Hinter den Kulissen: Was macht eigentlich eine Drehbuchautorin?
„Ich habe eine blöde Frage, ich möchte niemanden umbringen, aber ...“ – so beginnen schon mal Sarah Wassermairs Telefonate mit der Polizei, wenn sie gerade für einen neuen Krimi recherchiert. „Wenn ich zu sehr ins Detail gehe, dann werden sie manchmal nervös, aber gerade die Wiener Polizei ist da sehr hilfsbereit“, erzählt die Drehbuchautorin beim KURIER-Gespräch im Café am Heumarkt – ihrem alten Büro.
Hier hat sie zu Beginn ihrer Karriere, noch während des Studiums an der Filmakademie, gemeinsam mit ihrem Kollegen Jacob Groll an Geschichten getüftelt. „Vermutlich sieht man noch immer unsere Abdrücke hier auf der Bank“, schmunzelt die 33-Jährige. „Eines Tages sind auf unserem Stammplatz Touristen gesessen. Wir haben uns woanders hingesetzt und irgendwann ist der Kellner gekommen und hat gesagt: Die Loge ist bereit.“
"Huch, das ist eskaliert!"
In dieser Loge ist etwa die Idee zur Krimiserie „Janus“ entstanden, die 2013 im ORF lief. „Ganz dreist“ haben sich Wassermair und Groll einen Termin bei Katharina Schenk geben lassen, der jetzigen Fernsehfilmchefin im Öffentlich-Rechtlichen, und ihren Pitch vorgestellt. „Sie hat gesagt: ,Interessant, schickt’s mal ein bisschen mehr.‘ Und zwei Jahre später steht man am Drehstart und denkt sich: Huch, das ist eskaliert!“, lacht Wassermair.
Geschrieben hat sie schon immer gerne. „Ich war kurz vor der Matura und hatte keine Ahnung, was ich machen soll: Für Journalismus müsste ich ehrlich sein, von Poetry kannst du nicht leben. Dann hat mir mein bester Freund vorgeschlagen, ich könnte Drehbuch studieren.“
Nöstlingers Geist
Mittlerweile hat die gebürtige Oberösterreicherin nicht nur das Café gegen ein eigenes Arbeitszimmer eingetauscht, sondern auch Drehbücher für zwei Salzburger Landkrimis mit Stefanie Reinsperger und Manuel Rubey geschrieben, für zahlreiche „SOKO Donau“-Episoden und für die Verfilmung von Christine Nöstlingers „Geschichten vom Franz“, die im Sommer mit Ursula Strauss und Simon Schwarz in den Hauptrollen in Wien gedreht wurden.
„Ich hatte tatsächlich zwischendurch mal einen Albtraum, dass mir der Geist von Christine Nöstlinger erscheint und fragt, was ich da mache. Ich bin schweißgebadet aufgewacht“, so Wassermair. Immer wieder habe sie Nöstlingers Bücher und ihre Biographie gelesen, „und ich habe mit vielen Lehrerinnen, Kindergärtnerinnen und auch Kindern gesprochen, um zu verstehen, was das Geniale am Franz ist.“
Wenn sie an einem Krimi arbeitet, geht es hingegen schon eher um makabre Details – wie beim Landkrimi „Flammenmädchen“, der voraussichtlich 2022 im ORF zu sehen sein wird und in dem Feuer eine zentrale Rolle spielt: „Da musste ich dann irgendwann wissen, was in einer Brandleiche alles nachgewiesen werden kann.“
Die Recherche ist der zeitaufwendigste Part – und macht Wassermair am meisten Spaß: „Ich liebe es, mich mit Leuten hinzusetzen und zu sagen: ,Erzähl mir deine Welt!‘ Ich versuche, möglichst viele Themen aufzugreifen, von denen ich noch keine Ahnung habe – weil ich dann eine Ausrede habe, mich in meiner Arbeitszeit in etwas völlig Neues reinzustürzen.“
Stressbacken und Laptopanstarren
Ohne Drehbuch „würden ein Haufen Leute am Filmset stehen und improvisieren“, erklärt Wassermair. „Es ist eine sehr genau beschriebene Abhandlung dessen, was in diesem Film passiert.“
Sind die Vorarbeiten – mit Recherche und Entwicklung der Story – getan, sei eine Rohfassung relativ schnell geschrieben: „10 bis 20 Tage brauche ich in etwa dafür.“ Allerdings: „Das Überarbeiten und Feilen kann dann gerne mal zwei Jahre dauern, bis jede Szene sitzt“, berichtet die Wahl-Wienerin. „Dazu kommt: Du hast beim Film so viele Departments, die du berücksichtigen musst. Dann fällt dir eine Förderung durch und du musst etwas streichen, damit es billiger wird, oder du bekommst einen großen Star gecastet und um ihn glücklich zu machen, braucht er noch zwei Szenen.“
Wenn das Drehbuch fertig ist – nach vielen durch Stressbacken entstandenen Torten, stundenlangem Hin- und Herschieben von Textzeilen und konzentriertem Anstarren des Laptops, – müsse man auch bereit sein, „das Baby herzugeben“. „Wenn gute Schauspieler und eine gute Regie etwas damit machen, ihr eigenes Talent und ihre eigene Vision einbringen, dann ist das im besten Fall so viel reicher – das ist ein großer Luxus“, findet die Autorin. Was am Set schlussendlich aus dem Drehbuch gemacht wird, kann sie nicht beeinflussen. „Ich habe tatsächlich auch schon Krimis von mir im Fernsehen gesehen und mir gedacht: Na da schau her, interessant, was da noch alles passiert! Es gibt auch Schauspieler, die sich Dialog dazu erfinden. Aber wenn es sie glücklich macht …“
Wer sprach denn jemals so?
Für den Job müsse man ein „Gschichtldrucker“ sein, erklärt Wassermair. Und man brauche ein Gespür dafür, wie Leute reden. Den „größten Hass“ habe sie auf Dialoge im Krimi, „wo Leute perfekte Vergangenheitsformen verwenden. ,Und dann ging er nachmittags dorthin.‘ Dann denke ich immer: Das ist ja schön – aber wer sprach jemals so?“, lacht sie.
Sie selbst sei übrigens eine schwer zu überraschende Krimi-Schauerin, schließlich kennt sie die erzählerischen Kniffe: „Ich weiß sofort, wer der Mörder ist.“
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