Gedankenspiele
Und dazwischen gibt es ein Ding, ein Werk, eine Performance, eine Installation, einen musiktheatralischen Versuch, so genau weiß man das nicht, der/die/das von der Geschichte erzählt, vom Beginn des 20. Jahrhunderts bis ins Heute. Wobei auch „Erzählen“ ein großes Wort ist: Vielmehr ist es eine Montage, die keinerlei abgeschlossene Handlung bietet, sondern Bilder im Kopf des Betrachters evoziert.
Wenn man von Theater eine Story erwartet, eine fiktionale oder reale, wenn man Schauspielern bei der Ausübung ihrer Profession zusehen oder Sängerinnen beim Produzieren von Tönen zuhören will, ist man völlig fehl am Platz. Heiner Goebbels’ neues Stück ist diesbezüglich eine Verweigerung, eine Überwindung der (oft zu) eng gesteckten Grenzen, ein theatralisches Nichts. Aber das Nichts nichtet nicht vor sich hin, sondern bietet durchaus Einiges, wenn man sich darauf einlässt. Es ist gleichermaßen Gesellschafts- wie Medien- und Rezeptionskritik. Und es ist in manchen (wenigen) Momenten sogar komisch, wenn historische Sätze oder Begebenheiten aus dem Zusammenhang gerissen nur noch lächerlich wirken.
Sie können sich unter all dem nichts vorstellen? Ähnlich bleibt es im Theater. Goebbels verwendet drei Bausteine für sein Stück: vom Band oder live gesprochene oder projizierte Texte des Autors Patrik Ouředník aus „Europeana“, die pointiert historische Schnipsel ins Theater werfen (das beste Element des Abends); aktuelle Videos aus der Euronews-Reihe „No Comment“, aus der Ukraine, aus St. Anton (Verwüstungen), aus dem Kosovo, aus Japan etc. – passt zum Grundthema, Vorkommnisse nicht zu bewerten, sondern nur aufzuzeigen; sowie Bühnenbild-Elemente einer John-Cage-Produktion, die Heiner Goebbels 2012 inszeniert hatte – zwölf Performer (als Bühnenarbeiter) schieben Requisiten hin und her und schaffen damit Tableaux.
Man vermutet, dass all das mit Krieg, Gewalt, politischen Irrläufern zu tun hat, man sieht Heldenpodeste ohne Helden drauf, Goebbels befreit Dinge von ihrem politischen Kontext, stellt sie in einen neuen und überlässt dem Betrachter die assoziative Zusammenstellung und Enträtselung des Puzzles. Die Musik bleibt durchgehend Geräuschkulisse, schön sind einige Lichteffekte.
Es ist definitiv nicht alles schlecht, und irgendwie will man dieses Ding auf der Bühne mögen. Aber es wird einem nicht leicht gemacht.
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