Kochen gegen die Teuerung: Mittagstisch um 1,50 Euro
Ein durchschnittlicher österreichischer Haushalt gibt im Monat 400 Euro für Lebensmittel aus. Mit ihrem Budget konnten die Österreicher im Juni dieses Jahres um fast neun Prozent weniger Produkte kaufen als im Vorjahr. Ein Ende der Teuerung ist nicht in Sicht, der Handelsverband rechnet mit einem weiteren Anstieg der Lebensmittelpreise.
Was es heißt, sparen zu müssen, weiß Elisabeth Degenhart. Aufgewachsen in den 1950ern bei ihren Großeltern nahe Innsbruck, musste die Familie jeden Schilling umdrehen. „Meine Großmutter war keine gute Köchin, also habe ich schon mit acht Jahren gesagt, was in den Topf kommen soll. Am Sonntag nach dem Kirchgang hatte ich meine Rezepte schon selber im Kopf – und einmal in meinem Leben wollte ich ein Kochbuch schreiben.“ Dann sind es zwei geworden.
Weltwirtschaftskrise
Am Höhepunkt der globalen Finanzkrise vor 14 Jahren, als die US-Großbank Lehman Brothers zusammenbrach, beschloss die vierfache Mutter, ihre Familienrezepte zu sammeln. Mehr noch, sie wollte den Beweis antreten, jedes Rezept um einen Euro zubereiten zu können. „Jeder in meinem Bekanntenkreis hat gelacht und gemeint, dass die Gerichte um einen Euro doch nicht funktionieren können. Doch, tun sie, ich habe immer alles genau ausgerechnet.“ Die Tirolerin kassierte anfangs nur Absagen von Buchverlagen, aber ihre Idee sollte am Ende von Erfolg gekrönt sein: Das „1-Euro-Kochbuch“ wurde ein Longseller und ist heute in achter Auflage im Buchhandel erhältlich.
Aber kann man die Rezepte noch immer um einen Euro nachkochen? „Für die heutige Zeit kommt man mit einem Euro pro Gericht nicht mehr zurecht, aber es sind immer noch die billigsten Rezepte. Ich habe für dieses Interview Test-Einkäufe gemacht und nachgerechnet: Nicht einmal zwei Euro kosten sie, man kann mit rund 1,50 Euro kalkulieren.“
Eigenprodukte von Supermarktketten bevorzugen
Von einem Jagen nach Rabatten hält die 70-Jährige nichts: „Das ist Zeitverschwendung, denn dafür landen dann andere teurere Produkte im Wagen. Die vermeintlichen Angebote sind oft gar keine Angebote.“ Ihr bester Tipp zum Sparen? „Unbedingt die Eigenprodukte der Supermarktketten nehmen! Die Eigenprodukte sind oft um die Hälfte billiger.“
Degenhart verwendet gerne preiswerte Zutaten: „Zutaten wie Grieß oder Polenta lassen sich unendlich variieren, süß oder pikant zubereiten. Grießknödel lassen sich auch mit Resten füllen oder man röstet sie und isst sie mit Gemüse.“ Überhaupt schwört die Kochbuchautorin auf Österreichs traditionelle Restlküche wie Scheiterhaufen oder Aufläufe, die auch pikant zubereitet werden können. „Die jungen Generationen wissen das nicht, weil sie es nicht gelernt haben. Jetzt ist die Zeit, wo man umdenken muss und froh über ein paar Tipps ist.“
Mit drei Rezepten macht die Köchin Appetit auf mehr:
Überbackene Polenta
Vorbereitung: 5 min, Portionen: 2. Zutaten: 500 ml Wasser, 200 g Polentagrieß, 200 g Schnittkäse, 50 g Butter,
Salz. Zubereitung, 30 min: Wasser, Salz und Butter zum Kochen bringen. Polenta eingießen, umrühren, bei kleiner Hitze 20 Minuten gar werden lassen. Polenta kalt werden lassen, anschließend in Streifen schneiden, mit Käse belegen und ins Rohr schieben. Oder den Käse gleichmäßig über dem Auflauf verteilen und dann im Backrohr backen. Bei 180 Grad im Ofen ca. 10 min bräunen.
Tipp: Der Auflauf schmeckt am besten warm, Polenta-Käse-Scheiben passen auch gut als Beilage auf einem bunten Sommersalat.
Putenreisfleisch
Vorbereitung: 5 min, Portionen: 2. Zutaten: 200 g Putenfleisch, 200 g Reis, 1 Zwiebel, 2 EL Öl, 600 ml Wasser, Salz, 1 EL, Paprikapulver, 1/2 Bund Petersilie, Parmesan. Zubereitung, 35 min: Die fein geschnittenen Zwiebel in einer Pfanne in heißem Öl goldgelb anrösten. Das klein geschnittene Putenfleisch dazugeben und dünsten. Wasser, Reis und die übrigen Zutaten untermischen und 20 min bei kleiner Hitze garen. Reisfleisch anrichten und mit Parmesan bestreuen.
