Festspielpräsidentin Hammer: "Wir erziehen unser Publikum nicht“
Anfang Juli konnte Kristina Hammer, seit Jänner 2022 Präsidentin der Salzburger Festspiele, einen Erfolg vermelden: Die deutsche Würth-Gruppe, Weltmarktführer in der Herstellung und dem Vertrieb von Montage- und Befestigungsmaterial, wird ab 2025 für zumindest drei Jahre neuer Hauptsponsor. Reinhold Würth, der den Zwei-Personen-Betrieb seines Vaters zum Handelskonzern mit über 2.700 Niederlassungen in mehr als 80 Ländern ausgebaut hat, unterstützt das Festival bereits seit 2016.
KURIER: Gratulation zum neuen Hauptsponsor. Auf Ihnen dürfte ja ein ziemlicher Druck gelastet sein.
Kristina Hammer: Ja. Denn keiner will uns beim Sparen zuschauen, wie es unser Intendant einmal ausgedrückt hat. Dem stimme ich zu.
Ihr Anfang war ja nicht gerade einfach …
Ich habe begonnen, als es den höchsten Peak an Corona-Infektionen in Salzburg gab. Fast zehn Prozent unserer Belegschaft war im Krankenstand – das ist für die Vorbereitung von Festspielen nicht ganz einfach. Dann brach der Krieg aus. Und dann stieg die Inflation. In einer solchen Zeit Sponsoren zu finden, ist tatsächlich eine Herausforderung. Vor allem wenn die Vorgängerin 27 Jahre im Amt war. Da kann es schon vorkommen, dass sich der eine oder andere Mäzen sagt: Gut, schauen wir mal, wie sich die Nachfolgerin macht. Zumal wir unmittelbar davor das 100-Jahr-Jubiläum gefeiert hatten. Die Unterstützung der Sponsoren war damals groß. Es bestand also die Gefahr, dass manche eine Pause einlegen. Aber das durfte nicht passieren. Und es ist uns nicht passiert.
Sponsorenverträge wurden verlängert oder sogar, wie im Falle von Kühne, erweitert. Und die Würth-Gruppe hat ihr bisheriges Engagement mehr als verdoppelt?
Genau. Was wir herstellen, darunter die Bühnenbilder und die Kostüme, entsteht in Handarbeit. Unsere Herausforderung sind daher die Personalkosten, die derzeit circa 70 Prozent des Budgets ausmachen: Sie sind infolge der Inflation stark gestiegen. Und die kann man nicht wieder zurückschrauben. Aber nun können wir mit Zuversicht in die Zukunft schauen.
Sie wirken tatsächlich viel gelassener. Und können damit umgehen, dass Altpräsidentin Helga Rabl-Stadler heuer bei vielen Premieren und Konzerten war?
Also – ich hatte mit Helga von Anfang an ein entspanntes Verhältnis. Sie hat mich, bevor ich noch die Funktion offiziell übernommen habe, spontan zu einem Abendessen des Präsidenten der Freunde der Festspiele mitgenommen. Das war wichtig für mich. Ich bin mit ihr weiterhin in regelmäßigem Kontakt. Ich schätze sie. Sie hat Unglaubliches für die Festspiele geleistet.
Und wie ist Ihr Verhältnis zu Markus Hinterhäuser? Er hat Sie anfänglich kritisiert, aber zuletzt gemeint, dass Sie sich zusammengerauft hätten.
Meine Vorgängerin und unser Intendant bildeten über einen langen Zeitraum ein eingespieltes Team. Dann kommt die neue Präsidentin mit anderen Vorstellungen, neuen Ideen, hat ein anderes Tempo, eine veränderte Herangehensweise – und eine andere Außensicht. Veränderungen zu akzeptieren und sich gegenüber dem Neuen zu öffnen ist nicht immer einfach. Aber wenn man auf die letzten zweieinhalb Jahre zurückblickt, kann man sagen: So schlecht haben wir es nicht gemacht.
Was verstehen Sie unter Außensicht?
Mir war und ist die Öffnung der Festspiele wichtig. Die Menschen sollen verstehen und nachvollziehen können, was wir – auch mit Steuergeld – tun. Wir sind daher auf Social Media sehr aktiv: Wir geben Einblicke hinter die Kulissen, wir machen Videos mit unseren Mitarbeitern. Wir wollen zeigen, was wir an Handwerk, an Können haben – und welche interessanten Jobs es bei uns gibt. Oder: Man bekommt einen ganz anderen Einblick in eine Mozart-Oper, wenn man das Gespräch eines Regisseurs mit einer der wunderbaren Sängerinnen mitverfolgen kann. Denn die Besucher haben nicht mehr so viel Zeit wie früher, um sich auf eine Vorstellung vorzubereiten. Sie machen es in der Regel wie ich früher – und lesen das Programmbuch erst hinterher. Am Tag der Vorstellung schreiben wir daher den Menschen, die eine Karte gekauft haben, ein Mail – und fügen ein Video, einen Podcast und so weiter an.
Es gibt unter den Videos auch Gespräche auf dem Lastenfahrrad. Damit demonstriert man eine grüne Gesinnung. Und Peter Sellars kritisiert in seinen Salzburger Inszenierungen die Umweltverschmutzung. Gleichzeitig bilden Audi-Limousinen vor den Festspielhäusern eine Phalanx. Ist das nicht eine Diskrepanz?
