"Alleinerziehende Väter sind eine befremdende Vorstellung"

Vatertagsgeschenk
Die Zahl der männlichen Ein-Eltern-Familien ist seit Jahren am Steigen. Nach wie vor haben alleinerziehende Männer mit Vorurteilen zu kämpfen.

Heute ist Vatertag. Viel wird über die neuen Rollenbilder debattiert, über gerechte Aufteilung der Kinderarbeit zwischen Mann und Frau. Und darüber, dass in der Gleichstellung der Geschlechter immer noch vieles im Argen liegt. 

Es gibt Familien, in denen das Thema eine komplett andere Bedeutung hat: bei alleinerziehenden Vätern. Über sie wird selten bis gar nicht gesprochen. Sie haben ähnlich gelagerte Probleme wie alleinerziehende Frauen. Manchmal sind die Bedürfnisse diametral gelagert.

Die alleinerziehenden Väter werden stetig mehr

Vielleicht liegt es an den Zahlen: Laut Statistik Austria gab es im Jahr 2023 insgesamt 302.100 Ein-Eltern-Familien in Österreich. Die Differenz zwischen den Geschlechtern ist groß: 251.700 davon waren alleinerziehende Mütter, 50.400 alleinerziehende Väter. In den letzten rund 40 Jahren ist diese Zahl beinahe konstant gestiegen – 1985 waren es noch 34.000, 2020 bereits 47.000 alleinerziehende Männer. 

Meist handelt es sich dabei um Väter mit Kindern im Teenager-Alter. "Ab 14 dürfen Kinder selbst entscheiden, bei wem sie leben wollen und wechseln dann teilweise zum Vater", so Doris Pettighofer, Geschäftsführerin der Österreichischen Plattform für Alleinerziehende (ÖPA), im Interview mit krone.at. Solo-Väter mit Kleinkindern unter sechs Jahren sind "Einzelfälle, die hauptsächlich eintreten, wenn die Mutter verstirbt oder die Familie bewusst verlässt."

"Alleinerziehende Väter sind eine befremdende Vorstellung"

Vatertag in Österreich - noch immer sind die Rollenbilder sehr traditionell.

Das Bild des Vaters ist vielschichtig 

Auch wenn alleinerziehende Väter immer noch in der Minderheit sind, so hat sich doch das klassische Geschlechterrollenbild für sehr viele Männer gewandelt. Dass auch sie für Kinder Verantwortung übernehmen müssen und in Fällen für den Nachwuchs alleine sorgen, ist für den Großteil der Männer selbstverständlich. 

"Den starren Identitätsklischees vergangener Jahrzehnte sind Väter mittlerweile entwachsen", betont Mag. Arno Hraschan, Klinischer Psychologe an der Wiener Familienberatungsstelle "Nanaya". Gemeinsam mit anderen professionellen Männerberatern ist er zudem Teil von "PapaInfo – Verein zur Unterstützung gleichstellungsorientierter Väterarbeit" in Österreich. Das Bild des einen Vaters gebe es heute nicht mehr, ist Hraschan überzeugt, was natürlich auch das Rollenbild des Vaters flexibler mache.

"Es haben sich unterschiedliche Weisen, wie Vaterschaft gelebt werden kann, durchgesetzt", erklärt Hraschan. So wollen Männer sich heutzutage in der Familie engagieren, die Kinder gleichberechtigt miterziehen, auch im Haushalt mitarbeiten und nicht auf eine Funktion als Brötchenverdiener reduziert werden. "Der Vater, der ausschließlich für seine Arbeit existiert und zu Hause abwesend ist, wird heute sowohl von den Männern, als auch von den Frauen meist abgelehnt."

Dieser Wandel des Rollenbildes wirkt sich natürlich auch auf die emotionale Bindung zum Nachwuchs aus, lässt sie intensiver und tiefgehender werden. "Kinder werden nicht mehr als Statussymbol betrachtet, sondern als 'Partner', die den Vätern die Chance ermöglichen, eine Beziehung aufzubauen, die von Wertschätzung, altersadäquater Unterstützung, von Respekt, aber vor allem familiärer Liebe und familiärem Zusammenhalt getragen wird", so der Experte. "Viele moderne Väter erzählen, dass sie ihren Kindern ihre eigenen Lebenserfahrungen weitergeben möchten."

Alleinerziehend? Väter haben ähnliche Sorgen wie Mütter

Was die Sorgen um die lieben Kleinen betrifft, das ständig nagende Gefühl, bei der Kindererziehung "eh alles richtigzumachen", ist sowohl bei alleinerziehenden Müttern als auch Vätern zu beobachten. "Hier gibt es viele Ähnlichkeiten", weiß Hraschan. Beispielsweise und vor allem die Herausforderung, Job, Sozialleben und Kind unter einen Hut zu bringen. Oder, anders ausgedrückt: den Alltag zu meistern. 

