KURIER: Die Rückkehr der Wölfe in Europa läuft mancherorts etwas holprig. Ist sie aufzuhalten?
Kurt Kotrschal: 70 Prozent der Österreicher sind pro Wolf eingestellt – nicht nur in der Stadt, sondern auch auf dem Land. Außerdem gibt es eine eindeutige Gesetzeslage, die den Wolf schützt. Der Wolf kann sich auch gut an Kulturlandschaften anpassen. Es geht also nicht darum, ob wir mit dem Wolf leben, sondern wie. Die Rückkehrer werden letztlich zur Nagelprobe, wie ernst uns die ökologische Wende ist.
Widerstand gegen das Comeback gibt es teilweise aus der Jägerschaft. Wie erklären Sie das?
Viele Jäger sehen Wölfe immer noch als lästige, schwierig zu kontrollierende Konkurrenten. Dabei sollten sie die Rückkehrer als Verbündete im Hegen von Niederwild bzw. beim Gesundhalten der Wildbestände sehen. Allein durch die Anwesenheit der Wölfe steigt die Biodiversität, die Wilddichte dagegen wird kaum beeinflusst.
Weidetierhalter sind wenig begeistert von den großen Beutegreifern. Ist das nicht verständlich?
Der Wolf gilt manchen als Totengräber der Almwirtschaft, er muss als Schuldiger für eine überzogene Bürokratie und verfehlte Politik herhalten. Die Zahlen sagen anderes. Der Wolf wird nicht wieder verschwinden, selbst wenn man auf ihn schießt. Es braucht vielmehr einen sachgemäßen Herdenschutz. Im Flachland werden gut gewartete Elektrozäune reichen. In bergigem Gelände sind altes Know-how sowie große Herden mit Hirten und Hunden gefragt. Dafür gibt es volle EU-Töpfe; die österreichische Politik muss das Geld nur abholen. Die Betroffenen dürfen nicht alleine gelassen werden.
Wolf und Mensch gehören seit der Altsteinzeit zusammen. Sie sagen, sie „ticken ganz ähnlich“. Wie ist das zu verstehen?
Wolf und Mensch kamen vor 40.000 Jahren nicht nur zusammen, Hund und Mensch blieben das bis heute. Wolf und Mensch leben in Familienclans, man kooperiert – beim Jagen, in der Aufzucht des Nachwuchses, in der Abwehr von Nachbarn bzw. Feinden. Wegen dieser gleichen Grundeinstellung passen sie gut zusammen. Wölfe in Form von Hunden tun das noch besser, weil sie sich uns angepasst haben. Ohne diese jahrtausendealte Beziehung wären wir nicht die Menschen, die wir sind.
Worin unterscheiden sich Wolf und Hund am meisten?
Hunde sind in ihren geistigen Leistungen etwas abgespeckt, dafür sind sie im Zusammenleben mit dem Menschen besser. Die nette kooperative Art von Hunden ist direktes Wolfserbe.
Brauchen wir das Haustier Hund heute mehr denn je?
Gerade in Zeiten der Klimakrise, des Biodiversitätsverlusts, des Krieges – die Meldungen werden uns täglich frei Haus geliefert – fühlen wir uns ständig bedroht. Wir suchen soziale Unterstützung bei der Familie, bei Partnern, bei Kumpan-Tieren. Der Hund hat den Vorteil, dass er nicht kritisiert. Studien belegen die positive Wirkung der Sozialgefährten auf unsere Gesundheit. Ein Leben ohne Hund ist nicht ganz vollständig.
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