TV-Tagebuch: Die Kunstshow des Kulturministers
* : Das TV-Tagebuch ist eine streng subjektive Zusammenfassung des TV-Abends*
Es ist nicht so, dass man dem Kulturminister im ORF gleich den roten Teppich ausgerollt hat, aber ein alter Meister durfte es für Studiogast Gernot Blümel (ÖVP) am „Kulturmontag“ schon sein. Kulturchef Martin Traxl enthüllte mitten in der Sendung feierlich ein großformatiges Gemälde: „Der Turmbau zu Babel“ von Pieter Bruegel dem Älteren aus dem Jahr 1563.
„Wir wollten auch Kunst ins Studio bringen“, sagte Traxl, der sich beim Kunsthistorischen Museum (KHM) bedankte. Ob hier ein originaler Bruegel auf den Küniglberg transportiert wurde, blieb offen. Das KHM erklärte auf KURIER-Nachfrage, dass es sich um eine Replik handelt, die immer wieder - neben anderen kopierten Meisterwerken - für Kunstvermittlung im öffentlichen Raum verwendet wird.
Die gesamte Kunstgeschichte in einer Minute
Kunstvermittlung im öffentlich-rechtlichen Raum wurde Blümel beim Antrittsbesuch im Kulturstudio abverlangt. Seine Interpretation des Bruegel-Bildes erschöpfte sich dann aber in einer reinen Nacherzählung der biblischen Turmbau-Geschichte, die als Allgemeingut vorausgesetzt werden kann. Wenig später verblüffte er aber mit einer Kurzzusammenfassung der abendländischen Kunst- und Geistesgeschichte. Das wirkte spektakulär, aber auch etwas skurril, daher werden Blümels Ausführungen hier zur Gänze wiedergegeben:
„Die Frage, was der Zweck von Kunst ist, ist eine, die in der abendländischen Geistesgeschichte immer wieder anders beantwortet worden ist. Den niedrigsten Status hat die Kunst bei Platon gehabt: Da war es Mimesis, Nachahmung, von den Schatten auf der Wand, wenn man’s von dem Höhlengleichnis hernimmt. Die niedrigste Seinsstufe, die eigentlich keine Bedeutung gehabt hat. Die Kunst des Mittelalters war eine, die vor allem der Verherrlichung und dem Transport religiöser Inhalte gedient hat, und erst in der Renaissance und in der Neuzeit ist die Kunst zu dem geworden, wie wir sie heute verstehen. Nämlich eine direkte Ausdrucksmöglichkeit der Künstlerinnen und Künstler, die immer wieder Seismografen der Gesellschaft sind, die wahrgenommen haben, wo Veränderungen sind und ein Ausdruck des Menschseins, wie er geworden ist, und dadurch hat sich auch die Bedeutung erhöht, ich finde zum Beispiel, dass abstrakte Kunst total viel mit dem Konzept von Demokratie an sich zu tun hat, weil beide beruhen darauf, dass der Mensch ein absolutes Individuum oder Subjekt ist, wo die Bewertung von Ereignissen und auch von Kunstwerken in einem selbst liegt, und das hat viel mit Demokratie aber auch mit abstrakter Kunst zu tun.“
Der Gedanke liegt nah, dass Blümel diese Überlegungen nicht zur Gänze spontan aus dem Ärmel geschüttelt hat. Dass er sich über einzelne Programmpunkte des Studiogesprächs vorher möglicherweise erkundigt hat, wäre verständlich, mit "Message control" hätte das noch wenig zu tun. Ein kulturphilosophischer Exkurs in diesem Umfang wirkt dann aber bei einem Politiker doch ein wenig aufgesetzt.
Marx und Musik
An der Eloquenz und Belesenheit Blümels soll hier gar nicht gezweifelt werden. Denn einen Beitrag später war zu beobachten, dass der frühere Philosophiestudent viel über Karl Marx zu sagen hat, und das durchaus in differenzierter Form, wenngleich der bürgerliche Politiker von der Umsetzung der Thesen im Realkommunismus freilich wenig hält.
Dass Blümel die Oper schätzt, hat man schon an anderer Stelle gehört und gelesen, im "Kulturmontag"-Studio erklärte er: "Die Musik ist so flüchtig wie die Leidenschaft und die Begierde". Den designierten Staatsopern-Direktor Bogdan Roscic halte er für eine "mutige Personalentscheidung". Lob gab es für seine Amtsvorgänger aus der SPÖ, mehr für Josef Ostermayer, weniger für Thomas Drozda. Blümel wolle nicht alles anders machen.
Kaum mit kritischen Fragen behelligt, nahm der Kulturminister auch zu einzelnen Punkten im Regierungsprogramm Stellung: Bei den Förderungen will man bekanntlicherweise weg vom Gießkannenprinzip, man suche Synergieeffekte zwischen Bund und Ländern, auch im Denkmalschutz. Eine effiziente Kompetenz- und Aufgabenverteilung und die Vermeidung von Doppelgleisigkeiten soll Teil einer bundesweiten Kunst- und Kulturstrategie sein.
Antwort auf Köhlmeier
Etwas schwieriger fiel Blümel die Antwort zu der viel beachteten Gedenkrede von Michael Köhlmeier. Es gelte freilich die Freiheit der Meinungsäußerung. Alles mit der NS-Vergangenheit vergleichen, "nur weil einem die politische Situation nicht gefällt", habe "schon ein wenig was von Zynismus", das hätte er anders formuliert.
Dass sich Blümel als Kanzleramtsminister auch um Europathemen kümmert, wurde kurz angeschnitten. Dass er zudem Medienminister ist, der über mögliche neue Strukturen im heimischen Fernsehmarkt maßgeblich mitentscheidet, hingegen nicht. Vielleicht sollte auch nicht der Eindruck erweckt werden, Blümel könnte auch aufgrund dieser Funktion mehr als eine Stunde lang im ORF-Studio gesessen sein.
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