Scheiterhaufen
Vorbereitung: 20 min, Portionen: 2. Zutaten: 3 Semmeln, 2 Äpfel, 125 ml Milch, 1 Ei, 50 g Rosinen, 30 g Zucker, 20 g Staubzucker, 1 Packung Vanillezucker, 1/4 TL Zimt, 1 Eiklar, 1 EL Staubzucker. Zubereitung, 40 min: Semmeln in Scheiben schneiden, Form ausbuttern. Äpfel schälen, vierteln, entkernen, schneiden. Hälfte der Semmelscheiben in die Form geben. Milch, Ei, Zimt, Staubzucker und Vanillezucker schlagen: Halbe Masse über die Semmeln gießen. Äpfel, Rosinen und Zucker darüber verteilen. Die restlichen Semmelscheiben darüber schichten und mit der restlichen Milch-Ei-Mischung bedecken. Scheiterhaufen bei 160 Grad ca. 40 min backen. Eiklar steif schlagen und über den fertig gebackenen Scheiterhaufen geben. Mit Staubzucker überziehen. Bei 160 Grad fertig backen, bis er braun ist.
KURIER: Wie sind Sie damals auf die Idee gekommen, das 1-Euro-Kochbuch zu schreiben?
Elisabeth Degenhart: Mein Gott, wir hatten 2009 eine kleine Wirtschaftskrise und die Leute haben über die Preise gejammert. Also habe ich mir gedacht, was jammert Ihr denn: Es gibt so viele gute Sachen, die man mit sehr wenig Geld kochen kann. Dann habe ich es mal versucht und so viele Rezepte gesammelt, wie mir eingefallen sind. Die Sammlung habe ich nur für mich selbst gemacht. Jeder in meinem Bekanntenkreis hat gelacht und gemeint, dass die Gerichte um einen Euro doch nicht funktionieren können. Doch, tun sie, ich habe immer alles genau ausgerechnet.
Gelten die Preise noch heute?
Für die heutige Zeit kommt man mit einem Euro pro Gericht nicht mehr zurecht, aber es sind immer noch die billigsten Rezepte. Ich habe für dieses Interview Test-Einkäufe gemacht und nachgerechnet: Nicht einmal zwei Euro kosten sie, man kann mit rund 1,50 Euro kalkulieren.
Was haben Sie für Ihre Testkäufe eingekauft?
Ich war in vier verschiedenen Supermärkten und habe nur Grundnahrungsmittel eingekauft: Bei einem Großeinkauf von 40 Lebensmitteln wie Mehl, Zucker, Reis, Nudeln, Eier, Salz, Essig, Öl, Zwiebel, Knoblauch, Kraut und ein paar Kosmetikartikel lag der Unterschied zwischen Supermärkten nur bei rund fünf Euro. Was ich damit sagen will: Man muss nicht von einem ins andere Geschäft laufen und nach Aktionen jagen – das ist Zeitverschwendung, denn dafür landen dann andere teurere Produkte im Wagen. Die vermeintlichen Angebote sind oft gar keine Angebote. Der Mensch kennt sich in seinem Geschäft am besten aus.
Was raten Sie dann?
Unbedingt die Eigenprodukte der Supermarktketten nehmen! Die Eigenprodukte sind oft um die Hälfte billiger.
Essen Sie Fleisch?
Nicht viel, einmal in der Woche. Ich habe das Glück, dass wir zwei Bauernläden haben, ich kaufe das Fleisch also wirklich vom Bauern. Ich brauche nicht mehr als 20dag Fleisch pro Woche: 15dag verbrauche gleich, die restlichen 5 dag verarbeite ich in einem anderen Gericht.
Was kann man noch machen?
Mit der Familie ein bisschen wandern gehen: Fallobst aufheben, sammeln. Das Obst muss nicht schön sein, meist ist es qualitativ besser, weil es nicht gespritzt ist.
Mussten Sie als Kind sparen?
Ich bin 1952 auf die Welt gekommen und bei meinen Großeltern aufgewachsen. Wir haben in der Nachkriegszeit wirklich jeden Schilling umdrehen müssen, aber ich bin immer schon kreativ gewesen. Meine Großmutter war keine gute Köchin, also habe ich schon mit acht Jahren gesagt, was in den Topf kommen soll. Am Sonntag nach dem Kirchgang hatte ich meine Rezepte schon selbst im Kopf – und einmal in meinem Leben wollte ich ein Kochbuch schreiben. Dann sind es zwei geworden.
Welche Rezepte sind Ihnen von damals in Erinnerung geblieben, die man heute noch billig nachkochen kann?
Kaiserschmarrn. Die Leute gehen auf den Berg und geben für den Kaiserschmarrn 10 Euro aus, meiner kostet nicht einmal 1 Euro. Und man kann ihn vielfach verfeinern: Rosinen, Äpfel oder man kann ihn auch pikant machen. Man darf halt nicht vergessen, dass Gemüse andere Garzeiten hat und vorgekocht werden muss. Oder man nimmt einen Viertel Krautkopf, nimmt Nudeln, röstet Zwiebeln mit ein bisschen Speck ab, gibt dann Reste von Würsten hinein und schon hat man einen Grenadiermarsch. Der Kopf Kraut kostet 1,50 Euro, Nudeln kosten auch nix. Die jungen Generationen wissen es nicht besser, weil sie es nicht gelernt haben. Jetzt ist die Zeit da, wo man umdenken muss und froh über ein paar Tipps ist.
