Das Image-Problem der Periode

Immer mehr Länder reduzieren die Steuer auf Hygieneprodukte
Schmutzig und schambehaftet – ein Plädoyer für einen offeneren Umgang mit der Menstruation.

Obwohl die Hälfte der Weltbevölkerung einmal im Monat blutet, ist die weibliche Menstruation in unserer Gesellschaft noch immer tabubehaftet. Nicht selten werden Tampons im Büro heimlich unter dem Schreibtisch von Kollegin zu Kollegin weitergegeben, Regelbeschwerden werden im Gespräch mit dem Chef schnell einmal zu gewöhnlichen Bauch- oder Rückenschmerzen. Warum das so ist, beleuchtet die deutsche Journalistin und Autorin Heike Kleen in ihrem soeben erschienenen "Das Tage-Buch".

Dass das Thema bei vielen Menschen Unbehagen auslöst, führt sie auf das "wahnsinnig schlechte Image" der Menstruation zurück. "Das wurde uns über Jahrtausende antrainiert", sagt Kleen. "Ich wüsste gar nicht, was für eine Werbekampagne man starten sollte, um das aus den Köpfen rauszukriegen." Das Bild der unreinen Periode wurde zu einem wesentlichen Teil von den unterschiedlichen Religionen geprägt. Schon in der Bibel heißt es im dritten Buch Mose, dass Frauen während ihrer Menstruation sieben Tage unrein sind. Unter anderem im Islam und im Judentum ist das Bild ähnlich negativ.

Das Image-Problem der Periode
Heike Kleen, Autorin "Das Tage-Buch"

"In gewisser Weise steht Regelblut auf einer Ebene mit Kot und Urin", sagt Kleen. Während eine Blutung am Kopf oder Knie problemlos im Fernsehen gezeigt werden könne, gebe es einen "enormen Ekel, sobald es Richtung Unterleib geht und Blut ins Spiel kommt. "Während der Entstehung des Buches habe Kleen eine "klarere feministische Haltung" entwickelt. "Weil ich gemerkt habe, dass Frauen über Jahrtausende schlecht behandelt worden sind, unter anderem wegen eines natürlichen Körpervorgangs, der für die Fortpflanzung notwendig ist."

Wissenslücken

In Anbetracht dessen ist es wenig verwunderlich, dass bei einer Umfrage, die von der Plattform erdbeerwoche anonym unter 1100 österreichischen Jugendlichen durchgeführt wurde, 60 Prozent der Mädchen angaben, eine negative Einstellung zu ihrer Regelblutung zu haben. Die Ergebnisse der Umfrage brachten eklatante Wissenslücken zutage. 50 Prozent der befragten Mädchen und Burschen haben zum Thema Menstruation nicht einmal Basiswissen (kurier.at berichtete).

Neben mangelnder Aufklärung ist es laut Kleen aber tatsächlich so, dass der weibliche Unterleib teilweise medizinisch "noch immer ein Mysterium ist". So weiß man bis heute nicht genau, wie das Krankheitsbild Endometriose entsteht, das bei Betroffenen zu enormen Schmerzen während der Periode führen kann. "Man fragt sich schon, warum jede Woche neue Handys erfunden oder Mars-Sonden irgendwohin geschickt werden, in diesem Bereich aber viel zu wenig passiert", sagt Kleen.

Ganz anders wäre die Situation, könnten Männer menstruieren. Zu dieser Conclusio kam die amerikanische Journalistin Gloria Steinem bereits in einem 1978 veröffentlichten Text, in dem sie schreibt, dass Männer mit dieser Körperfunktion angeben würden. Diese Einschätzung teilt auch Kleen: "Männer würden sich für ihre Tage abfeiern. Sie würden damit prahlen, wie viel sie bluten und trotzdem überleben. Hygieneartikel würden außerdem längst von der Krankenkassa bezahlt werden."

Das Image-Problem der Periode
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Tampon-Steuer

Zumindest bei Letzterem hat sich in den vergangenen Jahren etwas bewegt. In Kanada und einigen US-Staaten wurde die Steuer auf Binden und Tampons abgeschafft, in Frankreich und England deutlich reduziert. Für Kleen schon lange überfällig, immerhin würden Frauen diese Produkte nicht aus einem "Luxusgedanken heraus" kaufen.

Die Debatte über die sogenannte Tampon-Steuer hat vergangenes Jahr auch Österreich erreicht, wo es auf diese Produkte eine Mehrwertsteuer von 20 Prozent gibt. Eine Online-Petition der Plattform aufstehn, die deren Senkung fordert, wurde seit März von über 8000 Menschen unterzeichnet (kurier.at berichtete).

Doch am Thema Menstruation hängt viel mehr, als man auf den ersten Blick sieht, weiß Kleen. "In vielen Ländern werden Frauen aus der Gesellschaft ausgeschlossen, wenn sie ihre Menstruation haben. Sie werden in Hütten gesperrt, in denen immer wieder Mädchen sterben, oder sie können nicht zur Schule gehen, weil sie keine Hygieneprodukte und Toiletten zur Verfügung haben." Die Konsequenz sei ein Bildungsrückstand bei Mädchen und ein schlechterer Start ins Leben.

Aufklärungsbedarf

Wie groß der Aufklärungsbedarf in vielen Ländern ist, zeigt eine Studie der UNICEF aus dem Jahr 2012. In dieser heißt es, dass eines von drei Mädchen in Südasien nichts von der Menstruation wusste, bis sie diese selbst bekam. Zehn Prozent der Mädchen in Indien und 48 Prozent der Mädchen im Iran glauben, dass die Menstruation eine Krankheit ist.

"Das macht mich wütend, aber ich hoffe, dass eine Übertragung auf andere Länder stattfindet, wenn wir beginnen, offen über die Menstruation zu sprechen", sagt Kleen. Darum freut sie sich, wenn auch Männer oder Frauen, die mit dem Thema bereits abgeschlossen haben, zu ihrem Buch greifen. Denn es liegt auch an ihnen, Töchtern und Enkelkindern einen anderen Zugang zu vermitteln. "Ich wünsche mir, dass unsere Töchter nach einem Tampon fragen können wie nach einem Taschentuch. Ohne, dass sie dabei gehemmt sind oder sich dafür schämen."

Buchtipp: "Das Tage-Buch" von Heike Kleen, Heyne Verlag, 240 Seiten, 15,50 €

Das Image-Problem der Periode
Das Tage-Buch von Heike Kleen

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