegenüber Menschen“, habe innerhalb von vier Wochen eine Entnahme zu erfolgen.
Auch für Menschen, die zu Fuß oder auf dem Rad auf einen Wolf stoßen, gibt es Richtlinien. „Sollte es einmal zu einem Zusammentreffen kommen, bleiben Sie stehen, verhalten Sie sich ruhig und geben Sie dem Wolf die Möglichkeit, sich zurückzuziehen“, rät das Österreichzentrum Bär, Wolf, Luchs.
Zeigt sich der tierische Einzelgänger bzw. das Rudel unbeeindruckt, empfehlen Experten:
- Sprechen Sie laut oder klatschen Sie kräftig in die Hände. Panische Bewegungen sollten tunlichst vermieden werden; unterdrücken Sie möglichst ein Kreischen.
- Laufen Sie nicht weg, sondern entfernen Sie sich allenfalls langsam rückwärts. Es gilt, stets Blickkontakt zu halten.
- Sollte Ihnen der Wolf wider Erwarten folgen, so halten Sie an und versuchen Sie, ihn einzuschüchtern, indem Sie sich groß machen, ihn lautstark anschreien und eventuell einen Gegenstand nach ihm werfen. Gefahr sei in solchen Situationen nicht in Verzug.
Was für Alt gilt, gilt übrigens ebenso für Jung: „Grundsätzlich sollten insbesondere kleine Kinder nicht ohne Aufsicht im Wald spielen – egal ob Wolfsgebiet oder nicht“, heißt es beim WWF. Jedem Wildtier müsse mit Respekt begegnet werden; d.h. nicht nachlaufen, sondern Abstand halten. Wölfe im Besonderen, allen voran Welpen, sollten keinesfalls gefüttert werden, Wurfhöhlen sind tabu.
Nicht anfüttern
„Vor allem junge, noch unerfahrene Wölfe sind meist neugierig und weniger scheu als alte Wölfe und begeben sich eher einmal in eine unvorteilhafte Lage“, heißt es beim Österreichzentrum Bär, Wolf, Luchs. Regel Nummer 1 im Umgang mit dem pelzigen Nachwuchs: Keinesfalls anlocken, niemals füttern.
Für Hundehalter stellt die Begegnung mit dem Wolf eine spezielle Situation dar: „In Wolfsgebieten sollten Sie den Hund beim Spazierengehen grundsätzlich an die Leine nehmen. Wölfe können auf frei laufende Hunde aggressiv reagieren“, weiß das Österreichzentrum Bär, Wolf, Luchs. Wichtig in diesem Fall sei, dass Besitzer ihr Haustier nahe bei sich halten und der Hund nicht von sich aus versucht, den Wolf anzugreifen.
Geringes Risiko
Der WWF schließt: „Die Wahrscheinlichkeit, dass einem beim Spaziergang im Wald ein Ast auf den Kopf fällt, ist weitaus höher, als von einem Wolf angegriffen zu werden.“
Auch die Wahrscheinlichkeit, hierzulande von einem Bären attackiert zu werden, ist nicht hoch. Wissen schützt im Ausnahmefall. Der wichtigste Unterschied im Umgang mit dem übermächtigen Gegner: Ergeben Sie sich, lassen Sie sich auf den Boden fallen und stellen Sie sich tot. Sinnvoll ist es, sich flach auf den Bauch zu legen oder einzurollen, die Hände zum Schutz in den Nacken zu legen und völlig still zu bleiben.
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