So schmeckt der Laborburger
„Well done“, also nicht blutig – mit dieser Anweisung schickte die Österreicherin Hanni Rützler einen jungen britischen Koch am 5. August 2013 in London in die Küche. Ihr Biss in den ersten im Labor, aus tierischen Stammzellen erzeugten Burger, sorgte weltweit für Aufsehen.
Durchgesetzt haben sich, das muss zehn Jahre später klar gesagt werden, die Fleischalternativen aus dem Labor bisher nicht. Auch wenn die USA im Juni 2023 zwei Unternehmen erlaubte, eine Hühnerfleischalternative aus dem Labor zu verkaufen. Damit sind die USA nach Singapur erst das zweite Land weltweit, dass derartige Produkte erlaubt. Allerdings unter der Auflage, sie nicht Fleisch zu nennen. Die US-Behörden genehmigten den Verkauf nur als „cellbased Chicken“.
Was Alternativen am Teller betrifft, hat sich seit 2013 dennoch vieles getan, sagt Rützler. „Der Fleischkonsum geht nach unten, es war schon 2013 klar, dass konventionelles Fleisch dringend Alternativen braucht.“ Milch- und Fleischersatzprodukte sind heute bereits im Mainstream angekommen. Die Ernährungswissenschafterin beschäftigt sich mit Ernährungstrends und erstellt jährlich einen „Food Report“ mit dem Zukunftsinstitut.
Geändert haben sich in den vergangenen zehn Jahren auf jeden Fall die Ansprüche der Konsumenten: „Deutlich mehr Vegetarier, aber vor allem Flexitarier“ fordern die Lebensmittelbranche heraus. „Derzeit haben plant-based Produkte die Nase vorn“. Das heißt: Anstatt tierischer Zellen, die im Labor vermehrt und kultiviert werden, sind Pflanzen die Basis, etwa Soja oder Erbsenprotein, aber auch andere Hülsenfrüchte wie Kichererbsen oder Lupinen. Dazu kommen unter anderem Pilze, Getreide oder es wird mit Fermentation gearbeitet, erklärt Rützler. Nicht zu vergessen: Insekten. „Der Markt ist so rasch gewachsen, dass man leicht den Überblick verlieren kann.“ Kritikpunkt vieler Skeptiker: Um Faschiertes, Wurst oder Schnitzel in Geschmack und Aussehen zu imitieren, seien viele Zusatzstoffe nötig. Durch innovativere Verfahren habe sich auf diesem Gebiet laut Rützler aber viel verbessert.
Mit Mark Post, einem der Pioniere von „Fleisch“ aus tierischen Zellen, traf Rützler im Frühling 2013 auf einer Ernährungstagung zusammen. „Ich war überrascht, dass er und sein Team schon so weit ist, und sagte halb im Scherz, dass ich ihn (den Burger, Anm.) probieren möchte.“ Als Mark Post einige Wochen später tatsächlich anrief, „wusste ich noch nicht, dass es so ein großes öffentliches Ding wird“. Aber: „Bei dieser Präsentation wurde gezeigt, dass In-vitro-Fleisch nicht nur am Papier funktioniert, sondern auch im echten Leben – eine Art ‚proof of concept‘“.
Die Zukunftseinschätzung verlief sehr konträr, erinnert sich Rützler. Manche internationalen Foodexperten sahen in Fleisch, das aus tierischen Zellen im Labor entsteht, Möglichkeiten den Lebensmittelmarkt zu revolutionieren. „Cultured Meat“ wird es mittlerweile genannt: Die Zellen stammen von lebenden Tieren, sie werden mit Nährstoffen wie Aminosäuren, Vitaminen, Mineralstoffen gefüttert und in Tanks vermehrt.
„Besseres“ Fleisch
Daraus entsteht aktuell ein Produkt, das Faschiertem ähnelt und sich zu Burger-Patties, Wurst und Ähnlichem verarbeiten lässt.
Die Vorteile für die Umwelt, die Befürworter oft anführen, zeichnen sich immer klarer ab, auch wenn noch Fragen offenbleiben (siehe rechts). Dazu kommt der Preis, er könnte in den Supermarktregalen höher sein als für herkömmliche Fleischwaren, betonten US-Verbraucherorganisationen.
Hanni Rützler sieht Konsumenten, die „besseres“ Fleisch essen wollen, weil sie den Geschmack lieben, durchaus als Zielgruppe für „Cultivated Meat“: „Vor allem junge Konsumenten sind offener für bessere Alternativen für industrielles Billigfleisch.“ Es könnte eine „spannende Alternative“ sein, lebenden Tieren Zellen zu entnehmen und in einem geschlossenen Kreislauf klein und regional zu produzieren – aber es wird Fleisch nicht ganz ersetzen.“
Den ersten Burger aus dem Labor „blutig“ zu verspeisen, wäre gar nicht möglich gewesen. „Da es nicht aus traditionellem Fleisch gemacht wurde und kein Blut enthielt, musste die Farbe zugesetzt werden.“ Das Blutrote kam übrigens vom Saft der Roten Rüben.
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