Es ist nicht die luxuriöseste Bleibe bei den „Vorstadtweibern“: Nico (Nina Proll) musste in der aktuellen Staffel der TV-Serie (heute, Montag, 20.15, ORF1) in den Gemeindewohnung der Eltern übersiedeln. Auch wenn die Quadratmeterzahl klein ist, trostlos sieht es hier dank Szenenbildnerin Ina Peichl dennoch nicht aus.
„Nicos Charakter mag ich gerne. Dass sie eigentlich aus dem Gemeindebau kommt, ist ein spannender Bruch zu den anderen Vorstadtweibern, die aus der gehobeneren Gesellschaftsschicht stammen“, erzählt Peichl. „Man erfährt, dass Nicos Mutter die Wohnung in den 80ern eingerichtet haben muss. Sie war eine sehr geschmackvolle Frau und hat sich damals nur das Beste geleistet.“
Und so fanden Tapeten, Vorhänge und Möbel in knalligen Farben und Mustern ihren Weg in eine leerstehende Wohnung im Karl-Marx-Hof im 19. Wiener Gemeindebezirk.
Manchmal müssen die Charaktere umziehen
An Häuser und Wohnungen für Filme und Serien kommt Peichl über sogenannte Location Scouts, Immobilienbüros oder – wie im Fall des Gemeindebaus – über Wiener Wohnen. „Es gibt fast immer irgendeinen Leerstand. Die Frage ist, ob man dort überhaupt drehen kann. Wenn die Wohnung im 10. Stock ohne Lift ist, dann kündigen die Beleuchter“, sagt sie lachend. Weil bestimmte Objekte nicht dauerhaft zur Verfügung stehen, „ziehen die Charaktere der Serie dann auch manchmal um“.
Peichl macht seit Beginn der Serie das Szenenbild der „Vorstadtweiber“, aktuell wird Staffel 5 gedreht. „Ich bin verantwortlich für beziehungsweise designe alles, was vor die Kamera kommt – ausgenommen Kostüme“, erklärt Peichl ihren Beruf. Dazu gehört das Finden von Außenmotiven, Häusern und Autos, von Pyjamas bis zum Geschirr. „Der Beginn ist das Drehbuch. Dann wird Szene für Szene die Umsetzung erarbeitet – in genauer Abstimmung mit der Regisseurin oder dem Regisseur. Das Wichtigste ist, dass ein Set eine Geschichte erzählt, den Inhalt transportiert.“
Die Motive sollen nicht nur zu den Charakteren passen, sondern auch im Bereich des Umsetzbaren bleiben. Da müsse man durchaus kompromissbereit sein: Im Falle der „Vorstadtweiber“ – das Buch stammt von Uli Brée – werden die Sets manchmal sehr detailliert beschrieben, so Peichl. Die Villa von Hadi (Bernhard Schir) hätte etwa ursprünglich eine Garage haben sollen – in der Serie parkt der Banker aber draußen.
Peichl, die Tochter des Architekten Gustav Peichl, studierte Szenenbild an der Angewandten in Wien, arbeitet u. a. fürs Theater und war in den USA für Serien wie „Dallas“ und „Walker Texas Ranger“ tätig. „In den USA wird hauptsächlich im Studio gearbeitet. Das ist für die gesamten Dreharbeiten am Set besser, es gibt mehr Gestaltungsmöglichkeiten – sowohl für Szenenbild, vor allem aber für Kamera und Licht.“
Das war ein Marathon. Wir mussten das Schlösschen komplett ausräumen, da die Möblierung nicht zu der Rollenbeschreibung gepasst hätte.
von Ina Peichl
Bei einer Serie wie den „Vorstadtweibern“ sei das aber gar nicht möglich – dafür gebe es zu viele verschiedene Schauplätze. „Hier, wo wir zumeist nur einen Tag an einem Motiv drehen, rechnet sich ein Studiobau nicht.“ Was nicht bedeutet, dass kein Aufwand betrieben wird.
Beim fürstlichen Anwesen der Familie Morena, das in der aktuellen Staffel erstmals vorkam, handelt es sich um das Geymüllerschlössel in Wien – eigentlich ein Museum. „Das war ein Marathon. Wir mussten das Schlösschen komplett ausräumen, da die Möblierung nicht zu der Rollenbeschreibung gepasst hätte“, berichtet Peichl. Für den wenige Tage dauernden Dreh wurde sogar eine Küche eingebaut.
„Die Zeit für mich und meine Mitarbeiter ist – gemessen am Aufwand – immer sehr knapp. Ein Team baut, ein anderes tapeziert, eines richtet ein“, so Peichl. „Die Motivgeber sind immer ganz erstaunt, wie schnell wir sind, aber das müssen wir auch sein.“ Für den Umbau des Schlosses standen etwa nur wenige Tage zur Verfügung.
Neue Wände lassen Schuhe verschwinden
In Georgs (Juergen Maurer) Haus, einem Tatort in der aktuellen Staffel, wohnt eigentlich eine Familie, die ihr Heim für den Dreh zur Verfügung stellte. In der Serie steht das Haus aber leer – Möbel und Gegenstände mussten kurzfristig verschwinden. „Wir räumen alles fein säuberlich in Bananenkartons, führen die weg, bringen unsere Sachen rein – und dann kommt wieder alles zurück.“ Manches wird auch versteckt.
„Dafür haben wir ganze Wände aufgezogen, hinter denen die persönlichen Gegenstände der Bewohner wie Schuhe und Spielzeug gelagert waren“, erinnert sich Peichl. In der Küche, wo eine Kampfszene stattfindet, wurde ein dunkler Steinboden verlegt – „um den schönen Holzboden darunter zu schützen“. Änderungen wie neue Wandfarben oder neue Grundrissgestaltungen würden nach Drehschluss oftmals gern übernommen.
Aber mit dem Aussuchen und Anpassen der Immobilien ist es noch nicht getan: In Fundi, Möbelhäusern, Antiquitätengeschäften wird nach der passenden Einrichtung gesucht. Logos, Schilder, Etiketten müssen neu designt werden, selbst auf Handydisplays dürfen keine gängigen Betriebssysteme zu erkennen sein. Zeitungsartikel, Buchcovers, Röntgen- und Ultraschallbilder müssen extra erstellt werden.
Dass beim Dreh jedes dieser Details sitzt, ist auch Aufgabe des Szenenbildes – das übernehmen aber Peichls Mitarbeiter. „Ich bin weg, wenn die erste Klappe fällt“ – am Weg zur nächsten Location.
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