Ihre Rezepte funktionieren oft mit Restln.
Ich schneide die Reste vom Brot auf, übergieße sie mit Milch und Eiern: Man kann Gemüse oder Obst reinschneiden und hat einen tollen Auflauf. Was kauft man zum Beispiel im Supermarkt, was man nicht aufbraucht? Einen Kilogramm gelbe Rüben! Ein Teil bleibt übrig und verschrumpelt. Ich schäle die verschrumpelten Rüben, koche sie und mache einen super Salat daraus. Die Rüben schmecken wie frisch. Lebensmittelreste kosten nichts – man hat die Lebensmitteln schon bezahlt und vermeidet nur Lebensmittelverschwendung.
Es fällt auf, dass Ihre Rezepte anders sind als junge Leute heute kochen. Sie verwenden gerne billige Zutaten wie Grieß.
Genau, natürlich sind gewissen Zutaten Geschmackssache. Es kommt auf die Kombi an: Zutaten wie Grieß oder Polenta lassen sich unendlich variieren, süß oder pikant zubereiten. Grießknödel lassen sich auch mit Restln füllen oder man röstet sie und isst sie mit Gemüse. Ein Kilogramm Grieß kostet weniger als 1 Euro.
Sind Sie eigentlich eine Freundin von Konserven?
Nein, wenn ich saisonal einkaufen kann, dann tue ich es. Wenn es heute billig Marillen zu kaufen gibt, dann mache ich Marmelade. Ich bin seit zehn Jahren ein Single-Haushalt, aber wenn ich ein Glas Marmelade drei Euro Durchschnittspreis, aber wenn ich 3 Euro, 1 Euro Zucker, dann habe ich sieben bis acht Gläser, aber selbst gemacht ohne chemische Zusatzmitteln. Das kommt auch der Gesundheit zugute, wenn man so kommt. Pilze sammeln mit den Kindern gegangen, dann habe ich die Steinpilze getrocknet für Suppen oder ins Gulasch rein, das andere habe ich eingerext. Man kann alles einrexen: Gurken; Rüben; Paprika, und es wird nichts auf den Müll geschmissen. Die Menschen nur einkaufen, was sie wirklich brauchen. Gegen die Wegwerfgesellschaft.
Sparen Sie noch anders? Energie beim Kochen, Schnellkochtopf?
In der heutigen Zeit interessieren sich die Menschen natürlich für Tipps. Ministerin Leonore Gewessler hat ja schon den berühmten Deckel auf dem Topf erwähnt. Die drei Abendkleider einer Landeshauptfrau halte ich für einen Hohn an die Gesellschaft. Mein Tipp: Sie brauchen gutes Geschirr, das wirklich steht. Ein Schnellkochtopf eignet sich super für eine große Familie: Ein Gulasch braucht 1,5 Stunden in einem normalen Kochtopf - das kostet Energie. In einem Schnellkochtopf ist das Kochen nach zehn Minuten erledigt, dann braucht reicht für das Gulasch die Restwärme. Erdäpfel sind in einem Schnellkochtopf in fünf Minuten fertig. Ein ganzer Schnellkochtopf mit Kartoffeln reicht für drei Gerichte: einmal Gröstel, dann einen Auflauf und Laibchen, die man zum Beispielmit einem Stück Käse füllen kann. Alle haben sich mit einem Topf Erdäpfel satt gegessen! Natürlich generell darauf achten, dass der Topf die richtige Größe für die Herdplatte hat. Nach dem Aufkochen den Herd zurückschalten oder ganz ausschalten: ein Schnellkochtopf kocht mir Restwärme.
Glauben Sie, dass die unter 40-Jährigen verlernt haben, sparsam zu kochen?
Sie planen nicht mehr. Nach der Arbeit wird in den Supermarkt gehetzt, alles muss schnell gehen und dann greift man zu irgendwas. Als Mutter von vier Kindern, wo jedes Kind andere Vorlieben hatte, habe ich es anders gemacht: Wir haben uns zusammengesetzt und gemeinsam einen preiswerten Wochenplan geschrieben. Ich bin möglichst ein einziges Mal in der Woche nach diesem Plan einkaufen gegangen. Man soll auf keinen Fall hungernd ins Geschäft gehen. Heute würden die Menschen gerne kochen, aber sie wissen nicht was, sie haben keinen Plan. Ich verbanne niemanden, der Nudeln kocht, aber natürlich sollten Eltern nicht jeden Tag Nudeln auftischen - Kinder brauchen frische Zutaten. Durch einen Einkaufsplan und durch meine Rezepte ersparen sich alle das Nachdenken und Zeit, dafür kriegen sie Entspannung.
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