Überhaupt nicht, denn das sind Elektroautos! Und unser Festspielticket ermöglicht die kostenfreie Anreise mit den öffentlichen Verkehrsmitteln – bereits sechs Stunden vor Vorstellungsbeginn. Und: Wir sind soeben mit dem österreichischen Umweltzeichen ausgezeichnet worden. Nachhaltigkeit ist uns zudem enorm wichtig bei der anstehenden Sanierung und Erweiterung des Festspielbezirks.
Gut, die Festspielhäuser, historisch gewachsen, können „klimafit“ gemacht werden. Aber beim Bau neuer Gebäude wird enorm viel CO2 freigesetzt …
Wie Sie wissen, ist seit 60 Jahren – abgesehen vom Umbau des Kleinen Festspielhauses zum Haus für Mozart und der Errichtung des neuen Foyers – baulich nicht sehr viel passiert. Bei „Falstaff“ zum Beispiel hat es ins Große Festspielhaus geregnet. Das darf nicht passieren! Die Dächer müssen einfach saniert werden. Und die Haustechnik ist ans Ende ihrer Lebenszeit gekommen. Künftig wird man die Räume unabhängig voneinander klimatisieren können, das spart sehr viel Energie ein. Auch die Bühnentechnik muss erneuert werden. Wir möchten nicht, dass, wie anderswo, der Eiserne Vorhang runterkracht. Und wenn Sie sich das Werkstattgebäude, das wir abreißen, anschauen, werden Sie feststellen, dass die Energiebilanz nur besser werden kann. Die Neubauten in den Berg hinein sind dringend notwendig. Wir müssen darauf schauen, dass die Menschen auch in Zukunft gerne bei uns arbeiten. Die Festspiele sind homogen gewachsen, aber die Werkstätten nicht im ähnlichen Maße. Es braucht daher eine Erweiterung.
Die Vorarbeiten für den „Festspielbezirk 2030“ laufen, der erste Schritt ist das Festspielzentrum nach Plänen des Architekturbüros Marte.Marte: Kommenden Mittwoch präsentieren Sie zusammen mit Lukas Crepaz, dem kaufmännischen Geschäftsführer, die konkreten Schritte.
Dr. Hans-Peter Wild, den ich schon viele Jahre kenne, stellt bis zu zwölf Millionen Euro zur Verfügung, um uns dieses Festspielzentrum zu ermöglichen. Das ist die größte Einzelspende in der Geschichte der Festspiele. Ein solches Engagement macht mich dankbar und demütig. Das Zentrum ist für uns ein wichtiger Baustein, denn es wird das ganze Jahr geöffnet und eine permanente Begegnungsstätte sein. Abgesehen davon, wird es maßgeblich zur Verschönerung des Areals hinter der Pferdeschwemme beitragen.
In der Festspielzeit – die Saison endet heuer am 31. August – sind Sie ja vor allem Gastgeberin und bei vielen Events. Liegt Ihnen die Rolle?
Die Aufgabe der Gastgeberin ist es nicht, das richtige Kleid anzuziehen, sondern die Menschen herzlich willkommen zu heißen – egal aus welcher Nation sie kommen, welche Religion und welchen Hintergrund sie haben. Sie sollen sich wohlfühlen. Die Festspiele sind für mich eine Oase der Menschlichkeit – nicht nur auf der Bühne. Unsere Besucher bringen ein großes Interesse an hochkulturellen Anlässen mit. Diese Offenheit wollen auch wir ihnen entgegenbringen.
Es ist aber feststellbar, dass die Besucher weit schlechter gekleidet sind als früher. Smoking und langes Abendkleid trägt man fast nicht mehr. Die Salzburger sind pikiert.
Ja, ich höre das manchmal. Und ich bemerke die Entwicklung – nicht nur bei den Festspielen, sondern in vielen Opernhäusern. Es ist ein bisschen schade, dass nach der Pandemie die Lockerheit der Kleidung zugenommen hat. Auf der Rückseite unseren Tickets weisen wir darauf hin, dass wir uns über angemessene Kleidung freuen. Aber „angemessen“ wird von den Menschen mitunter unterschiedlich interpretiert.
Ein Dresscode ist undenkbar?
Ich kann nur mit gutem Beispiel vorangehen – zusammen mit vielen anderen festspielbegeisterten Menschen, die über ihre Kleidung den Künstlern die Ehre erweisen. Aber wir erziehen unser Publikum nicht.
Das Projekt: 2020 gab man bekannt, dass von 2025 bis 2030 die Spielstätten saniert werden und die Gesamtnutzfläche im Festspielbezirk um 10.300 auf 47.500 Quadratmeter erweitert wird (u. a. durch Abbruch von 90.000 Kubikmeter Fels aus dem Mönchsberg). 2023 erklärte man, dass sich das Projekt bis 2032 hinzieht.
Die Kosten: 2019 wurden die Kosten mit 263 Millionen Euro angegeben. Inklusive der Valorisierung bis 2030 rechnete man mit 335 Mio. Euro. Nun geht man von rund 400 Millionen Euro aus, die von Bund (40 %), Land und Stadt (je 30 %) getragen werden.
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