Gelbe Blütenpracht: Warum der Senf-Anbau immer schwieriger wird
Vor einigen Jahren stand ein kleiner Reisebus bei einem der Weinviertler Felder von Johann Brantner. Zuerst dachte der Landwirt an eine Pause, doch nach zwei Stunden stand der Bus noch immer da: Die asiatischen Touristen konnten sich nicht an dem leuchtend gelben Blütenmeer sattsehen und zückten immer wieder ihre Handys. Wer im Sommer über ein Feld mit kleinen, gelben Blumen spaziert, denkt zuerst an Rapsblüten – und irrt dabei.
Denn bis Ende Juli findet der Großteil der heimischen Senf-Ernte statt, sein Verwandter Raps wird hingegen schon im späten Frühjahr reif. Besonders wohl fühlt sich die Gewürzpflanze Sinapis in Niederösterreich, wo fast 90 Prozent des heimischen Senfs angebaut wird.
Österreich
Am liebsten essen wir Estragon-Senf: 50 Prozent verfallen auf den würzig-scharfen Klassiker, gefolgt von Kremser Senf mit 16 Prozent
Bronzezeit
Es ist bekannt, dass die Indus-Kultur Senf anbaute. Die Zivilisation existierte bis 1800 v. Chr.
Auszeichnung
Papst Johannes XXII. ernannte im Mittelalter seinen Neffen zum „Großen päpstlichen Senfbewahrer“
8.500 Tonnen
Senf werden pro Jahr in Österreich erzeugt – 8.700 Tonnen verbrauchen wir
Anbau
Die größten Anbauländer der Welt sind Nepal und Russland
Regional
Hierzulande gedeiht vor allem Sinapis alba, Gelber bzw. Weißer Senf, der wie Raps zur Familie der Kreuzblütengewächse gehört. Wenige Zentimeter unter den Kronblättern wachsen kleine Schoten am Stängel, in denen sich bis zu acht Samen befinden. Beim Gelben Senf handelt es sich um helle, glatte Kugeln, die aus den Gurkengläsern bekannt sind.
Österreichs Landwirte setzten in den vergangenen Jahren auf die Gewürzpflanze, um für mehr Regionalität bei der Senfherstellung zu sorgen. Das ist insofern bemerkenswert, da die Franzosen ihre Vinaigrette derzeit ohne Dijon-Senf anrühren müssen – der KURIER berichtete. Wegen einer Hitzewelle in Kanada und dem Krieg in der Ukraine ist Senf derzeit Mangelware in dem Land am Mittelmeer: In Sachen Versorgungssicherheit beginnt bei den französischen Bauern erst jetzt ein Umdenken.
Dabei ist der Anbau von Senf kein leichtes Unterfangen, weiß Brantner: „Wir hatten in diesem Jahr eine relativ schlechte Ernte – der Senf war heuer jene Kultur mit der geringsten Erntemenge.“ Seit 15 Jahren baut der Landwirt die einjährige, krautige Pflanze an: „Der Ertrag schwankt immer von Jahr zu Jahr und hängt stark von der Witterung ab, aber im Juni sorgte der heiße Wind bei 35 Grad für eine schlechte Kornausreifung und kleine Körner, damit hatten wir ein Drittel weniger Erntemenge. Das Getreide war zu dieser Zeit viel weiter in der Entwicklung.“
Auch wenn Brantner Argumente bezüglich Versorgungssicherheit verstehen kann, so erschweren Produktionskosten, Energiekrise und Klimawandel den Anbau von Senf: „Wir haben schon die letzten Jahre Ende Juli geerntet, aber heuer waren wir besonders früh dran. Ich spiele zum ersten Mal mit dem Gedanken, kommendes Jahr keinen Senf anzubauen.“
Schärfe
Lange galten Senf, Zwiebel und Kren zu den einzigen scharfen Gewürzmitteln in Mitteleuropa – Pfeffer und Chili sollten erst im 13. bzw. 15 Jahrhundert Schärfe in die Küche bringen. Das erste Rezept stammt vom römischen Schriftsteller Columella, der zur Zeit von Kaiser Claudius im 1. Jahrhundert n. Chr. ein Werk über Landwirtschaft und Gartenbau verfasste.
Für die Senfherstellung eignen sich ebenso Brauner und Schwarzer Senf, beide zählen aber zu der Pflanzenart Brassica aus der Familie der Kreuzblütengewächse. Die milden, nussigen Körner entfalten während des Garens oder Einlegens ihr scharfes Aroma – nur die Samen des Gelben Senfs werden zum Einlegen verwendet.
Experten gehen übrigens davon aus, dass es sich beim biblischen Gleichnis vom Senfkorn um schwarzen Senf – auch Senfkohl genannt – handeln dürfte, der im Mittelraum heimisch ist.Das „kleinste aller Samenkörner“ werde rasch zu einer großen Pflanze – ein Vergleich mit der raschen Ausbreitung des Reiches Gottes.
Es gibt ganz spezielle Jahreszeiten, in denen die Österreicher besonders gerne Senf essen: Zu Ostern, zu Beginn der Grillsaison und gegen Ende dieser sowie zu Weihnachten konsumieren die Österreicher überdurchschnittlich viel von dem Gewürzmittel. Auswahl und Mischverhältnis von weißen, braunen und schwarzen Sorten entscheiden über Geschmack und Schärfe. Braune und schwarze Sorten sind deutlich schärfer.
Speisesenf enthält Senfkörner, Wasser, Essig, Salz, Gewürze und manchmal Zucker. Der alte Begriff Mostrich für Senf stammt von der traditionellen Herstellungszutat Traubenmost. In der Herstellung wird zwischen Bordeaux-Verfahren – auch Deutsches Verfahren genannt –, Dijon-Verfahren und Englischem Verfahren unterschieden. In Österreich wird für Estragon- und Kremsersenf das Bordeaux-Verfahren angewendet: Zuerst wird die Saat gesiebt und gewalzt – und die ätherischen Öle freigelegt –, danach wird das Senfmehl mit den Zutaten im Maischetank gemischt, dann erst wird die Maische in der Senfmühle nass vermahlen. In der Senfmühle ist wichtig, dass der Senf nicht über 60 Grad warm wird.
Ob nur im Anschluss die Masse gekühlt wird oder schon zuvor und wie lange der Senf reift, unterscheidet sich stark und ist meist ein Betriebsgeheimnis. Spätestens 14 Tage nach diesem Verfahren kann der Senf verpackt werden.
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