Bisher hat sich satirisches Erzählen in den Filmen von Östlund bestens bewährt, besonders, wenn es um die komisch-ironische Destruktion von Geschlechterrollen und moderner Männlichkeit ging.
Mit „Triangle of Sadness“ legt Östlund seine Sozial-Farce noch einmal großflächiger und absurder an. Die Modeindustrie und die Welt der Superreichen bieten eine ideale Spielwiese für Kapitalismuskritik aus Sicht eines besoffenen Marxisten (herrlich als Kapitän einer Luxusjacht: Woody Harrelson).
Es beginnt in der Modewelt, wo ein Männermodel namens Carl – gespielt vom schönen Harris Dickinson – angewiesen wird, sein „Triangle of Sadness“ sprich: die Stirnfalte zwischen seinen Augenbrauen, zu glätten – was einer Aufforderung zur Botox-Behandlung gleichkommt. Bei einer Kreuzfahrt, die auf einer Insel endet, treffen Carl und seine Model-Freundin auf eine Gruppe von Superreichen.
Vom netten russischen Oligarchen (der Film entstand vor Putins Angriffskrieg) bis hin zum charmanten, britischen Waffenhändler-Pärchen, ist alles an Dekadenz und Schlechtigkeit vertreten, was man sich in unserer Zivilisation nur wünschen kann: „Ich bin von einer Mutter erzogen worden, die sich in den 60er-Jahren der linken Bewegung anschloss und sich auch heute noch als Kommunistin bezeichnet. Sie vertrat die Ansicht, dass arme Menschen gut und großzügig und Reiche gemein und egoistisch sind.“ Diesen mütterlichen Mittelschichtsblick teilt Ruben Östlund nicht: „Es gibt überall nette Leute.“
Stattdessen beobachtet er Menschen in Extremsituationen und behandelt sie alle gleich (schlecht). Den Vorwurf des Zynismus lässt er sich allerdings nicht gefallen: „In meinem Film kann ich zu meinen Figuren so zynisch sein, wie ich will, wenn es mir dadurch gelingt, einen provokanten Gedanken zu vermitteln. Aber im wirklichen Leben bin ich kein Zyniker.“
Eine zentrale Frage, die Östlund in seinen Filmen immer wieder an sein Publikum stellt, lautet: Was würde ich tun? Dabei kann es ihm gar nicht blamabel genug zugehen. Den peinsamen Streit zwischen Carl und seiner Freundin, bei dem Carl sich weigert, die Restaurantrechnung zu übernehmen, „nur weil ich der Mann bin“, hat Östlund eins zu eins mit seiner jetzigen Frau erlebt: „Die peinlichsten Momente meines Lebens kommen auch in meinen Filmen vor“, sagt er offenherzig und grinst.
Peinlich wird es auch, wenn beim Dinner auf der Luxusjacht ein Sturm losbricht und die vornehme Gesellschaft beginnt, ihre Austern in Sprühfontänen zu erbrechen: „Das war ganz schön schwierig zu drehen“, stöhnt Östlund, der gewöhnt ist, eine Szene in einer langen Sequenz zu drehen. Beim Dinner-Debakel musste er allerdings collagenartig vorgehen und einen erkrankten Gast nach dem anderen ins Visier nehmen: „Ich sage nicht, was echt gekotzt und was Spezialeffekt war. Es wurde letztlich eine Mischung aus beidem“, berichtet Östlund amüsiert.
Besonders beeindruckt zeigte er sich von dem hingebungsvollen Spiel von Sunnyi Melles in ihrer Rolle als eine der russischen Ehefrauen: „Ich habe noch nie mit einer Schauspielerin gearbeitet, die physisch so stark und gleichzeitig auch bereit war, so weit zu gehen. Sie konnte sich ganz von selbst übergeben.“
Ruben Östlund freut sich noch immer über den hohen Ekelfaktor, den er mit seiner Brech-Orgie beim Publikum auslösen konnte. Denn eines will er ganz bestimmt nicht: „Langweiliges Arthouse-Kino machen, das sich mit ,wichtigen‘ Fragen beschäftigt. Ich will einen Film drehen, den ich selbst unterhaltsam finde und den ich mir im Flieger anschauen würde.“
Ruben Östlund möchte das Beste aus zwei Welten, den amerikanischen Unterhaltungsfilm und das intellektuelle, wilde europäische Kino der 70er-Jahre – als Beispiele bringt er Lina Wertmüller und Luis Buñuel – zusammenbringen: „Ich möchte den Leuten einen guten Grund geben, wieder das Haus zu verlassen und ins Kino zu gehen.“
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