"Gibt es keine Unterstützung, muss beruflich ein Weg gefunden werden, der genug Flexibilität und Zeit für die Kinderbetreuung bietet, wodurch der Job entweder reduziert, gewechselt oder aufgegeben wird und als identitäts- oder sinnstiftendes Element wegfällt." Hinzu komme, so Hraschan weiter, "dass schnell auch der Anschluss an Freunde, sofern diese nicht selbst Kinder haben, verloren geht." Ein Phänomen, das bei Müttern weiterhin nahezu Standard ist, selbst wenn sie in aufrechter Partnerschaft leben.

"Alleinerziehende Väter sind eine befremdende Vorstellung"

Papa-Sein wird nicht ernst genommen

Dafür müssen Väter darum kämpfen, ihre Allein-Elternschaft im Job zu etablieren. Im Vergleich zu alleinerziehenden Frauen müssen Männer um Anerkennung und um dieselben Rechte (beispielsweise im Arbeitsumfeld) kämpfen – was wohl darauf zurückzuführen ist, dass Kindererziehung gesellschaftlich mehrheitllich immer noch vor allem weiblich assoziiert wird. 

"Im Rahmen der Väterberatung erzählen mir Alleinerziehende oft davon, dass sie es gesellschaftlich schwer hätten", berichtet Hraschan. "Neben den Schwierigkeiten, die alleinerziehende Mütter auch haben, zum Beispiel die Kinderbetreuung, etwa im Krankheitsfall oder nach der Schule, werden die Probleme von alleinerziehenden Vätern im Berufsleben oft nicht ernst genommen." Zum Beispiel? "Wenn eine Mutter um Pflegefreistellung ansucht, wird das in den seltensten Fällen hinterfragt. Macht das ein Vater, wird schnell gestichelt, was denn die Mutter vom Kind machen würde."

Erneut sind hier gesellschaftlich verankerte (und konstruierte) Rollenbilder die Krux an der Sache und ein ausschlaggebender Grund, wieso Männer auch im Jahr 2024 oftmals aufs Vater-Sein pochen müssen. "Das väterliche Engagement wird von vielen noch immer viel zu stark als 'freiwilliges Tun“ verstanden und nicht als logische Konsequenz auf den Umstand, dass man(n) ein Kind bekommen hat", findet Hraschan klare Worte.

Zu wenig Angebote 

Dass die Rolle des allein erziehenden Vaters immer noch sehr wenig sozial anerkannt ist, hat eine weitere Konsequenz zur Folge: Der Psychologe kritisiert, dass es zu wenig Beratungsstellen und öffentliche Plätze in Österreich gibt, an denen Väter andere Väter treffen und sich austauschen können. "Die Spielplätze sind meist in Mütterhand, genauso wie Angebote in den Eltern-Kind-Zentren." Als einzelner Mann unter Kindern und Müttenr fühlt man sich schnell als Fremdkörper - oder Schlimmeres - wahrgenommen.

Hraschan verweist hier auf die bereits genannte Beratungsstelle "Nanaya", die einen eigenen Väternachmittag für Papas mit Babys und Kleinkindern anbietet. Den Verein PapaInfo hat er deshalb mitgegründet, um gleichstellungsorientierte Väterarbeit zu fördern "und um auch auf gesellschaftlicher Ebene zu wirken", betont er.

Bevölkerung und Politik sind gefragt

Was aber könne man tun, um alleinerziehende Väter zu entlasten? Hier treffen sich die Probleme von Männern und Frauen wieder: Hraschan kommt erneut darauf zu sprechen, dass es ein Umdenken in der Bevölkerung braucht – und natürlich auch ein Handeln vonseiten der Politik.

"Mein Eindruck ist, dass gesellschaftlich das Bild existiert, dass hinter jedem Vater immer eine Frau stehen müsse, also entweder die Mutter des Kindes, irgendeine Ersatzmutter oder zumindest die Oma. Dass es Väter gibt, die alleinerziehend sind, scheint eine befremdende Vorstellung zu sein", fasst der Psychologe abschließend zusammen. 

"Und diese Väter haben dann fast identische Probleme wie die Mütter: Arbeitslosigkeit, Teilzeitjobs oder Probleme beim Wiedereinstieg nach der Karenz und vor allem wenig Anerkennung für Erziehungs-, Pflege- und Haushaltstätigkeiten. Das sind wichtige Bereiche, wo man Alleinerziehende unterstützen könnte oder die Politik mehr tun müsste."

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